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Hierauf läßt ein Gelehrter in einer gewissen Druckschrift sich weiter also aus. *)

Beides, was Thamus bemerkte, hat sich bestätiget und es ist viel mehr Uebels daraus geworden, als die scharfsichtigste Vorhersehungsgabe geahnet hätte. Jemand hat den Nachtheil, welchen die Schrift bringet, so vorgestellt: Die Schrift besiegt und tödtet die Rede, die Leier verstummet und zeigt sich nur noch als Vignette vor geschriebenen Liedern, der Gesang erstirbt in den Lonzeichen, und das lehrende Wort strebet stolz und kalt über die nächsten Umgebungen nach einer fernstehenden und zerstreueten Welt, oft über die Gegenwart gänzlich hinaus zu der Nachwelt. Doch ist es eine göttliche Erfindung, und ihr Werth ist unschäßbar für unser gesammtes Geschlecht. Es ist dadurch, so zerstreut es in alle Erdegegenden ist, in eine Verbindung gekommen und in einen gesellschaftlichen Umgang, der zur Ausbildung dessen, was wir sind und werden können, ein Großes hilft. Der Weise bleibt nimmer in dem engen Kreis eingeschlossen, darin er lebt, und in dem Umgang der Wenigen, die ihn hören; seine Erkenntnisse, seine Entdeckungen gehören dem Ganzen an. Unsre Gedanken wandeln von Zone zu Zone, und die Erkenntnisse des Einzelnen erleuchten das ganze Geschlecht.

So spricht dieser Gelehrte von dem Nußen des Schreibens. Er scheint vornehmlich auf die Gelehrten sein Augenmerk gehabt zu haben. In anderer Richtung geht die jest kommende Lobrede und auch in einer andern Richtung, als wie sie vorhin schon (in Nr. 1) aus der Thür getreten ist.

Wir leben alle in einer Commüne. (Lassen wir dieß fremde Wort nebst andern, wie sie kommen, gern zu, eine große Nation hat kaum andere in ihrer ganzen Sprache, als fremde Wörter.) Wer in einer Commüne nicht wie ein Dienstknecht sein will, obschon er Haus und Land in derselben besitzt, der muß schreiben können. Wer in einer Commüne dieses und jenes Amt oder Aemtchen verwalten will, der muß schreiben können. Der Nachtwächter etwa brauchts nicht. Wer in einer Commüne Wohlfahrt und Recht fördern, Mißfahrt und Unrecht hindern will, der muß schreiben können. Wer anstatt seines Namens drei Kreuze zicht oder unter weß Name

*) Die Erfindung der Buchstabenfchrift von Hug. 1801.

ein beglaubigter Mann die Worte seßt: mit geführter Hand, mit angefaßter Feder, kann nicht Bauervogt oder Schulvorsteher sein. Sofern ein Andrer zu haben ist.

Wir haben, oder, Jugend, du bekommst, einen Hausstand. Wer da nicht aus der Hand in den Mund lebet, sondern einnimmt, was er erst nach längerer Zeit wieder ausgiebt, wer ausgiebt, was er erst nach längerer Zeit wieder zurückbekommt, es sei Geliehenes oder Geborgtes, wer überhaupt mit seiner Einnahme und Ausgabe nicht im Dunkeln tappen, sondern im Hellen gehen will, der muß anschreiben, muß schreiben. Das gehört zum ordentlichen Haushalten, welchem Salomo eine schöne Hoffnung gemacht hat, Sprüchwörter 24, und Sirach hat auch etwas davon verstanden, wenn er Cap. 42, 8 alle Einnahme und Ausgabe anschreiben lehrt. Wer schreibt, der bleibt, ist ein Sprüchwort und Mancher hat müssen in seinem Mangel Andre anschreiben, weil er nicht, als er im Wohlstande war, hat mögen anschreiben.

Und noch dieß zum Loben und Anloben des Schreibens. Die wir ja nicht alle im Hause hucken, sondern unser Brod über Land und über Wasser fahren lassen, Pred. Sal. 11, und bleis ben nicht in dem Kirchspiel beisammen, da man unsern Kopf über die Laufe gehalten hat, deinen und meinen, sondern wir werden zerstreuet dahin und dorthin, wohin keiner, als die Post geht: der Bund soll nicht vergessen, das Band nicht gelöst wer den von der Hand der Entfernung. Wie ich begehre in deinem Herzen zu lesen und in deinem Leben, sollst du in meinem les sen, unsre Freuden und unsern Kummer wollen wir uns mittheilen, dein Vater und deine Mutter wollen es dir bleiben und du willst ihr Kind bleiben und wollen in treuer Liebe einan= der verbleiben. Wie machhen sie das? Wenn sie sich einander schreiben.

