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Die Pflanzen und Thiere nähern sich auf der untersten Stufe ihrer Organismen gegenseitig so sehr, daß es zuweilen schwierig wenn nicht unmöglich wird, ihre Gränze genau zu bestimmen. So sind, um nur ein anschauliches Beispiel hierüber anzuführen, im Thierreiche die Polypen dadurch, daß sie wie die Pflanzen am Boden festsißen, als Uebergänge in das Pflanzenreich zu betrachten. An den Armpolypen (Hydra) sehen wir wegen der ansehnlichen Größe dieser Thierchen die Lebensverrichtungen am vollständigsten. Ihr Körper besteht aus einer geförnten Substanz, welche einer großen Dehnbarkeit fähig ist. Auf der einen Seite endigt der Körper in einen kolbenartigen Fuß, der sich nach Willkühr der Thiere festseßt. Auf der entgegenstehenden befindet sich eine Deffnung, welche in den bis zum Fuße hohlen Körper führt, verschlossen werden kann und mit einer Anzahl Wimpern umgeben ist. Die Gestalt des Körpers verändert sich nach Umständen, bald in eine kuglige, bald in eine cylin drische Form. Sie bewegen sich besonders kriechend, indem sie mit den Wimpern Gegenstände im Wasser fassen. Sie ernähren sich durch kleine Wasserthierchen, welche sie überwältigen, mit den Wimpern ergreifen und durch diese in die Magenöffnung führen, die sich um das Verschlungene schließt. Jedes Körnchen des Körpers scheint fähig zu sein, ein junges Thier zu bilden, welches knospenartig zwischen Fuß und Wimpern an beliebigen Stellen hervorwächst und so lange an dem Mutterthiere sizen bleibt, bis es sich selbst ernähren kann. Nach künstlicher Theilung des Thieres wird jeder Theil wieder ein ganzes Thier. Die grüne Hydra mit 6 ziem lich starken Wimpern findet man in klaren Quellen, besonders an den Blättern des Wasserfenchels.

Es zeigen aber auch im Pflanzenreiche manche Individuen in ihrer äußern Form und in ihrer chemischen Zus sammensetzung eine auffallende Aehnlichkeit und Verwandtschaft mit den Meerschwämmen, Korallengewächsen und anderen sogenannten Thierpflanzen. Unter den Pilzen findet man mehrere Keulenpilze, welche ganz den ästigen Bau der Korallengewächse zeigen und daher corallenartige Keulenpilze genannt worden sind. Aber eigentliche Umwandlungen der Pflanzen in Thiere und der Thiere in Pflanzen finden in der Natur nicht statt.

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Das Resultat der vorstehenden Betrachtungen ist nun im Kurzen

1. Im Mineralreiche oder in der unorganischen Natur wird kein Leben gefunden.

2. Jedes Leben erfordert einen Organismus, oder wo ein Organismus sich zeiget, findet man Leben.

3. Das Leben beginnt in der Pflanzenwelt, die beiden Factoren der Ausbildung und Ernährung ihrer Individuen sind die Luft und der Erdboden.

4. In der Thierwelt sehen wir die Lebensthätigkeit in ihrer größten Kraftäußerung.

41. Ostindien

ist eins der tropischen Länder, wo die Sonnenglut dem Boden eine üppigere Pflanzenwelt entlockt, wo gleichsam alles Leben der Natur rascheren Schrittes geht und die Pulse schneller schlagen. Von den eisigen Zacken des Himalaya bis an die Mündung des Ganges findet sich ein reicher Uebergang verschiedener Klimate. Dort oben wohnt neben dem Winter der Polarkreise der heitere Frühling und warme Sommer der südlichen gemäßigten Zone, die vorliegenden Gebirgslande haben den milderen Winter und heißeren Sommer; die tiefern Thalgründe in Nepal, wo sonst der Winter der Schweiz mit dem Sommer Nepals wechselt, und das obere Hindustan im Duab und um den Mittellauf der großen Ströme haben oft glühende Hiße. Vom Mai bis Julius hangen schwere Wetterwolken an den Alpengebirgen und furchtbare Gewitter gieBen Ströme von Regen und aufgelöstem Schnee herab und machen das Niederland zum See, worauf dann aber auch die Pflanzenwelt in fast erschreckender Schnelle sich regt und riesenhaft aufwächst, bis das ganze Land in einer Frische und Farbenpracht leuchtet, wie sie die bescheidenen Abendländer der gemäßigten Erdstriche nicht kennen. Drunten aber in den Niederungen fängt auch bald die Hize an, verdoppelt durch die feuchten Dünste der Waldregion am Meeresufer, sich fühlbar zu machen. Sie steigt zum hohen Sommer, in welchem der Boden braun und roth wird, ja, nicht selten die Erde von Eisen, der Himmel glühend Erz ist, wie der Hindu sagt. Kein Wunder, wenn hier die Stärke der Natur in ihren Erscheinungen, die Pracht der Pflanzenwelt und das rege Leben der Thierwelt einen Grad erreicht, der tief in das Leben der Menschen hineinwirkt. Dieß geschieht vor allem

