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Zeige man doch dem Jüngling des edel_reifenden Alters
Werth und dem Alter die Jugend, daß beide des ewigen Kreises
Sich erfreuen und so sich Leben im Leben vollende.

In einem alten chriftlichen Sinnspruche so: Wer da stirbt, eh' er ftirbt, der ftirbt nicht, wann er ftirbt. (Hier ist Raum zu katechisiren.)

66. Aussprüche, betreffend das Thun, das Nechtund das Vielthun.

Sallust, ein römischer Schriftsteller nicht lange vor der Geburt Christi, fängt eins seiner Bücher so an:

Für alle Menschen, die vor den übrigen Geschöpfen hervorragen wollen, geziemt es sich, ihre Kräfte aufs Höchste anzustrengen, daß sie nicht also stille ihr Leben zubringen wie das Vieh, das von der Natur zur Erde gekehret und für den Dienst seines Bauchs gestaltet ist. Nein, weil unsre Kraft erst auf der Seele und dann auf dem Leibe beruht, soll die Seele bei uns herrschen und soll der Leib dienen. Zusaß des Mittheilers: Das findet sich leider bei manchen Menschen umgekehrt, sie lassen den Leib herrschen und die Seele dienen, glauben sogar, daß es sich so gehöre.

Copernicus sezte sich 3 Lebensregeln fest, als er in Frauenberg zur Ruhe gekommen war: 1) seine gottesdienstlichen Verrichtungen treu abzuwarten, 2) keinem Armen seinen Beistand als Arzt zu versagen, 3) alle übrige Zeit dem Studiren zu widmen. Derselbe hat auf sein Grabmal in Thorn seßen Lassen:

Nicht nach einer Paulus-Gnade verlangt_mich,
Such' auch keine Petrus-Vergebung, doch die
Du dem Schächer geschenkt am Kreuz, um diese
Fleh' ich beständig.

Was nicht aus dem Glauben gehet ist Sünde, Röm. 14. Ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen, Matth. 7. Die Tugenden der Heiden sind glänzende Laster, hat Augustinus zwar mit den Worten nicht gesagt, aber doch dem Sinne nach.

Es ist leicht, sehr leicht, mancherlei Gutes zu thun, und Großes zu thun ist immer eine Lust, aber ohne Sünde zu bleiben, ohne Missethat, das ist o wie schwer!

Ein Schriftsteller hat irgendwo gesagt: Ich wüßte nichts Preiswürdiges, wozu nicht auch der äußerst mißrathene, durchaus fehlerhafte Mensch zuweilen sich erheben könnte, Ordnung, Mäßigung und Beständigkeit ausgenommen.

Plutarch: Als Antisthenes hörte, daß Ismenias ein trefflicher Flötenspieler sei, sagte er fein: Er ist gewiß ein schlechter Mensch. Die Musik war bei den Griechen nicht so hoch geachtet wie die Geometrie, die Gymnastik. Und Philipp sagte zu seinem Sohn Alerander, als derselbe bei einem Gastmahle schön auf der Either spielete: Schämst du dich nicht? Earl d. Gr. hat an einen Abt zu Fulda geschrieben: Obwol das Rechte thun besser ist als das Rechte wissen, so ist doch das Wissen eher als das Thun.

Kaum bist du sicher vor dem gröbsten Trug,
Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen,
So glaubst du dich schon Uebermensch genug,
Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen!

Göthe.

Nicht nach den Kinderjahren, sondern nach der Jünglingszeit würden wir uns am sehnsüchtigsten umkehren, wenu wir aus dieser so unschuldig wie aus jenen herkämen. Jean Paul. Ein Andrer: Kein beßres Wesen steht unterm Himmel als ein Jüngling, der tugendhaft ist.

