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des Worts, intereffirt. Diese Art der Wirkung aber rührt sichtbar nur daher: weil wir in dem Gegenwärtigen schon den Samen der Zukunft, die Gründe der nachfolgenden Veränderungen erblicken; Gründe, die indeß für den lehten Erfolg, welchen wir erwarten, noch nicht entschei dend, nicht zureichend find, und die daher noch immer die Möglichkeit eines andern Erfolges übrig Laffen. Es können sich aus dem Innern der Charaktere selbst glückliche Ideen entwickeln: ane dere Neigungen können darin durch gelegentlichen Reig bis zum Ueberschwunge mächtig werden; oder auch in der umgebenden übrigen Natur, die eine uns verborgene Hand lenkt, können sich unvermuthete Begebenheiten, Umstände von dem wichtigsten Einfluffe hervor thun: die Personen können in ihrem Laufe auf einem nie völlig bekannten Meere plöglich an Ströme, au Untiefen gerathen, die auf einmahl ihre Absichten hemmen und alle ihre Maßregeln verwirren. Da diese Art der Wirkung, - dieses Hineintreiben der Seele in eine ungewisse, nur halb erhellte Zukunft, der pragmatischen Gattung so wesentlich ist, und durch keine andere Art von Wirkung erseht werden kann; so muß der Dichter, um das zu seyn, wofür er sich ausgibt, alles anwenden, was zur Erreichung oder Verstårkung derselben beyträgt. In der Bürgerischen Erzählung fanden wir fie in einem hohen Grade ers reicht; aber auf welchen Wegen? durch was für Mittel? Wie hat der Dichter Charaktere und Sis tuationen angelegt; wie sie durchgeführt, daß wir

ihm bis zu Ende, nicht nur mit so riel Bereit= willigkeit, sondern felbst mit so viel Begierde folgen?

Unter den Personen, die er uns verführt, find nur zwey, deren Intereffe das unserige wird, und um derentwillen wir auch auf die übrigen aufmerksam werden. Wir finden das Schicksal von beyden innigft in einander verwebt; ihre Absichten find daher auch im Grunde die nähmlichen, und die eine Person kann ohne die andere weder glücklich noch unglücklich werden. Wäre ihr Schicksal nicht so relativ, nicht so Eins; so würden wir nur Eine Person fordern, die uns vor Allen ins tereffirte: denn zu einem doppelten, zu einem viels fachen Interesse ist unsere Seelenkraft zu beschränkt; und ein entgegen gefeßtes anzunehmen, wäre unmöglich. Nur geschwächt könnte durch das eine Intereffe das andere, nur so zweydeutig und vers änderlich könnte es werden, daß wir uns bald mehr nach dieser, bald mehr nach jener Seite neigten: und das wäre denn eine Anlage, allem Endzwecke der Kunft zuwider liefe, weil sie dem ganzen Werke seine Lebhaftigkeit nähme. Doch auch dieß scheint nicht hinlänglich zu seyn, daß Glück und Unglück mehrerer Personen innigft_ver= flochten seyn müssen; denn wären dieser mehrern zu viel, so wäre abermahl, wegen der natürlichen Einschränkung unserer Seelenkraft, kein ganz leb haftes Interesse möglich. Die vielen einzelnen We. sen würden in Eine allgemeine Idee zusammen fließen, die immer undichterisch, immer ohne Wår

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me und Kraft ist. Wenn daher, in einem Werke eine größere Zahl von Menschen; wenn ein gans zes Volk erscheint, das zu Einem gemeinsamen, ungetheilten Interesse seine Kräfte vereinigt: To muß doch Einer vor der verwirrten Menge von Menschenköpfen voran stehen, der so viel größer, ausgezeichacter, beleuchteter sey, daß unsere vor zuzliche Aufmerksamkeit sogleich auf ihn falle, und sein Bestes, seine Wirksamkeit uns vor allem Andern beschäftige.

