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Was war der Dank?

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Als einst in froher Runde,

Da ihn des Weines süßer Rausch umfing,
Der zweite Sohn mit allzukeckem Munde
An Katharinens Namen sich verging:

Da schnell ein Ohr fand des Verräters Klage,
Schwerer, denn Blutschuld, wog das leichte Wort,
und tief im Bergwerk, fern vom holden Tage,
In Ketten ist sein müder Leib verdorrt.

Noch einer blieb, der jüngste, Sohn der Schmerzen, Mit blauem Aug' und schwarz geloctem Haar, Ein süßes Kind, das ihrem Mutterherzen Wermut zugleich und linder Balsam war. Man hat sie oft noch mitternachts gesehen, Wie sie empor sprang bei der Lampe Schein, In ihres Kindes Angesicht zu spähen, Und dann vor seinem Lager schlief sie ein.

Er wuchs heran: sein Auge, morgenhelle, Flog stolz und fröhlich in der Welt umher; Kein andrer trieb, wie er, das Roß so schnelle, Hein andrer schwang die Lanze so, wie er. Und sang er nachts ein Liedchen vor den Zelten, Da schwieg das Volk und horchte voller Lust Und nickt' ihm zu, und mancher Dirne schwellten Sehnsüchtige Seufzer die bewegte Brust.

Da plöglich kam, gewaltsam Recht zu sprechen
Für jedes Unrecht, das der Russe that,
Pugatschew tam: sein heil'ges Amt war Rächen,
Ein Schwert sein Scepter, blutgetränkt sein Pfad.
Und Kampfgeschrei und Freiheitruf durchschwirrte
Die grüne Steppe, sausend wie ein Pfeil,
Und jede Kette, die zu Boden klirrte,
Ward umgeschmiedet in ein mordend Beil.

Auch an das Ohr der Mutter traf die Kunde.
Zwei Tage saß sie wortelos und sann;
Am dritten erst, in mitternächt'ger Stunde,
Zu ihrem Sohne flüsternd hob sie an:
,,Dein erster Bruder liegt in fremder Erde,
Im Bergwerk ist des andern Leib verdorrt."

Hier brach sie ab; der Sohn pfiff nach dem Pferde;
Denn er verstand die Mutter ohne Wort.

Sie weinte nicht, als mit verhängten Zügeln Ihr Liebling früh aus ihren Armen flog: Sie wußte ja, daß auf des Ruhmes Flügeln Sein Name bald die halbe Welt durchzog. Rot war von Blut das Fähnlein seiner Lanze, Sein Schwert war Blitzstrahl in der Feinde Reih'n, Und bald nun, bald, in hellem Siegesglanze Zieht er in Moskaus heil'ge Mauern ein.

Doch anders war's in Gottes Rat beschlossen!
Fern am Gebirge braust die wilde Schlacht;
Da plöglich hallt das Feld von flücht'gen Rossen,
Kosaken stürmen durch die stille Nacht:

„Wir sind zerstreut, vernichtet und zerschlagen!
Dein Sohn war Hetmann im Rebellenheer
Rasch fort, hinaus! denn dort die Wellen tragen
Den blut'gen Leichnam zögernd in das Meer!"

Sie hört's und schwieg. Nur ihre Blicke janken Wie müde Sterne, dämmernd niederwärts; Nur einen Augenblick schien sie zu wanken, Dann wieder stand sie, gleich als wär' sie Erz. Und als sie nun das Aug' emporgeschlagen, Da längst verschwunden ist der Flücht'gen Spur, Nur noch den Hufschlag hört sie donnernd jagen, Und stumm nun wieder, schweigend liegt die Flur.

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Der Tod ist stark, ein Fürst! Wer darf ihn hindern? Denn selbst der Mutter Thräne rührt nicht ihn. Doch wird der Schmerz, der bitterste, sich lindern, Darf er am Grabe der Geliebten knien. Es ruht sich weich an diesen grünen Hügeln, Es weint sich sanft in brünstigem Gebet An diesen Gräbern, die mit Engelsflügeln Wehmüt'gen Trostes süßer Hauch umweht!