Und weil die Sache so steht, wird auch wol der Schreibtisch stehen bleiben, ob noch so sehr das Drucken einmal Ueberhand nähme. Der Schrift hauch' ich meine Seel' ein und der Anblick meiner Handschrift ist wie die dargereichte Hand, mein Brief wie die eintretende Gestalt mit Red' und Ton.

5. Schreibet,

Dithmarscher, wie unsre Vorfahren gethan, unsers theuren Landes Geschichten!

Man liest doch Nichts lieber, als seines Volks Geschichten! Sie stellen die alten Begebenheiten dar, als wäre man dabei; rufen die Geister der Entschlafenen aus ihren Gräbern und lehren uns handeln als unter ihren Augen, in guten Dingen zur Ermuthigung, in schlechten zur Beschämung und zeitigen Rückkehr; trösten und geben Rath in gegenwärtigem Unglück, als mit welchem und noch größrem die frühern Geschlechter schon kämpfeten, gleich wie sie winken zur Vorsicht und Mäßigung im Glück, auf daß sich kein Unglück daraus erzeuge; Bedeutung geben sie manchem Plaz, an welchem wir sonst ohne Gedanken vorüber gingen, und einigen Pläßen Heiligkeit; wie mit scharfen Stacheln reizen sie das jest lebende Geschlecht, sich doch von dem Ruhm der Väter nicht überstrahlen zu lassen oder, im umgekehrten Fall, die geerbte Schande doch auszulöschen durch beßres Thun; Säulen der Dankbarkeit sind sie, von den erkenntlichen Zeitgenossen errichtete, oder Schandpfähle, an denen die Schlechten viele Jahrhunderte stehn; Wecker aus dem Schlaf, Hebel in der Versunkenheit, Spiegel einer schöneren Zukunft, Sonnenstrahlen auf die Ges müther, so von der Selbstsucht übereiset worden, Tyrolerstimmen vom Berge, daß sich sammeln, die es gut meinen im Thal, die da Recht und Gerechtigkeit, freie Sprache, Verstand und Herz und Geld behaupten wollen im Lande. wer schreibt unsers Volks Geschichten?

Doch,

Da saßen vor mehreren Jahrhunderten, sammelten und schrieben in Dithmarschen: Johann Russe aus Lunden, Hanß Dethleff the Windbarge, Johann Blohm in Thalingburen, Henrich Sedorf zu Lunden, Carsten Schröder, Johann Erp in Hemme, der Goldschmid zu Lunden, Grot Hans Peters auf Wetternwall, Kirchspiels Eddelack, und viele Andre. In das, was noch ven ihnen vorhanden ist, vertieft sich immer gerne, wer es zur Hand hat, und wandelt bei diesen Lichtern durch die hinabgesunkenen Jahrhunderte, bis wo sie ihm ausgehn, noch weit von der Treppe in die Gegenwart wieder herauf. Viethen bringt zwar die Dithmarsische Geschichte bis eben über 1700, Bolten bis zur Uebergabe des Nordertheils an Dänemark 1773; doch beider Vortrag, wenn sie selbst sprechen, erreicht des Chros nikenstyls Einfalt und Kraft nicht, auch ist seitdem schon ein bedeutender Zeitraum wieder unbeschrieben (so viel man weiß) verflossen. Daß ich nur Einiges daraus ergreife, Norderdith

