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Außerdem bedient sich die sprache zu diesem zwecke gewisser vollwörter, z. b. ich gedenke es im verlauf der fernern abhandlung zu rechtfertigen. Gr. R. F. XVI.

VII. Partiz. prät. mit haben und sein.

(Tempora perfecta.)

Die deutsche sprache hat nur zwei einfache zeitformen: präsens und imperfekt. Alle übrigen werden durch umschreibungen gebildet, und zwar die drei zeiten der vollendeten handlung (perfekt, plusquamperfekt und futur exakt) durch haben oder sein mit dem partiz. praeteriti (dem partiz. der vollendung).

Während werden mit dem infin. zur bezeichnung des futurs nur der deutschen sprache eigen ist, finden wir haben mit dem partiz. prät. zur bezeichnung des perfekts auch in andern sprachen.

Dieses haben zeigt sich schon im 9. jahrh. (Gr. 4, 150), und zu gleicher zeit sein in verbindung mit dem partiz. prät. Früher schon ward haben in den romanischen sprachen gebraucht, und dieses ist zurückzuführen auf das römische habere, ein hauptsächlich transitives verb, in der bedeutung von haben, halten, besitzen. Es zeigt aber auch das eingetretensein einer handlung an. Ausdrucksvoller als dicere war: aliquid dictum habere (etwas gesagt haben); institutum habere heißt: eingerichtet haben (jetzt damit fertig sein. Vgl. Gr. 4, 154 und Fr. Diez Gramm. der roman. Spr. 3, 259, 2, 98). Habeo in einer verbindung wie: seculi ad fidem meam, quam habent spectatam iam et diu cognitam, confugiunt (Cic. Caecil. 4) verlor allmählich seine konkrete transitive bedeutung, und ward in den romanischen sprachen hilfsverb. Der abhängige kasus wird in den romanischen wie in den germanischen sprachen nicht mehr gefühlt. Geht aber im franz. das objekt voraus, so richtet sich das partiz. nach ihm in geschlecht und zahl: quels ouvrages avez-vous composés? Voilà des fleurs que mon jardinier a cultivées.

Sonst aber: il a cultivé les fleurs. Im deutschen ist die flexion des mit haben verbundenen partiz. prät. überall erloschen (Gr. 4, 69).

Die umschreibung mit esse lag in den romanischen sprachen näher, weil sie sich mit der passivumschreibung berührt (mortuus est il est mort). Im deutschen berührt sich hier das präs. perfectum mit dem präs. imperf. (das vollendete mit dem nichtvollendeten): er ist gestorben - ist tot. Im nhd. kann worden den transitiven im passiv zugesetzt werden (er ist gefunden worden), nicht aber den intransitiven im aktiv (er ist gekommen).

Wir halten uns hier einstweilen an die form; über den syntaktischen gebrauch werden wir später handeln.

Der kürze wegen wird das hilfsverb haben zuweilen ausgelassen: Ehegestern bin ich erst wieder gekommen, und obgleich ich kein briefchen vorgefunden, so schreibe ich Ihnen doch. Less. 12, 528. Bei Lessing und Göthe finden wir dieß am häufigsten, aber auch bei andern schriftstellern wird das dem part. unmittelbar folgende habe oder bin manchmal unterdrückt: der ring, den du mir gegeben; sobald ihr ihm willfährig geworden. Der mangel an deutlichkeit, der dadurch herbeigeführt wird, macht solche auslassungen bedenklich (Gr. 4, 174). Göthe erlaubt sich die auslassung des haben gern bei den verben zweiter anomalie (können, mögen, dürfen, müßen, sollen, wollen), die im perf. nur haben zu sich nehmen. Diese verba besitzen ein doppeltes partiz. prät.: gekonnt, gesollt etc. neben können, sollen. Wir finden bei Göthe: Dass Lotte diesem glänzenden theil der geselligen unterhaltung nur unterbrochen. (hatte) beiwohnen können, weil sie etc. G. 17, 269. Nachdem ich sodann in Darmstadt Merken seinen triumph (hatte) gönnen müssen. 48, 158. So auch bei lassen (17, 201; 34, 146). Dagegen wenn kein infin: dabei steht: Er putzte das behäng am säbel, mehr als wenn er zur ordonnanz gemust hätte. B. Auerb. 21.