Ihr weht er nicht! Längst schon an fremden Lüften Bleicht ihres Erstlings blutiges Gebein,

Und um den andern in des Bergwerks Klüften

Weint leise nur das tropfende Gestein.

Den jüngsten jest, o tragt ihn, liebe Wellen,
Die er so oft mit rüst'gem Arm zerteilt,

Den Fels vorüber, durch des Stromes Schnellen,
Otragt ihn sicher, tragt ihn unverweilt!

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Strömt quellend noch das purpurrote Blut,

Noch spricht der Schmerz aus dem verzerrten Munde, Und jene Hand, sie ballt sich noch vor Wut.

Zerriss'ne Kleider, wirre Locken hängen

Wie müde Ruder lässig um sie her,

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Und dichter stets und unabsehbar drängen
Die Leichen sich und schwimmen fort ins Meer.

Sie aber steht; nie hat bei seinem Nege
Ein armer Fischer diese Gier gefühlt,
Der Taucher nie, der um verlorne Schäße
Des tiefen Meeres öden Grund zerwühlt.
Laut pocht ihr Herz! All' ihre Sinne lauschen,
Ihr Auge starrt, weit aufgerissen, weit.
Nichts unterbricht, als nur der Woge Rauschen,
Die ungeheure, stumme Einsamkeit.

Doch sieh', wer kommt hier dicht herangetragen,
Als sucht' er selbst ein Grab sich an dem Strand?
Ihm ward das Haupt zerschmettert und zerschlagen,
Sein bester Freund hätt' ihn nicht mehr gekannt.
Und doch, in diesen Orden ist's zu lesen,
Einst bei der Zarin lächelt' ihm das Glück,
Es ist ein Feind, ein Russe ist's gewesen,
Und mit dem Fuße stößt sie ihn zurück!

Kein Ende noch! Die Nacht bricht ein:

Schon senkt der Tag sich nieder,

horch auf, da rauscht's vorbei

Und schwirrt und schlägt mit flatterndem Gefieder,
Und freischt und schrillt mit heiserem Geschrei:
Das ist das Volk der Geier und der Raben
Fernher gefolgt dem leckern Festgericht

,, ew'ger Gott, o schont nur meinen Knaben,
Nur in sein Antlig schlagt die Klaue nicht!"

Sie sprang empor: rasch mit erhob'nem Stecken
Schlug sie die Luft mit lautem Jammerton,
Und Rab' und Geier schienen zu erschrecken,
Umkreisten sie und stußten und entfloh'n.
Und wieder nur den Nachtwind hört sie pfeifen,
Die Sterne schau'n großaugig in die Flut,
Und ihren Blick noch immer läßt sie schweifen,
Der heller flammt, als aller Sterne Glut.

Dort plöglich, dort! Ihr Herz hat nicht gelogen,
Dorthin, o schau'! Ihr Auge kennt ihn schon!
Der nächste dort, das Haupt zurückgebogen,
Allmächt'ger Himmel, ja, es ist ihr Sohn!
Die sie so oft geküßt, die Locken schmiegen
Sich wie ein Rissen um den blut'gen Mann,
Rasch rinnt der Strom, und weiche Wellen wiegen
Zu seiner Mutter schmeichelnd ihn heran.

,,Du sollst mir nicht in dieser Flut verderben,
In die des Feindes rohe Hand dich warf:
Nicht alles wird von meinem Sohn mir sterben,
Bleibt mir ein Grab, an dem ich weinen darf.“
Sie rief's und schwang mit rasch gewagtem Schritte
Sich in der Welle trüben Gischt hinein,

Hoch schäumt die Flut um ihres Leibes Mitte,
Und tiefer taucht bis an die Brust sie ein.

Jezt sein Gewand, jekt die erstarrten Hände,
Dicht um den Leib jezt hat sie ihn gefaßt;
Doch steil und mühsam sind des Ufers Wände,
Die Strömung stark, und o, so schwer die Last
Und weiter, weiter, ohne Ruhe drängen
Zahllose Leichen rauschend hinterdrein,

Und treiben sie und stoßen sie und zwängen

Sie immer tiefer in die Flut hinein.

