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cher unserer jeßigen Hufner nicht gegen sein Sattelpferd eintauschen mögen, denn in Bausch und Bogen wurde in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts jedes Pferd zu 5 Thaler angeschlagen, und es ist zu bezweifeln, daß sie späterhin mehr werth waren. Die Wohnungen waren oft vier Lehm wände, zur Nothdurft abgekleidet, wie man sie obwol höchst felten noch finden kann, dagegen würde man eine Instenwohnung, wie viele aus der Zeit, jeßt vergebens suchen, und wenn man sie fände nicht begreifen, wie Menschen so hätten wohnen können; oft genug bestanden sie aus vier Wänden mit einem Dache darüber, in welchem Raum sich Menschen und Vieh durch einander herumtummelten. Der Hufner gab für seine Hufe keine Pacht, wol aber einige wenige Naturalien, oft aber hatte er neben der Hufe noch ein besonderes Stück Land, vorzüglich Wiesen, in wirklicher Pacht. Seine Gegens leistung für den Genuß der Hufe bestand in Diensten; täglich mußte er mit wenigstens 8 Pferden und 5 bis 6 Mann mit dem nöthigen Geräthe versehen auf dem Hofe erscheinen und nach Anweisung des Kornschreibers oder Vogtes die für die Bewirthschaftung des Hofes nöthigen Arbeiten und Fuhren beschaffen. Bei der damaligen schlechten Landwirthschaft, die höchstens den dritten Theil des jeßigen Ertrages lieferte, mußten die vielen Pferde und Knechte den ganzen Ertrag der Hufe verschlingen, und jedes Unglück, welches die Wirthschaft traf, namentlich aber Mißwachs, richtete den Hufner völlig zu Gründe, denn nun trat die Gutsherrschaft herzu und machte Vorschüsse, wenn sie den Hufner nämlich auf der Hufe ließ. Um diese Vorschüsse zurückzuzahlen wurde der Hufner verpflich tet, alles Korn, so wie es abgedroschen war, an den Gutsherrn zu liefern, welcher dafür einen beliebigen Preis berechnete. Ja es gab Gutsherrn, welche den Hufner, gleich nachdem er die Hufe angetreten hatte, in dieses Verhältniß zu bringen wußten, indem sie ihm nicht allein das bis zur Ernte nöthige Korn vorschossen, sondern ihn auch zwangen, das Inventar zu kaufen und für den Kaufpreis Schuldner zu bleiben, denn daß der Hufner beim Antritt der Hufe dieselbe hätte bes zahlen können, daran war nicht zu denken. Außer der geringen mechanischen Fertigkeit, die zum Ackerbau gehört, war der Leibeigene völlig unwissend. Freilich gab es wol hin und wieder Schulen, allein woher sollten die Kinder, welche neben dem frühen Dienst noch oft genug für sich und ihre Elteru

Brod betteln mußten, die Zeit hernehmen zur Schule zu gez hen? und wenn sie selbst diese hatten, woher sollte Lust und Eifer zum Lernen kommen? Mit dieser Unwissenheit war eine ganz unglaubliche geistige Trägheit und Gleichgültigkeit verbunden; es gab Hunderte von Leibeigenen, die nie in die nächste Stadt gekommen waren. Dabei war es denn um so natürlicher, daß der Leibeigene nicht den geringsten Trieb zur Arbeit hatte, als nicht ihm sondern lediglich dem Gutsherrn die Früchte seiner Thätigkeit gehörten. Knechte und Insten suchten gemeinschaftlich durch Faullenzen ihren Lag hinzubringen, und allein die Peitsche, welche der Vogt nicht aus der Hand legen durfte, konnte sie einigermaßen zur Arbeit anhalten. Der Hufner ging selten zu Hofe, seine Frau niemals, allein er war darum nicht minder Sclave; mit den Pferden und Knechten, die ihm blieben, mußte er seine Hufe bestellen. Hatte er Glück, so konnte er sich auf seiner Hufe ein kleines Vermögen erwerben, was jedoch sehr selten war. Kam er dagegen auf der Hufe nicht fort, wurde er dem Herrn zu viel schuldig oder mißfiel er diesem auf andere Weise, so wurde ihm ohne Weiteres die Hufe genommen und er zum Lagelöhner gemacht. Eben so hing es lediglich vom Willen des Gutsherrn ab, ob der Lagelöhner wieder Knecht werden, oder eine Hufe übernehmen sollte. So wie die Peitsche den Knecht und Lagelöhner immer in Feindschaft mit dem Gutsherrn hielt, so war dieß mit dem Hufner besonders dann der Fall, wenn er sein Korn, so wie es abgedroschen war, dem Gutsherrn abliefern mußte; er suchte einen Theil davon zu verheimlichen, was der Herr dann stehlen nannte und, wenn er wollte, wie Diebstahl bestrafte. Der Gutsherr seiner Seits mußte hart, wenigstens strenge sein, wenn er sein Gut ordentlich betreiben wollte, denn mit Güte allein war bei dem so verwilderten Leibeigenen wenig auszurichten. Manchmal artete die bei dem Verhältniß nöthige Strenge in Grausamkeit aus; so marterte z. B. ein Gutsherr von Bürau im Jahre 1722 drei seiner Leibeigenen zum Theil eigenhändig zu Tode, während ein vierter kaum mit dem Leben davon kam. Diese Grausamkeit freilich ist mit fünfjähriger Verbannung und 20,000 Rthlr. Brüche bestraft worden; in der Regel aber kümmerte sich kein Mensch darum, was der Gutsherr mit seinen Leibeigenen machte. That die Peitsche oder Gefängniß auf dem Hofe die davon erwartete Wirkung nicht mehr, so sandte der Gutsherr die Männer