Was die infinitivisch aussehende form des partiz. prät. betrifft, so ist folgendes zu bemerken:

Die verba können, mögen, gönnen, dürfen, müßen, sollen, wissen, wollen sind praeterito-praesentia. Das präsens, außer gebrauch gekommen (Gr. Gesch. 2, 893. 905), ward durch das starke prät. ersetzt. Dieses (kann, weiß etc.) nahm die bedeutung des präs. an, und es bildete sich ein neues, schwaches prät. (konnte, wuste etc.). So erklärt es sich, dass diese verba auch ein doppeltes partiz. prät. haben: ein starkes und ein schwaches (Gr. 4, 167 fg.), also: mögen und gemocht, können und gekonnt, wollen und gewollt u. s. w. Im mld. finden wir gegunnen und gegunnet (Lachm. zu Nib. 2241, 4), getürren oder bloß türren und gedorft (infin. turren), gewizzen und gewist (infin. wizzen). Die starke partizipialform (auf -en), die das „ge-" abgeworfen hat, ist nicht mit dem infin. zu verwechseln, dem sie nhd. gleicht. Der wegfall des ge- vor dem partiz. ist nichts ungewöhnliches, wie wir gleich sehen werden.

Im nhd. werden sechs verba: können, mögen, dürfen, müßen, sollen und wollen (mitunter auch wissen) beim infin. gebraucht statt: gekonnt, gemocht, gedurft, gemust, gesollt und gewollt, z. b: So viel du mich ergründen können (st. gekonnt habest). Less. Nath. 45. Was ich den armen nicht verkaufen wollen (st. gewollt habe). Mös. Phant. 2, 56.

Auch heißen, lassen und sehen werfen das ge- ab: ich habe ihn kommen heißen, rufen lassen, ich hab es entstehen sehen (Briefw. 3, 170) statt: geheißen etc. Dieß wurde sogar auf helfen, hören, und mitunter auch auf lehren und lernen ausgedehnt: wir haben ihm schreiben helfen (st. geholfen), wir haben ihn rufen hören (st. gehört); seitdem hab' ich vom reich ganz anders denken lernen (st. gelernt). Sch. Wall. Picc. 143 (2, 7). Es versteht sich, dass diese starke partizipialform nie ohne einen infin. steht. Ohne infin. sagt man: er hat es nicht gekonnt, gemocht etc.

Dem präfix ge- vor dem partiz. prät. widmen wir noch eine kleine erörterung. Diese untrennbare partikel hat passivischen und perfektischen sinn. Eine menge verben. hatten ge- in der ganzen konjugation (Gr. 2, 843 ff.),

manche haben es jetzt noch (ge-fällt, ge-fiel etc.). Aber schon früh zeigt sich die verbindung ge- mit dem partiz. prät. allein; das e war ohne zweifel ein stummes. Daneben treffen wir einzelne partiz. ohne ge- (z. b. komen, funden, brâht, lâzen, troffen, koufet etc. Vgl. mhd. Wörterb. 490). Manche haften noch im 16. jahrh. z. b. bei Luther: Mein stund ist noch nit kommen. L. Ev. 1; ist reich worden. Das.; es sind ihm entgegen laufen. Das. 4; er ist wiederumb gangen. Das. Die zeit zu reden ist kommen. L. Ad. Ich hab zusammen tragen. Das. Ist unachtsam worden. Das. Sie haben auf sich selb bawet. Das. Wer hat es ihm geben? Das. Bei H. Sachs: hab gessen die speis 1, 11. Bei Eybe 3: Was hastu mir vom markt bracht und kauft? So die fraw auß dem hauß gangen ist, so hat sy unrecht ge ton und wird gestraft. Eybe 5. Es ist ungerochen blieben. Aventin. 120. Im nhd. nur noch worden (er ist befördert worden). Außerdem legen die oben erwähnten sollen, wollen etc. das ge- ab, sobald sie mit dem infin. in verbindung stehn.

