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Wenn nach sagen, glauben u. a. der acc. c. infin. steht, so können sie in das passiv umgesetzt werden, wodurch sich der ackusat. in einen nominat. verwandelt. Diese konstruktion nennt man nominativ mit dem infin. (Gr. 4, 123). Man sagt z. b. im latein. nicht: dicitur, me hoc fecisse, sondern dafür: hoc fecisse dicor. In: Luna solis lumine collustrari putatur (Cic. div. 2, 43) haben wir einen nominat. mit dem infin; darum muss das verb mit dem nominat. übereinstimmen, d. h. im passiv stehen. Wir gebrauchen in manchen dieser persönlichen konstruktionen scheinen, sollen, z. b: sacerdos idem fecisse existimandus est, soll dasselbe gethan haben.

Eine art nominat. mit infin. (scheinbar partiz.) ist in Grimms R. Fuchs XIII: Lehrhaft ist die fabel allerdings, doch mich dünkt ihr erster beginn nicht lehre gewesen. Deutlicher wird der nominat. mit infin., wenn der infin. präsent ist, wie z. b: uns dünkt es ein großer irrthum der politiker zu sein, die da wähnen etc.

2. Fassen wir die eigenthümlichkeit der deutschen sprache ins auge, so müssen wir vor allem zweierlei unterscheiden: 1) Ist das regierende verbum ein auxiliar oder ein selbständiges, inhaltvolles wort? 2) Gehört der ackusat. zum regierenden verb oder zum infinitiv?

Nehmen wir die alten sprachen zum maßstabe, so müssen wir sagen: die meisten im vorigen abschnitte vorgeführten beispiele enthalten keinen accusat. cum infin; nur die nach sehen und hören kommen ihm nahe. Wir haben nach den auxiliaren und auxiliarisch gebrauchten verben nur einen ackusat. neben dem infin. oder partiz., oder einen infin., ein partiz. mit dem ackusat. Dieß scheint mir für die deutsche sprache die richtige auffassung zu sein. Nur wenn das regierende verb ein vollwort ist (wie im latein. video, audio, credo, censeo, nescio, spero, nuntio und überhaupt alle die ein warnehmen oder ein sagen bezeichnen, ein wollen und zulassen etc.) kann von einem accusat. c. infin. die rede sein, bei auxiliaren dagegen gehört der ackusat. nicht zum infin. sondern zum regierenden verb.

Vernaleken, deutsche syntax. I.

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Beim wirklichen accusat. c. infin. muss der zum abhängigen infin. gehörende ackusat. zum nominat. werden, sobald der satz in zwei sätze aufgelöst wird. Der satz: saht ihr sie eine thräne vergießen? wird aufgelöst in: saht ihr, dass sie eine thräne vergoß? oder: saht ihr sie, wie sie etc. Der fall kann also zweifelhaft sein; weniger der folgende: unablässig sah man das volk dahinströmen. Aufgelöst: unablässig sah man, dass (wie) das volk dahin strömte. In diesem nebensatze ist volk" nominat. geworden. Der satz bei Caes. b. g. IV. 2: Germani vinum ad se omnino importari non sinunt enthält einen accusat. c. infin., der im deutschen ausgedrückt wird, indem ich st. erlauben nicht, dass der wein etc. ein auxiliar in diesem sinne brauche: die G. ließen den wein durchaus nicht einführen (infin. aktiv steht hier passivisch). Der satz: „Ich fand ihn die augen verkehren“ (K. Simpl. 176) ist kein accusat. c. infin., weil das „ihn" nothwendig zu „fand" gehört (ich fand ihn, wie er etc.). Der satz:,,Ich sehe einen schulknaben sein sprüchlein aufsagen" (Less. 7, 21) ist acc. c. infin., wenn es bedeutet: ich sehe, dass ein schulknabe etc., aber nur ein infin. mit ackusat. (oder objekt), wenn es bedeutet: ich sehe einen knaben, welcher etc. So auch: Und wenn ihr mich so viele freude nicht bezeigen seht, so glaubt, es ist nicht mangel guten willens. Sch. Wall. 218. „Ich höre bauern kommen" (K. Simpl. 376) ist kein accusat. c. infin. weil der sinn ist: ich höre bauern kommend (welche kommen); in anderm sinne würde man sagen: ich höre (von jemand), dass (morgen) bauern kommen.