ohne Weiteres in die Karre, die Weiber ins Zuchthaus, in der Regel freilich nur auf kurze Zeit, denn er konnte oder wollte ihre Arbeit auf dem Hofe nicht entbehren. Der Leibeigene suchte sich wol durch die Flucht der Sclaverei zu entziehen, allein gewöhnlich mißlang sie, weil die Aemter und Städte und selbst Hamburg und Lübeck die Entwichenen zurücklieferten, nur in den Marschen fanden sie oft Schuß. Selten kam es zu einem thätlichen Widerstande mit vereinter Kraft, wie dieses 1739 auf Oehe geschah, wo die Leibeigenen den Vogt mit Sensen erschlugen. Nach kurzer Untersuchung wurden fünf der Thäter enthauptet, vier auf Lebenszeit zur Karrenstrafe verurtheilt und die übrigen mehr oder weniger hart bestraft. Verfeinerte Sitten, das größere Gewicht der öffentlichen Meis nung und vermehrte Thätigkeit der Regierungsbehörden wirkten in der lezten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in so fern zu Gunsten der Leibeigenen, daß sie weniger den körperlichen Mißhandlungen ausgeseßt waren, wie früher, allein in anderer Beziehung wurde ihr Loos bedeutend verschlimmert. Viele Gutsbesiger nämlich fanden es vortheilhaft, ihre Höfe selbst zu betreiben; sie schafften sich Pferde und Ackergeräth an und bedurften nur der Hände der Leibeigenen. Die Hufen wurden daher überflüssig, und demzufolge eingezogen und zu eignen Gütern oder Meierhöfen gemacht. So wurden in allen diesen Gütern alle Hufner mit einem Male zu Tagelöhnern herabgesezt, und Laufenden von Menschen die einzige Hoffnung, iemals zu einem einigermaßen behaglichen Leben zu kommen, verscheucht.

Aufgehoben ist die Leibeigenschaft, möchte sie in keinerlei Maß nnd Weise je wieder eingeführt werden, auch in der ägyptischen Weise nicht! 1 Mos. 47, 25.

83. Wilhelm Tell und die drei Männer in Grutli. 1307.

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Als nun in den Thälern der Waldstädte Demuth weinte und Hochmuth lachte, sprach im Dorfe Steinen des Werner Stauffacher Frau zu ihrem Manne: Wie lange muß Hochmuth lachen und Demuth weinen? Sollen Fremdlinge Herren dieser Erde und Erben unsers Gutes sein? Wozu taugen die Männer des Gebirgs? Sollen wir Mütter an unsern Brü

ften Bettler säugen und den Ausländern leibeigene Mägde erzichen? Das sei ferne!"

Darauf ging schweigend der Werner Stauffacher hinab zum Orte Brunnen am See und fuhr über das Wasser nach Üri zum Walter Fürst in Attinghausen. Bei demselben fand er verborgen den Arnold von Melchthal, welcher vor dem Grimm des Landenberg über das Gebirg entwichen war.