Die partikel ge- konnte unmöglich regellos gesetzt oder ausgelassen werden, und wir haben hier vor allem die feiner fühlende mundart zu rathe zu ziehen. Unsere schriftsprache muß abgestumpft genannt werden gegenüber der mundart, die den anlaut entscheiden lässt, ob ge- weggelassen oder gesetzt werden soll.

Im österreichischen dialekte, der meist auch mit dem baierischen stimmt, im alemannischen und wahrscheinlich in allen oberdeutschen dialekten fällt ge- ganz weg vor den stummen konsonanten b und p, d und t, g und k (also auch vor q); von den aspiraten duldet nur z kein ge- vor sich.

Beispiele. b: österr: hat bunden; zürch: hät bunde; hat bracht (auch bei Eybe 3); vorarlberg: brôcht; im mhd. nie anders als brâht. Vgl. das oberdeutsche bürtig, biet st. gebürtig, gebiet. p: hat passt, hat plaudert; zürich es hät mi plaget. d: hat dankt. t: hat trunken, hat tanzt; vorarlb. hot triba (hat getrieben). Vergl. traid oder trad st.

getraide. g: hat gossen, hat glaubt, ist gangen. k: hat kauft, hat klagt. q: hat quält. z: hat zankt.

Vor allen andern lauten steht g' (das e fällt aus) und zwar vor den flüssigen 1, m, n, r, sowie vor den spiranten j, h, s (st, sp), w und vor den aspiraten f, sch.

Beispiele. 1: hat g'lernt; m: hat g'macht; n: hat g'nommen, zürich: hät g'na; r: hat g'rathen, vorarlb. hot g'runna; j: hat g'jagt; h: hat g'holfen, zürich: g'hulfe; s: hat g'spilt, g'strichen, alem: ist g'si, hät g'seha oder g'seh; ist g'storbe (g'starba), g'sprunge. w: hat g'wälzt, g'wunnen, abg'worfe (vorarlb. abg'warfa); f: ist g'fallen; sch: g'schwommen, zürich: usg'schütt, vorarlb. ist g'schlipft.

hat

Ebenso fällt das e aus vor den vokalen. Beispiele: g'arbeit't, g'acht't, g'ehrt, g'essen, zürch: hät gässe (auch H. Sachs 1, 11: gessen).

Bei dieser übereinstimmung der oberdeutschen mundarten sind die dichter wenigstens durchaus in ihrem rechte, wenn sie sagen: Der frühling ist kommen, er ist alt worden, sie sind gangen, er hat's geben etc. Die schroffe scheidewand zwischen den lebensfrischen mundarten und der schriftsprache hat auch ihre nachtheile.

Schließlich sei noch daran erinnert, dass ge- wegfällt in den mit partikeln zusammengesetzten verben: er hat erlangt, verbraucht, misdeutet; er hat hinter-bracht, durchbohrt, umgangen etc. (hat die stadt umgangen, aber: er ist um die stadt gegangen (gangen). Die kirche hat ganze länder aufgefressen und doch noch nie sich übergessen. Göthe's Faust 12, 145.

Nach diesen allgemeinen erörterungen haben wir den gebrauch der beiden hilfsverben haben und sein vorzuführen. Zu dem zwecke ordnen wir eine anzahl verba alfabetisch, und zwar nur solche, bei denen schwankungen sich zeigen. Dabei haben wir gelegenheit, nicht bloß auf die perfektbildung, sondern auch auf andere formen des verbums rücksicht zu nehmen. In den wörterbüchern, selbst in dem von Weigand, ist dieß viel zu wenig beachtet.

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