in der Religion. Von uralten Zeiten her wohnten auf diesem Boden Heiden, deren früheste Religion, lange vor der Einwanderung der jeßigen Brahmanen-Lehre, ganz und gar ihre Abhängigkeit von der Macht der Natur beurkundete. Im gebirgigen Norden war es die Macht des Feuers und der Erde, im tiefen Süden die des Wassers und der heißen Luft, was den Göttergestalten ihre Bedeutung gab. Als die Brahma-Religion kam, blieben die alten Gewalten stehen und die neue trat hinzu. Aus hochasten herab zog mit dem weißen Brahmanenvolke der noch der Wahrheit näher stehende Sonnendienst des Brahma. Schiwa und Wischnu wurden dem Brahma unterthan. In manchen Gegenden waren jene beiden Naturmächte zusammen verehrt worden und die Religion hatte sich allmälig zu einem System ausgebildet, in welchem eine Reihe aus dem ewigen Nichts hervortretender Kräfte in Personen, ihre Wirkungen in Göttergeschichten dargestellt wurden; buddhistische Menschwerdungen waren verschmolzen mit den gewöhnlichen aus dem urälteften Heidenthum hergeerbten Anbetungen des Himmels, der Erde, der Elemente u. s. w. Von dieser alten Religion zeugen die in der Brahmalehre verwachsenen Ueberreste und die Gößendienste einzelner Secten und Stämme, bei welchen die Brahmanen nie völlig durchdringen konnten. Daher kömmt es noch heute, daß man in der einen Provinz die Todten, ja selbst Kranke, wie die Aussäßigen, in den Strom versenkt, während man in der andern sie vom Feuer verzehren läßt und wieder in andern (vorzugsweise jedoch nur bei den Muhamedanern) sie beerdigt, daher die Menge verschiedener Schattirungen, welche das Ganze der indischen Volksreligion zu einem so schwer zu überblickenden Gewebe machen.

In den sogenannten vier Weda's sind die Lehren und Gebote der Brahma-Religion enthalten mit den Betrachtun gen (Upanischada), und über sie handeln die gefeßlichen Erläuterungen, die sogenannten Schastra's. Auch das alte Gesetzbuch des Manu gehört dieser Religion an. Sie lehren beide den Einen, unsichtbaren, unräumlichen, unvergleichlich erhabenen Gott, allwissend, allgegenwärtig in der Welt, aber ewig vor ihr. Die Welt außer ihm ist die Maya, die Täuschungswelt der Aeußerlichkeit, das Nichtige, Vergängliche und Bezaubernde. Hier tritt das Heidenthum bei aller Lehre von Einem Gott deutlich hervor. Keine Schöpfung, sondern