Morgenstunde hat Gold im Munde. So sollte man gesprochen haben? des Reims halber? Der Mund ist keine Stelle für das Gold; wer dieses da hat, der hat keins. Im Munde soll heißen: in der Hand, i hendi, aus dem Altnordischen, da Mund auch Hand hieß. Worüber man freie Hand hat, heißet noch bei den Rechtsgelehrten Mundium, und ein Vormund ist nicht derjenige, der für einen Pupillen spricht, sondern der seine Hand vor demselben und über demselben hält; ein Unmündiger ist, der keine Handlungen mit sich und seinem Vermögen vornehmen darf. Das ist eine Erklärung dieses unfügsamen im Munde"; eine andre, die wol eine richtigere heißen kann, ist diese: Daß Mund auch Hand heiße, findet sich nur in einem isländischen Wörterbuch angeführt, ohne Beleg aber, dagegen heißt, und in Wörterbüchern nicht allein, sondern in Büchern und in Geseßen, wie ein Kenner des Altnordischen sagt, Mund Mitgabe, Mitgift, Aussteuer, in welcher Bedeutung das Sprüchwort denn ebenfalls einen guten und schönen Sinn hat, und hiernach wäre so zu übertragen: Wer des Morgens früh laut ist, der schaffet Gold in die Brautkist. —

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Ein Geschäftsmann, welcher Viel that, wurde einmal ges fragt, woher er die Zeit dazu nähme, und gab diese Antwort: Ich befolge 3 Regeln: 1) Was Andre eben sowol und eben so gut thun können, das thue ich nicht; 2) was morgen eben sowol und eben so gut gethan werden kann, um das verlaß ich meine heutige Arbeit nicht; 3) eine noch so kleine Zeit, die ich frei habe, versäume ich nicht. Andre haben andre Regeln bes folgt und befolgen sie, z. B. diese, eine von Manchen befolgte: wenig schlafen. Bischof Balle, wailand in Kopenhagen, hat Morgens von 4 bis 9 Uhr sich auf seine Vorträge vorbereitet, ist darnach bis 2 Uhr wie ein Stecken vor den Leuten gestanden, die bei ihm zu thun gehabt, ist dann wieder am Schreibtische bis 11, 12 Uhr gesessen, hat also nur 4 bis 5 Stunden täglich ges schlafen. Ist 72 Jahr dabei alt geworden. Womit ein Mensch zufrieden sein kann. Besser mags indessen doch sein, wenn ein Mensch 6, 7 Stunden Schlaf nimmt und zu nehmen hat..

Vielthun ist nicht Vielthuerei. Zu allen Dingen seinen Verschehl sprechen, in allen Dingen seine Hand mit haben, überall das Rad lieber als die Speiche sein oder zum wenigsten in jedwedem Rad eine Speiche, weit umher, hoch hinauf, Amt und Beruf verlassend, das ist Vielthuerei. Aber:

Lernt aus meinem Erempel, genug am Amte zu haben,
Flieht, wie man fliehet die Pest, alle Vielthuerei!

Diesen Spruch hat ein Johann Funccius hinterlassen, der ein Geistlicher gewesen, ein Weltlicher geworden, Rath, Schag meister geworden und 1561 zu Königsberg enthauptet ist. Dieser Spruch wird auch einem 1601 enthaupteten sächsischen Minister, Crell, zugeschrieben.

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Der und das Verdienst. Wer nicht verdient, und nicht vers dient, daß er nicht verdient, dem sollte man geben recht reichlich zu leben. Wer nicht verdient, und verdient, daß er nicht vers dient, hat der Kasse Erkranken sich selber zu danken. Wer verdient, und nicht verdient, daß er verdient, der ist ein Schaf, dem's gegeben wird im Schlaf. -Wer verdient, und verdient, daß er verdient, dem gebührt der Preis für seinen Fleiß.

67. Der Brunnen des Verderbens.

Es ging ein Mann im Syrerland, führt ein Kameel am Halfterband. Das Chier mit grimmigen Gebehrden urplößlich

anfing scheu zu werden, und that so ganz entseßlich schnaufen, der Führer vor ihm mußt' entlaufen. Er lief und einen Brunnen sah von ungefähr am Weg' er da. Das Thier hört er im Rücken schnauben, das mußt' ihm die Besinnung rauben. Er in den Schacht des Brunnens kroch, er stürzte nicht, er schwebte noch. Gewachsen war ein Brombeerstrauch aus des geborstnen Brunnens Bauch, daran der Mann sich fest that klammern, und seinen Zustand drauf bejammern.

