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die eingestürzten Wohnungen ein Grab geworden, wo sie unter Balken und Mauerwerk verschüttet lagen.

Den Tumult, das Gedränge, das laute Geschrei und Wehklagen, was die Tempel erfüllte, die das Erdbeben noch verschont hatte, den raschen Uebergang von der stillen Andacht zu dem Todesschrecken kann ich euch nicht beschreiben.

Der erste Erdstoß warf das Haus der Inquisition um, in dem viele Unschuldige gerichtet wurden, als ob Gott diese Stätte grausamer Ungerechtigkeit vertilgen wollte. Der Königliche Pallast mit allen seinen Kostbarkeiten war verschwunden. Mit Einem Schlage wurden alle Bewohner in dem prächtigen Jesuitercollegio getödtet, als das Gebäude einstürzte.

Tausende hatten, sich auf den öffentlichen Pläßen versammelt und hofften da Rettung zu finden, aber sie fanden sie nicht. Ein Hagel von Ziegeln, Balken und großen Werkstücken fiel auf fle nieder, zerschlug und zerquetschte sie. Kinder, Greise und Kranke wurden in ihren Wohnungen verschüttet; man konnte den Schutt nicht wegräumen, um zu ihnen zu kommen. Hinterher fand man sie oft unversehrt, an der Qual des Hungertodes verschmachtet. Noch Andere eilten dem Tajo zu, um auf Kähnen und Fahrzeugen ihr Leben zu retten, aber auch diese lezte Hoffnung ging ibuen verloren. Der Strom war, durch ein unbegreifliches Wunder, zu einer Höhe von vierzig Fuß gestiegen. Die noch verschouten Häuser und die Ruinen wurden überschwemmt. Wie Viele kamen in den Wegen um! Ein Damm, auf dem hundert Menschen standen, versank mit ihnen. Eben so plöblich, als die Flut entstand, verschwand sie wieder. Die Schiffe standen, auf schlammigem Boden. Böte wurden verschlungen, Felsen, die man sonst nie sah, ragten in die Höhe. Die See thürmte sich auf, Wellen spritzten weißen Schaum in die Luft. Es schien, als ob der Boden, auf dem die Stadt stand, verschlungen werden sollte. Jest zeigte sich ein neuer Feind mit gräßlicher Zerstörungswuth. Es entstand ein Orkan, der finstere Staubwolken in die Luft trieb und das Licht des Tages verdunkelte. Sollte das jüngste Gericht angehen? so fragten. Viele mit leichenblassem Gesichte, die dem Tod eutronnen waren sie zitterten.

Ein zweiter Erdstoß folgte, der mehrere Minuten anhielt. Häuser wankten wie die schlanken Bäume im Sturmwind, mehrere fielen zusammen. Ein dritter Stoß war so erschütternd, daß man sich nicht auf den Beinen halten konnte, man mußte sich

niederwerfen oder knien. Hier, wie an die Erde gebunden, mußte man es abwarten, was die kommende Minute über Leben und Lød, über gesunde oder zerschlägene Glieder entscheiden werde.

Der Sturm war der Vorbote einer Feuersbrunst, die er anwehete und schnell weiter verbreitete. Ehe die Nacht anbrach standen die Trümmer der zerstörten Stadt in Flammen, um den übrig gebliebenen Rest in Asche zu verwandeln. Wer konnte löschen? wer wollte retten, was noch zu retten war? Niemand. Das Leben stand im höchsten Preise, für Irdisches wagte man es nicht. Acht Tage wüthete die Alles verzehrende Flamme, und statt der thurmreichen, mächtigen Stadt sah man Aschenhaufen, schwarz angelaufene, russige Steinmassen.

Tausende seufzten nach Brod, um den quälenden Hunger zu stillen. Zahllose Thränen flossen um die vermißten Eltern, die entrissenen Kinder, Wohlthäter und Freunde. Ein anhal tender Regen und Kälte vergrößerten das Ungemach aller derer, die ohne Obdach unter freiem Himmel seufzten. Viele, die mit dem Leben davon gekommen waren, starben bald nachher an den Folgen des Hungers, der Erkältung, des Schrecks und der Angst. An 40000 Menschen waren bei dem Erdbeben umgekommen.