Gr. 4, 114 sagt:,,Sicheres kennzeichen der konstruktion des accusat. c. infin. ist, dass sie nie die präp. zu verträgt.“ Also:,,ich glaube ihn gesehn zu haben" ist kein accusat. c. infin., obgleich es Trist. 9386 einfacher infin. ist: „Ich wæne in recht ersehen hân", denn in hängt von ,,ersehen" ab. Gleichwohl schiebt sich das zu in sätzen ein, die dem alten accusat. c. infin. sehr nahe stehn, z. b: Die jungfrau meint nun, etwas an der sach zu sein (es sei etwas an der sache). Pont. 18. Bei dem betonten reflexiv: Sie fühlte sich

so etwas von einer virtuosin zu sein. Less. 7, 57. Ich dünke mich über den gebrauch, den die alten artisten von dem Homer machten, verständlichere dinge gesagt zu haben, als irgend ein schriftsteller. Less. 8, 9.

Nach dünken stand früher der reine infin: Aber dunkest du dich darumb nit glückselig sein, das etc. Boethius 1500; im latein. text: Quod si iccirco te fortunatum esse non existimas, quoniam etc.

Im mhd. tritt der accusat. c. infin. seltener auf als im ahd. (Gr. 4, 116 fg. 946.) Nach wähnen hat Gr. keinen echten accusat. c. infin. mitgetheilt; ich finde Egge CCXI, 5: Er wænt dich mînen bruder Eggen sin; in Wernh. Mar. 5, 151: Sie wânten in nider vallen.

Nach hören und sehen, die zugleich vollwörter sind, hat der infin. nie zu angenommen, darum haftet hier eine dem alten accusat. c. infin. verwandte konstruktion am längsten: Darum wo du hörest das evangelium recht geleret werden oder sihest einen menschen getauft werden. Luth. VII. 69. Den rechten glauben, den wir sehen in aller schrift gefordert werden. L. Ps. s. 46. Wir haben den eindruck etc. zu grunde gehen sehn. Varnh. 5, 347. Ich habe ihn manche predigt dagegen halten hören. Schl. Sh. 6, 341. Reflex. infin: Ich sah sich feinde versöhnen, um die stadt vom übel zu retten (sah dass sich feinde versöhnten). G. 40, 294. Ich sah ihren traurigen blick sich niemals erheitern. G. 24, 145. Auch im nebensatze: Der sommer, welcher die heere (ackusat.) der verbündeten sich trennen sah. Varnh. 5, 38 (welcher sah, dass die heere [nominat.] der verbündeten sich trennten). Wie im latein. manchmal die pronominalen ackusat. (me, se etc.) beim infin. fehlen, so setzt auch Steinhöwel 402: Er betrachtet in ihm selber, besser sein, einem mann sein gut zu behalten geben (er erwog bei sich, es sei besser, wenn er etc.).

Der im nhd. allmählich abgekommene accusat. c. infin. wird häufig ersetzt durch den ackusat. mit dem partiz. Bei diesem partiz. (oder adjektiv) könnte man sich sein

oder werden weggefallen denken (vgl. partiz. nach glauben etc. s. 109). Der ackusat. gehört aber in den meisten fällen zum regierenden verb, z. b: Überall finden wir die poesie vom silbenmaß begleitet. A. W. Schl. Hor. 1. XI. 81. Weil er sich zu glücksumständen gelangt sah. Varnh. 5, 359. Ich möchte die absichten gar nicht vorhanden (zu sein) glauben. Das. 329. Es gibt jedoch auch konstruktionen, in denen der ackusat. mit partiz. den accusat. cum infin. ersetzt: So wünschte er theologie gelehrt, die kirchengeschichte geschrieben zu sehen. Ranke, 1, 64. Dieß entspricht ganz dem accusat. c. infin. nach volo, cupio etc. Mehr solcher beispiele beim präpos. infin. Grimm (Gr. 4, 114. 119) beschränkt die deutschen ackusat. mit infin. auf die reinen infinitive. Da aber in der deutschen sprache dieser infin. häufig zu angenommen hat, so scheinen selbst diese konstruktionen oft einen wirklichen ackusat. mit infin. zu vertreten.