Er blickte in die Höh', und sah dort das Kameelhaupt furchtbar nah, das ihn wollt' oben fassen wieder. Dann blickt' er in den Brunnen nieder; da sah am Grund er einen Drachen aufgähnen mit entsperrtem Rachen, der drunten ihn verschlingen wollte, wenn er hinunter fallen sollte. So schwebend in der beiden Mitte, da sah der Arme noch das Dritte. Wo in die Mauerspalte ging des Sträuchleins Wurzel, dran er hing, da sah er still ein Mäusepaar, schwarz eine, weiß die andre war. Er sah die schwarze mit der weißen abwechselnd an der Wurzel beißen; und wie die Erde niederrann, der Drach' im Grund aufblickte dann, zu seh'n, wie bald mit seiner Bürde der Strauch entwurzelt fallen würde.

Der Mann, in Angst und Furcht und Noth, umstellt, umlagert und umdroht, im Stand des jammerhaften Schwebens, sah sich nach Rettung um vergebens. Und da er also um sich blickte, sah er ein Zweiglein, welches nickte vom Brombeerstrauch mit reifen Beeren, da konnt er doch der Lust nicht wehren. Er sah nicht des Kameeles Wuth, und nicht den Drachen in der Flut, und nicht der Mäuse Lückespiel, als ihm die Beer in's Auge fiel. Er ließ das Thier von oben rauschen und unter sich den Drachen lauschen, und neben sich die Mäuse nagen, griff nach den Beeren mit Behagen; sie däuchten ihm zu essen gut, aß Beer' auf Beerlein wohlgemuth, und durch die Süßigkeit im Essen war alle seine Furcht vergessen.

Du fragst: Wer ist der thöricht' Mann, der so die Furcht vergessen kann? So wiss, o Freund, der Mann bist du; vernimm die Deutung auch dazu: Es ist der Drach' im Brunnengrund des Todes aufgesperrter Schlund, und das Kameel, das oben droht, es ist des Lebens Angst und Noth. Du bist's, der zwischen Tod und Leben am grünen Strauch der Welt muß schweben. Die beiden, so die Wurzel nagen, dich sammt den Zweigen, die dich tragen, zu liefern in des Todes Macht, die Mäuse heißen Tag und Nacht. Es nagt die schwarze wol ver

borgen vom Abend heimlich bis zum Morgen. Es nagt vom Morgen bis zum Abend die weiße, wurzeluntergrabend. Und zwischen diesem Graus und Wust lockt dich die Beere Sinnenlust, daß du Kameel, die Lebensnoth, daß du im Grund den Drachen, Lod, daß du die Mäuse, Tag und Nacht, vergissest und auf Nichts hast Acht, als daß du recht viel Beerlein haschest, aus Grabes Brunnenrißen naschest.

68. Müssen, Können, Wollen, Dürfen, Mögen, Sollen.

Sechs Wörichen nehmen mich in Anspruch jeden Tag:
Ich foll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag.
Ich foll ist das Gefeß, von Gott ins Herz geschrieben,
Das Ziel, nach welchem ich bin von mir selbst getrieben.
Ich muß, das ist die Schrank', in welcher mich die Welt
Von einer, die Natur von andrer Seite hält.
Ich kann, das ist das Maß der mir verlieh'nen Kraft,
Der That, der Fertigkeit, der Kunst und Wissenschaft.
Ich will, die höchste Kron' ist dieses, die mich schmückt,
Der Freiheit Siegel, das mein Geist sich aufgedrückt.
Ich darf, das ist zugleich die Inschrift bei dem Siegel,
Beim aufgethanen Thor der Freiheit auch ein Riegel.
Ich mag, das endlich ist, was zwischen Allen schwimmt,
Ein Unbestimmtes, das der Augenblick bestimmt.

Nur wenn Du stets mich lehrst, weiß ich, was jeden Tag
Ich foll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag.

69. Dreizehn Fragen, zwölf aus Einer gemacht. Kann ich nicht mehr thun?

1) da mir doch so Vieles befohlen ist, das ich thun soll? 2) da ich doch so viele Zeit habe, unbefohlene Dinge zu thun? 3) da mir doch so viele Hülfe angeboten wird, wenn ich mehr thun will?

4) da doch so Vieles für mich gethan ist?

5) und an mir gethan ist?

6) da doch so viele Menschen weit mehr thun?

7) da doch so Vieles davon abhängt, daß ich mehr thue?

8) da ich zu viel doch nimmer thun kann?

9) undschon so viel Zeit versäumt ist, da ich hätte mehr thun können? 10) da ich doch die vielen Erempel vor Augen habe derer, welche all ihre Zeit versäumt haben?

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