44. Ausbruch des Besuvs 1805.

Das erhabenste Schauspiel, womit die Natur das Gemüth ergreift und erschüttert, habe ich in seiner ganzen Fülle génossen. Angethan mit allen seinen Schrecken, mit seiner ganzen Herr lichkeit feiert der Vesuv das furchtbar erhabene Fest seiner Flammenergießung. Lange vorher wehte auf seinem Gipfel eine weiße Rauchsäule, wie ein in hoher Luft flatterndes Panier, welches einer großen Erscheinung vorgetragen wird. Im Innern des gewaltigen Vulcans donnerte die Vorbereitung zu der großen Entwickelung; das tiefere Zucken der verborgenen Kraft hatte Neapel, die umliegenden Inseln geschreckt, mehrere Städte niedergeschüttet, und einen großen Theil der Einwohner unter den Trümmern begraben. Man sah die weiße Rauchsäule von der unter ihr kochenden Glut angeröthet; oft ward ihr innerster Kern zur lodernden Flamme, welche glühende Steine empor und umher schleuderte. Im Schlunde krachte und raste ein schrecklicher Tumult!

Am 12ten August endlich eröffnete sich das hinreißendste Schauspiel, das die Natur hervorzubringen vermag. Gegen 9 Uhr Abends stieg die Rauchsäule höher, sie ward röther und röther und endlich ganz zur leuchtenden Flamme, die wechselnd stieg und sank und von Zeit zu Zeit Bliße nach allen Seiten warf. Nicht selten erreichte sie eine außerordentliche Höhe; dann stand der majestätische Feuer-Obelist einige Minuten fast unbeweglich, wie ein flammender Seraph, der weit über das paradiesische Campanien hinschaute; leichte rothe Wolken schwebten umher und spiegelten sich im dunkeln Meere. Das Meer war ruhig, als ob es furchtsam den zürnenden Nachbar behorchte. Plöglich sank die hochleuchtende Erscheinung in den Feuerschlund hinab und ließ eine Krone von malerischen Wolken zurück. Jezt erhob sich abermals eine mächtige Glutsäule; eine kleinere blißte neben ihr auf, und hohes Getümmel umher, wie das Gefolge einer Göttererscheinung; sie sank zurück und verwandelte ihre Stelle in einen Flammensee. Die Wogen sprudelten, schlugen über und rötheten mit ihren Flammen den Horizont, der einen sanfteren Widerschein auf die Stadt, auf das Meer und an die dunkeln Felsen warf. Immer lebendiger, immer ungeduldiger ward das Flammengetümmel, und jezt durchbrach es wie eine vollendete Empörung die umfassende Kerkerwand und stürzte von der Aschenspiße des Kraters herab. Nicht Worte vermögen zu schildern, welch' ein Aufruhr von Gefühlen den überraschten Zuschauer ergriff. Es war ein Zustand, wo das Entzücken zum Entseßen, und wiederum das Entseßen zum Entzücken ward. Ueber dem Krater hatte sich von aufsteigendem Rauch eine Wolkenversammlung gebildet; es schienen die purpurnen Høren zu sein, die im tiefen Dunkel der Nacht hier die Morgenröthe erwarteten. Ununterbrochenes Leben und Getümmel, immer wechselnde Pracht, ein stetes Werden und Schwinden glänzte durcheinander. Jezt stiegen zwei rothglühende Rauchsäulen auf, die in einem Blutmeere starrten. Was aber dieser großen Scene die höchste Verherrlichung gab, war der aufgehende Vollmond; hinter den sich thürmenden und wälzenden Rauchwolken stieg er herauf und schien wirklich Aurora zu sein, die den Triumphzug der vorgeeilten Horen über der Spiße des Berges empfing. Mit glühendem Gesicht, wie ein nectartrunkener Gott, trat er auf die verherrlichte Bühne der Nacht.

Aber vom Gipfel des Berges stürzte der Glutstrom, und bald hatte er den Fuß des Aschenkegels erreicht. Jeht brach er