Sie stemmt sich, kämpft sie will den Sohn nicht lassen, Mitten im Strome treibt sie selber schon

-

Fest dennoch, fest! in schmerzlichstem Umfassen,

Die Mutter sterbend mit dem toten Sohn!

Da bricht ihr Fuß, da senkt ihr Haupt sich nieder,
Die Locken trinken in der Flut sich schwer;
Und Brust an Brust, verschränkt die starren Glieder,
Treibt mit dem Sohn die Mutter in das Meer.

Kein Ende noch! Noch immer treiben Leichen,
Nachzügler sind's mit ungewissem Lauf,
Bis daß die Sterne dämmernd jezt erbleichen,
Der Nebel sinkt, der Morgen steigt herauf:
Und was die Flut mit Rosen da bemalte,
Es war kein Blut, geflossen in der Schlacht:
Die Sonne war's, die hoch von oben strahlte,
Ein Bote Gottes, leuchtend durch die Nacht!

Der Räuber und das Crucifix. *)

Auf dem öden Scheidewege,
Hinterm hohen Crucifire,

Stand der Räuber listig lauernd,
In der Hand den blanken Säbel
Und die Büchse scharf geladen.
Denn den Kaufmann wollt' er fangen,
Der mit Geldes reicher Fülle,
Mit Gewändern, edlen Weinen
Von dem Markte heut zurückkehrt.
Schon hinunter sank die Sonne,
Und der Mond tritt durch die Wolken,
Und der Räuber steht erwartend
Hinterm hohen Crucifire.

Horch, da tönt's wie Engelstimmen: Leise Seufzer, laute Bitten Kommen hell wie Abendglocken Durch die stille Luft getragen; Süß mit ungewohnten Tönen Stiehlt Gebet sich in sein Ohr, Und er steht und lauscht begierig.

„O du Schirmvogt der Verlass'nen! O du Hüter der Verlornen! Neig', o neig' dein himmlisch Antlig, Sonnenhelle, selig lächelnd, Nieder auf uns arme Kleine! Breit', o breit' die lieben Arme, Die du ausgespannt am Kreuze, Wie zween Flüglein um den Vater, Daß kein Sturm den Pfad zerwühle, Daß sein gutes Roß nicht strauchle, Nicht der Räuber, stumm und lauernd, In der Waldschlucht ihn entdecke! O du Schirmvogt der Verlass'nen, O du Hüter der Verlornen, Führ' uns heim den guten Vater!"

Und der Räuber hört es alles Hinterm hohen Crucifire.

Drauf der Kleinste, sich bekreuzend, Fromm die zarten Hände faltend:

,,Lieber Christe!" lallt er kindisch,
„Ja, ich weiß, du bist allmächtig,
Sißend auf des Himmels Thronen
Unter Sternen, glänzend goldnen,
Unter Englein, lieblich lust'gen,
Wie die Mutter mir's erzählt hat:
O sei gnädig, lieber Christe!
Gieb den Räubern, den verwegnen,
Brot, gieb ihnen Brot in Fülle,
Daß sie nicht zu plündern brauchen,
Noch zu morden unsern Vater!
Wüßt' ich, wo ein Räuber wäre,
Wollt' ich ihm dies Kettlein geben,
Dieses Kreuz und diesen Gürtel,
Sprechend: Lieber, lieber Räuber,
Nimm hier Kettlein, Kreuz und Gürtel,
Daß du nicht zu plündern brauchest,
Noch zu morden unsern Vater!"

Und der Räuber hört es alles
Hinterm hohen Crucifire.

Und von ferne hört er's nahen:
Rosse schnauben, Räder rollen,
Langsam greift er nach dem Säbel,
Langsam faßt er nach der Büchse,
Und so steht er lange sinnend
Hinterm hohen Crucifire.

Niederknieen noch die Kinder:
O du Schirmvogt der Verlass'nen!
Odu Hüter der Verlornen!
Führ' uns heim den guten Vater!"

Und der Vater kommt gefahren,
Wohlbehalten, ungefährdet,
Schließt die Kinder an den Busen,
Selig Stammeln, süße Küsse
Und kein Räuber ward gesehen!

Nur den blanken Säbel fand man,
Fand die Büchse, scharf geladen,
Hinterm hohen Crucifire:
Beide waren ihm entsunken.

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