Und sie redeten von der Noth des Landes und dem Gräuel der ausländischen Vögte, die ihnen der König, zuwider ihren angestammten Rechten und Freiheiten, gesandt habe. Auch gedachten sie, wie sie gegen die Bosheit der Vögte vergebens geklagt hätten vor dem König, und wie dieser selbst gedroht, sie müßten troß Siegel und Briefe alter Kaiser und Könige ab vom Reiche und der Herrschaft von Oestreich zugewendet werden. Da nun Gott keinem Könige Gewalt gegeben, auf daß er Unrecht thue, sei keine andere Hülfe als durch Gott und eigenen Muth, und der Tod sei viel leichter als so schmähliches Joch. Darum beschlossen sie, Jeder sollte in seinem Lande mit vertrauten, herzhaften Männern sprechen und erforschen, weß Sinnes das Volk sei, und was es für Freiheit und Sicherheit einsetzen wolle.

Nach diesem kamen sie oft in verabredeten nächtlichen Stunden zusammen an einem heimlichen Orte am See. Der lag fast mitten inne zwischen Uri, Unterwalden und Schwyz, auf einer schmalen, umbüschten Wiese, am Fuß von den Felsen des Seelisberges, gegenüber dem Dörflein Brunnen. Man hieß ihn vom ausgerotteten Gestrüpp das Rütli; da waren sie von Menschen und Wohnungen weit. Bald brachte Jeglicher frohe Botschaft mit: allem Volk sei viel leichter der Tod als das schmähliche Joch.

Wie sie aber in der Nacht des siebenzehnten Wintermonats des dreizehntenhundert und siebenten Jahres zusammen kamen, und jeder von den Dreien mit sich zur Matte auf Rütli zehn treue Ehrenmänner geführt hatte, entschlossen, die alte Landesfreiheit über Alles, das Leben für Nichts zu achten; erhoben die frommen Drei ihre Hände zum gestirnten Himmel und schworen zu Gott, dem Herrn, vor welchem Könige und Bauern gleich sind: In Treuem für die Rechte des unschuldigen Volkes zu leben und zu sterben; Alles gemeinschaftlich, Nichts eigenmächtig zu wagen und zu tragen; kein Unrecht zu dulten aber auch kein Unrecht zu thun; des Grafen von Habs

burg Recht und Eigenthum zu ehren und keinem der Königss vögte Uebels zuzufügen, aber auch den Vögten zu wehren, das Land zu verderben. Und die dreizig Andern streckten die Hände auf und thaten den Eid wie jene zu Gott und allen Heiligen, die Freiheit mannhaftig zu behaupten. Und sie wählten die Neujahrsnacht zum Werk. Dann gingen sie aus einander, Jeder in sein Thal zu seiner Hütte und winterten das Vich.

Dem Vogt Herrmann Geßler ward nicht wohl, denn er hatte böses Gewissen. Es dünkte ihn, als wenn das Volk muthiger einherginge und troßiger aussähe. Darum ließ er den herzoglichen Hut von Desterreich erhöhen auf einer Stange im Uri und befahl, wer vorübergehe solle demselben Ehrerbietung erweisen. Daran wollte er erkennen, wer wider Desterreich sei.

Und Wilhelm Tell, der Schüß aus Bürglen, ging vors über, einer von den Männern aus dem Rütli, aber er deugte sich nicht. Alsbald führten sie ihn gefangen zum Vogt und dieser sprach ergrimmt:,,Troßiger Schüße, so strafe dich deine eigene Kunst. Einen Apfel lege ich auf das Haupt deines Söhnleins, den schieße herab und fehle nicht!" Und sie banden das Kind und legten auf das Haupt desselben einen Apfel und führten den Schüßen weit davon. Er zielte. Da schwirrte die Bogensehne. Da brach der Pfeil den Apfel. Alles Volk jauchzte freudig. Geßler aber fragte den Schüßen: „Wozu trägst du noch den andern Pfeil bei dir?. Es antwortete Tell: "Hätte der erste nicht den Apfel getroffen, dann gewiß der andere dein Herz!"

Deß erschrak der Vogt und ließ den Schüßen greifen und auf ein Schiff führen nach Küßnacht, wohin er selbst zu fahren gedachte. Denn den Tell im Lande Uri einzukerkern schien wegen des Volkes nicht rathsam, ihn aber in ausländische Gefangenschaft zu schleppen war wider des Landes Rechtsame. Darum fürchtete der Vogt Zusammenlauf des Volkes und fuhr schleunig ab, wiewohl der warme Fönwind blies. Die See ging hohl und die Wellen schlugen schäumend über, daß Allen bange ward und die Schiffsleute verzagten. Je weiter im See, je größer die Todesnoth; denn da steigen Uferberge jäh aus dem Abgrund des Gewässers wie Mauern zum Himmel. In schwerer Angst ließ Geßler dem Tell die Fesseln abthun, damit derselbe als guter Schiffer das Fahrzeug lenkte. Aber

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