Doch damit ist nur noch die Zahl der ins tereffirenden Charaktere, nicht ihre zum Intereffi= ren nothwendige Beschaffenheit bestimmt. Ein' uns umgängliches Vorauserforderniß, wie zu jeder ans dern Eigenschaft, so auch zum Jnteresse eines Gen dankens, ist seine innere Möglichkeit, seine Wahr, heit; denn ohne diese kann die Seele den Gez danken durchaus nicht faffen, oder vielmehr, er hört auf ein Gedanke zu seyn: er wird nichts. Also auch bey dem Charakter wird keine Eigens schaft cher erfordert werden, als daß er möglich, denkbar, ohne innern Widerspruch sey. → Carl von Eichenhorst, fanden wir, war ein feurig ver liebter, ein tapferer, entschlossener, für die Ehre seiner Geliebten und seine eigene höchst empfindlis cher, ein edelherziger, rechtschaffener, zugleich aber heftiger Jüngling; das waren viele, mannigfalti= ge, aber nicht widersprechende, nicht unvereinbare Züge. Seine Geliebte erseßte an Zärtlichkeit, was ihr an Feuer gebrach; mit ihrer Leidenschaft für den Ritter verband sie das wärmste Gefühl ihrer

Kindespflicht; zugleich war sie für ihren Ruf, für ihre Ehre äußerst besorgt; und bey jeder Gefahr, jeder Gelegenheit, wo zu wagen war, furcht fam. Auch hier hatten wir wieder mannigfaltige, aber mit einander verträgliche Eigenschaften; fo verträglich, daß wir zu der einen die andere schon als wahrscheinlich ahneten, und befremdet würden gewesen seyn, fie anders zu finden.

Wozu aber, könnte man fragen, diese Vięlheit, diese Mannigfaltigkeit in einem Charakter, da doch die innere Möglichkeit desselben seine ers ste, vornehmste Eigenschaft ist, und die Gefahr des Widerspruchs um so mehr abnimmt, je mehr ihn der Dichter vereinfacht? Freylich wäre. dieses Vereinfachen zu dem angegebenen Endzwecke ein sehr sicheres bequemes Mittel, wenn nur nicht auf der andern Seite die dichterische Schönheit verloren ginge, und zugleich ein neuer Widerfpruch, nur von anderer Art, entstände. Ein Mensch, der immer nur Eins ist, immer nur Eine Seite, Eine Eigenschaft zeigt; mit einem Worte: ein personificirtes Abstractum, ist eine in ihrem Innern ärmere, mithin minder lebhafte Idee; auch erseht die Erhöhung des Grades dieser Einen Eigenschaft den Mangel an dichterischer Lebhaftigs keit nicht: denn ein einfacher, wenn auch noch so durchdringender, Ton ist doch immer nicht eine ganze Harmonie von Tönen, und eben sein Durch= dringendes, Schneidendes macht ihn dem Ohre nur um so eher widrig. Ein Mensch, der nichts als liebt oder haßt, nichts als würgt oder wohl

thut, nichts als lacht oder trauert, oder der auch bey der sonstigen Mannigfaltigkeit seines Charak= ters, nur darin keine Mannigfaltigkeit zeigt, daß er das, was er ist, immer gleich sehr ist: so ein Mensch ist, eben um dieser Armuth seines Charafters willen, ein undichterischer, ein zu den besten, wirksamsten Situationen unbrauchbarer Mensch. Denn bey ihm geht der so interessante innere Kampf der Leidenschaften, geht der melodische Wechsel von Lönen und Empfindungen verloren ; auch wird unsere Erwartung, wie ihn dieser und jener Vorfall rühren, was er für Eutschließungen faffen, zu welchen Mitteln er greifen werde, in weit geringerem Grade gespannt, da wir schon Alles aus seinem einseitigen, immer gleichen Cha= rakter so ziemlich voraus sehen. Was aber das Wichtigste ist; so läßt sich so ein Mensch nicht als wirklich denken, und doch soll er thätig seyn, handeln. Wir erblicken eine Figur von nur Eiş ner, von unwandelbarer Miene und Stellung; und doch sollen wir uns bereden, daß diese Fis gur ein belebtes Wesen, daß fie mehr als tod= tes Werk einer Kunst sey, welche schönen, frappanten, aber für die Beachtung zu schnell vorüber fliehenden Augenblicken Dauer gibt, damit sich der Zuschauer mit dem Genuffe derselben sättigen könne.

Indeß geht freylich diese ganze Anmerkung nur auf Werke von weiterem Umfange, von größerer Mannigfaltigkeit der Verhältnisse, worin der Charakter gestellt wird: denn in sehr einfa

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