-

die

marsisches nur: Büsums Kirchspiels - Banquerot und die Verdeichung vieler Tausend Thaler daselbst, das Unglück des Kirchspiels Hemme durch seinen Kirchspielsschreiber Harders, die traurigen Mäuse-Jahre, -die goldene Zeit darnach, der Verlust der freien Kirchspielseinnehmer - Wahl, Uniformirung der Kirchspielvögte und, als deren Lictoren, der Kirchspielsdiener, -die Erlangung einer einheimischen Revisionscommission, welche sonst ihren Siß im entfernten beziehungsfreien Kiel hatte, das Brandstiften, wie die ganze Welt ein solches nicht kennt, — die Eindeichung des Karolinenfoogs, die Blockade mit ihrem leichten Segen und schweren Fluch, je näher bei Tönning, je schwerer, was vielleicht das Merkwürdigste ist, der feindliche Einfall 1813, so wie die russische Einquartirung, sammt was Kluges und Dummes, Redliches und Schurkisches dabei abseiten unser vorgefallen, die Königliche Untersuchungscommission über alle Kirchspiele, was die bewirkt und nicht bewirkt hat, ihre guten Anordnungen und deren schlechte Befolgungen, der gegenwärtige nasse Sommer (1816) und unser Stromwesen. Dieses und Solches mit seinen Ursachen und Wirkungen, Actenstücken und Anekdoten, ich frage, kann etwas Nüßlicheres geschrieben werden, als das? Sage Keiner: Wir wissen das alles und die Leute leben noch, die es erzählen können. Wie lange leben wir denn? Morgen find wir nicht mehr. Sage Keiner: Das alles liegt documentirt in den Archiven. Manches, ja, liegt in den Kirchspielsund Landschaftsarchiven, doch bei Weitem nicht Alles, und, hast du auch den Schlüssel oder freien Zutritt und Gebrauch? Nur zu wohl ist verwahrt, was einmal dahincin gelegt worden. Nein, Du Johann Russe aus Lunden, Hauß Dethleff in Winds bergen, und Ihr andern, wie Eure Ur-Ur-Väter hebben ut olden Brefen thosamen gedragen ock einß Dehls nu erstlich angemarket, also thut auch Ihr, für Euch und Eure Nachkommen!

Das Wort sie sollen lassen stahn, die, so vielleicht in Thaten frech, eine Verzeichnung Schwarz auf Weiß hassen. Ihr schreibt für Euch (denn die Meinung ist nicht, daß Ihr sollets drucken lassen) schlecht und recht weg, nach der Wahrheit, wie es sich begeben hat, nichts darüber hinaus, noch schwanzwedelnd dabei herum oder darunter hindurch, ein Buch, durch das Ihr früher weise werdet als grau, in dem Ihr Eure Kinder weihet zur Vaterlandsliebe und geschickten kühnen Handreichung in den Aemtern der Landschaft, aus dem Ihr Rath holet für

einen Freund, dessen Heldengang verstrickt wird von Künsten böser Geister, deren er sich nicht verschen hatte: dawider hat die Welt nichts, kann nichts dawider! Und einst, wann Euch das Licht ausgehen will, so legt dieses Buch, ein Heis ligthum, in die Hände Eures beßten Sohus, daß er es bez wahre, mehre und auf seine Kinder bringe, sprechend: „Mein ,,beßter Sohn, so hat dein Vater die Welt gesehen und die ,,Menschen gefunden, wie geschrieben steht in diesem Buch. ,,Das Offenbare ist zum Geheimniß geworden; im Geheimniß ,aber entfeimt alle Weisheit wie alle Bosheit: lies du zur Weisheit! Die Gegenwart zeigt das Ziel, den Weg dahin „aber die Vergangenheit. Des Buches Werth wird größer, ,,je weiter es aus der Gegenwart tritt, und deinen Kindern ,,wird es nüßlicher noch als dir sein. Es bleibe bei unserm ,,Geschlecht! Werdet glücklich! Gott befreie uns von der Aem,,ter Stolz und Last. Ein Mal ist Dithmarschen untergegan,,gen, Anno 1559; bis 1859 währts nicht, daß es zum zweiten Mal auf eine andre Art untergeht, oder das ganze Land ,,muß zu schreien anfangen.“Es hat geschrieen und es ist besser geworden. Der Volkswit sagte zu der Zeit, 1814: Ein Hahn hat gekräht, daß es in Kopenhagen gehört ist. So hieß ein Intereffent eines Kirchspiels, der an den König supplicirt hatte.

6. Franklins Stylübung.

So entging ich dem Schicksal, ein Poet zu sein, und wahrscheinlich ein sehr schlechter; da aber das Prosaschreiben ein Hauptmittel meines Fortkommens geworden ist, so will ich erzählen, wie ich die geringe Fertigkeit, die ich mir darin zuschreiben mag, erlangt habe.

Es war noch ein anderer Knabe, Namens John Collins in der Stadt, der wie ich die Bücher liebte und mit dem ich sehr vertraut war. Oft stritten wir uns und waren dann sehr begierig, nns durch Gründe zu widerlegen und zu besiegen. Einmal mußten wir uns trennen, ohne unsern Streit beendigt zu haben; ich seßte deßhalb meine Gründe schriftlich auf, und auf diese Weise entstand ein Briefwechsel, der meis nem Vater in die Hände kam, und ihm Veranlassung gab, mich auf meine Schreibart aufmerksam zu machen, und mich zu überzeugen, daß mein Gegner sich mit viel mehr Eleganz,

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