in die Weingärten ein, die schon der Ernte entgegengereift waren. Weiße Flammen loderten auf, wo der Verderber die herrs liche grüne Vegetation ergriff. Oft schien er eine Allee zu fassen, deren helle Flamme sich weithin erstreckte und über dem rothen Strom als eine leichte Lichtmasse schwebte. Hier theilte sich der Lavastrom in 5 Arme; 3 zogen östlich, 2 aber westlich, und diese nur konnten von uns gesehen werden. Reißend stürzte der Erguß weiter und verderbender fort; er umfloß Häuser, deren Einwohner sich kaum noch zu retten vermochten; er füllte die untern Geschosse aus und zerstörte unzählige Landhäuser, Hütten und Weingärten. Der prächtige Verwüster ging seinen Weg, den er, wo er sich in Vertiefungen verbarg, durch Lichtsäulen entzündeter Bäume bezeichnete. Die beiden Arme des Lavastromes, von denen der eine dem andern bald nachblieb, bald voreilte, hatten in kurzer Zeit die Straße erreicht, die durch Portici nach Torre del Greco und Pompeji führt. Beide Ströme durchschnitten die Straße und wälzten sich in die diesseitigen Villen und Gärten, die das Ufer des Meeres begränzen; hier verlor der eine sich unter den Weinhügeln, der andere Strom hingegen stürzte mit verdoppelter Wuth dem Meere zu. Bis dahin hatte er einen Weg von anderthalb deutschen Meilen zu machen, und schon war er dem Rande des Ufers nahe; eine Menge von Zuschauern in Gondeln schwamm in der Gegend des Üfers umher, wo die Feuercascade vom Ufer hinabbrausen mußte. Endlich erfolgte, was erwartet wurde; die Glutmasse stürzte mit lautem Geprassel und Donnergetöse in's Meer; die Wellen empörten sich gegen den fremden Gast, Flammengewühl und Wellengetümmel im fürchterlichsten Aufruhr rasten schäumend vor Wuth durch einander. Kochende Wassersäulen und zürnende Flammenspißen brachen aus der Flut empor, kämpften einander nieder und wiederholten den Sturm des wildesten Aufruhrs, bis endlich der Tumult mit leiserem und leiserem Zischen endete und, gleichsam zum Denkmal des geschlossenen Friedens, von der erstarrten Glutmasse sich ein Vorgebirge bildete, das tief ins Meer hineintritt.

45. Herculanum und Pompeji.

An dem herrlichen Meerbusen, der nach der Stadt Neapel benannt wird, blüheten um die Zeit, in welcher unsere christliche Zeitrechnung beginnt, drei Städte, Herculanum, Pom

peň und Stabið. Sie lagen am Abhange des Berges Vesuv, der damals als ein feuerspeiender Berg oder Vulcan nicht bez kannt war, in dessen Nähe sich jedoch an verschiedenen Orten Spuren unterirdischen Feuers zeigten. Im Jahre 63 nach Christi Geburt zerstörte ein Erdbeben viele Gebäude in diesen Städten, allein am 24sten August des Jahres 79 erfolgte ein Ausbruch des Vulcans, der alle drei Städte von der Oberfläche des Erdbodens verschwinden machte. Hohe Flammensäulen fuhren aus seinem Krater, Bimsstein und furchtbarer Aschenres gen bedeckten die Umgegend, breite Lava- und Wasserströme stürzten aus seinen Oeffnungen hervor. Wo sonst das schönste, fruchtbarste Land lag, sah man überall Verwüstung. Die drei genannten Städte waren verschwunden, ihre Einwohner ents weder geflüchtet, oder unter der Asche begraben. Fast 2000 Jahre lang wußte Niemand mit Gewißheit die Stelle anzugeben, wo sie gestanden hatten, denn auch das Meer, in dessen Nähe sie lagen, war zurückgewichen. Neue Ortschaften und Städte entstanden im Laufe der Zeit am Golf von Neapel, unter anderu Portici und Resina. In dem ersten Dorfe bauete im Jahre 1711 ein französischer Prinz ein Landhaus und ließ daselbst einen Brunnen graben. Nachdem man eine hohe Lavaschicht durchs brochen hatte, stieß man auf Mauerwerk und war nicht wenig erstaunt, als man entdeckte, man habe das Theater von Hercu lanum und somit auch die Lage der ganzen Stadt wiedergefun den. Bei weiterem Nachgraben zeigte es sich, daß sowohl ein Theil von Portici als auch Resina gerade über der verschütteten Stadt stand, und deßhalb durfte man nur vorsichtig unter der Erde weiter nachzusuchen fortfahren, damit nicht jene Derter in die gemachten Höhlungen herabstürzten und dadurch zerstört würden. Im Jahre 1748 endlich entdeckte ein Landmann bei der Arbeit das große Theater von Pompeji zugleich mit vuls canischer Asche bedeckt. Es wurden die Nachgrabungen seitdem thätig fortgesezt und jezt ist beinahe der vierte Theil dieser so lange verschwundenen Stadt wieder an das Tageslicht gezogen. Hier also wächst allmälig wieder eine unbekannte Stadt aus der Erde hervor, während man zu Herculanum bei Fackelbeleuchtung die Straßen einer unterirdischen Stadt durchwandert.

Wenn man nun aber bedenkt, daß der Ausbruch des Vulcans, der diese heiden Städte verschüttete, so plöglich und heftig war, daß eine große Anzahl ihrer Einwohner nicht einmal im Stande war, ihr Leben zu retten, wie die Hunderte von aus

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