ein Urstoff (Wischnu und Schiwa, Wasser und Feuer), in welchem sich Brahma spiegelt und dadurch die Welt gestaltet, eine Zaubermacht der Natur, der man sich nicht entziehen kann. Aus Brahma treten die Geister hervor, deren Abfall oder Empörung sie auf die Erde herabwarf, wo sie als Menschen geläutert werden. Das irdische Dasein ist Strafe, der Tod des Frommen die Vereinigung mit Gott; ein völliges Aufgehen in ihm, die Vernichtung, ist Seligkeit. Eingekehrte Betrachtungen, Büßungen, Götterverehrung und Mildthätigkeit gegen Priester, Pagoden und Arme sind Mittel der Rücks kehr. Weil aber jedes von Brahma entferntere Glied der Geisterwelt immer schlechter ist als seine Vorgänger, weil die Weltalter (deren viertes jet im Ablaufen ist) immer vom Bessern zum Schlechtern herabsinken, so mußte die Gottheit selbst Rath schaffen, damit nicht in endlosem Verderben die Welt untergehe. Denn der Mensch finkt zum Thier, zum reißenden Tiger, zum Alligator, ja zum Insect hinab, er lebt nur noch in der Pflanze ein schmerzliches Leben. Es ist ein trüber, melancholischer Gedanke, der den Hindu beherrscht, welcher freilich an der Pflanze und dem Thiere mehr eine dem Willen ähnliche Lebensfülle wahrnimmt, aber der selbst mehr hindämmert, pflanzenartig lebt und nach thierischen Gelüsten sich bewegt, als der Abendländer; ein trüber, melancholischer Gedanke, daß Alles um ihn her nur ein großer Kerker sei voll gefangener, geplagter Menschenseelen. Daher die Scheu, irgend ein Thier zu tödten, die Pflicht, Scharen lästiger Thiere zu ernähren, die Gewohnheit, selbst dem Tiger lieber seine Kinder preiszugeben, als ihn niederzuschießen. Die Hülfe, welche die Gottheit diesem endlosen Jammer brachte, war ihre eigene Menschwerdung. Schon zum neunten Male ist Wischnu im Fleische erschienen, zuleßt als Krischna, und wird nochmals am Ende der Welt erscheinen. Auch den Buddha hat die eingewanderte Religion unter ihre Menschwerdungen aufgenommen. Die Menschenopfer der alten Schiwa-Religion mußten allmälig der Milde des neuen Cultus weichen, dagegen die Verbrennung der Widwen konnte sie nicht unterdrücken, wenigstens erschien sie bald wieder und erhielt sich bis in die neueste Zeit.

Die vier Kasten, d. h. die der Brahmanen oder Priester, der Kschetriya's oder Krieger, die der Waisya'g oder Kaufleute und die der Sudra's oder Gewerbsleute

sind jezt in zahllose Unterabtheilungen verästelt, gerade wie die Götter sich vertausendfacht haben. Die anfangs so einfachen Verhältnisse derselben, die in ihrer Abscheidung von einander wahre Schuhmauern der tüchtigen Bildung für jeden Kreis des Lebens waren, haben jeßt einer quälenden Mannichfaltigkeit von Unterschieden Play gemacht. Lausende von Kastenabtheilungen ziehen starre Gränzmauern zwischen den Familien und Personen, ja die Hindu's sind gerade durch das unselige Kastenwesen zum Stillstande auf ihrer niedrigen Bildungsstufe verurtheilt und nur Einbrüche in diese Bollwerke können sie davon und von dem daraus fließenden Elende erlösen. Wer kennt nicht die armen Pareia's, die wie wilde Thiere in die Wildniß gestoßen sind, deren Anblick schon den Brahminen befleckt, deren Athem Pesthauch für den Hindu ist? Wer hat nicht schon von den Auswürflingen gehört, welche aus den gemischten Ehen verschiedener Kasten entsprungen und die nach und nach in manchen Gegenden die zahlreichste Bevölkerung bilden? Wer weiß nicht davon, daß die große Zahl der Brahmanen sie zu einer unerträglichen Last des Volkes macht, zu einer sittenverderbenden Pest, zu einem der größten Hindernisse aller wahren Verbesserungen? Oder kennt man etwa in Europa nicht die Kindermorde, die Scheiterhaufen der armen Widwen und das unselige Loos derer, die jest durch europäisches Eingreifen dem Martertode des Feuers entrinnen? Weiß man nichts von dem Müssiggang, der Ueppigkeit und Erpressung, von der Raub- und Mordlust der Radschputen und Maratten? von der verbreiteten Unzucht, von der Vielweiberei? Sieht man den Hindu in seinem täglichen Leben, so könnte man in der That leicht versucht werden, mit einem berühmten Missionair der römischen Kirche an seiner Zugänglichkeit für die christlichen Ideen und evangelischen Gebote zu verzweifeln. Denn der oft wiederholte Spruch: es ist besser sizen als gehen, besser schlafen ,,als wachen, das Beßte aber der Tod" spricht nicht nur eine Gleichgültigkeit gegen alle geistige Bestrebungen aus, die den Abendländer schaudern macht, sondern wird auch von dem stets faulenzenden, durch keine Theilnahme an fremder Noth, durch kein Bedürfniß des Geistes aufgestörten Hindu recht als Lebensregel behandelt. Seine leiblichen Bedürfnisse nöthigen ihm wenig Thätigkeit ab; eine Handvoll Reiß, ein schmußiges Kleid, eine elende Hütte, einige Zierrathen für

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