Im übrigen geht die neuere sprache überall in die breite und die bündigen konstruktionen machen partikeln u. a. hilfswörtern platz, oder es wird der einfache satz aufgelöst in zwei sätze, mit oder ohne bindewort.

XIII. Präpositionaler infinitiv.

Der infin. hat das zu angenommen in ähnlicher weise wie das substantiv den artikel. Anfangs verstärkte die präposition den infin., jetzt ist diese verstärkung nicht mehr fühlbar, so wenig wie die demonstrativ-verstärkung des mit dem artikel verbundenen substantivs.

Die präp. zu, niederdeutsch to, te, latein. ad, französ. a (neben de) bezeichnet annäherung, streben, neigung und ähnliches. Setzen wir um zu (mhd. durch, Gr. 4, 112; französ. pour, engl. for to), so deutet das einen zweck, eine absicht an, und der satz erscheint als gekürzter nebensatz; ebenso bei dem neuern ohne zu.

Der infinitiv mit zu hat den reinen infinitiv allmählich verdrängt; es liegt in ihm ein stärkerer ausdruck

von absicht, entschluss oder nöthigung. Viele reine infin. sind zu präpositionalen geworden, z. b. mhd: begunde frâgen, nhd: begann zu fragen.

Eigenschaft der präpos. ist es, dass sie einen kasus regieren. Im griech. und latein. (wie im goth.) ist nun aber der infin. undeklinierbar; deshalb waren verbale mittelformen erforderlich, als das gerundium, supinum oder partiz. Der Römer hatte ein partiz. fut. passiv zur bezeichnung dessen, was gethan werden muss oder soll: legendus, a, um = der, die, das gelesen werden soll. Aus dem neutrum legendum gieng das gerundium hervor, welches flektiert wird: legendi, legendo. Der genit. z. b: ars scribendi, die kunst des schreibens, die kunst zu schreiben; cupidus regnandi, begierig zu herrschen. Der dativ z. b: aqua utilis est bibendo, zum trinken; statt des bibendo sagt man auch, um eine bestimmung oder absicht zu bezeichnen: ad bibendum. Diese bedeutung des zu ist in ausdrücken wie: Einem manne sein gut zu behalten (zum bewaren) geben (Steinh. 402) deutlich fühlbar.

Im ahd., mhd. und altsächs. erscheint nun auch eine solche kasusform, z. b. der von zu regierte dativ, ahd: Zi minnônne ad amandum (Gr. 4, 105). Der genitiv des alten infin. endigte ahd. auf ônnes, annes, mhd. ennes, enes, zuletzt ens (des reitens); der dativ ahd. ônne, anne, mhd. enne, ene, zuletzt en (zum reiten). Für enne kommt schon im mhd. auch ende auf; wir finden lebenne und nâch disem lebende. Myst. I. 265, 29; begerten zuo sehende. Wack. L. 862, 35.

Mhd. beispiele des präpos. infin. sind: Daz diu kint sô lîhte ze gewenene sint (zu gewöhnen sind). Wack. L. 330, 4; daz dû gerst ze lebene einen tac. Das. 352, 29; si hebet an ze würkende. Myst. II. 124, 4; beginnet ûf ze rihten. Das. 127, 24. Seit dem 14. jahrh. ist die infinitivendung -en allgemein geworden.

So viel über die form. Anwendung findet der präpos. infin. nach verben, substantiven und adjektiven. Der gebrauch bei verben soll uns zunächst beschäftigen.

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