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Hierauf nach wenigen Stunden kam der Bruder Claus: ein ungemein hochgewachsener, wohlgestalteter, vom Alter nicht gebrochener Mann, aber nur Knochen wurden von der castanienbraunen Haut bedeckt; sein langes, glattes, schwarzgraues Haar, sein in zwei Spißen mäßig herabhängender dünner Bart, seines Blicks außerordentliche Klarheit, Ausdruck von Liebe und Ernst in Allem; sein einfacher, braungrauer Rock, sein Stab; mit unbedecktem Haupt und barfuß, wie immer. Als der Mann, fröhlich in der Kraft seines Gottes, in die Versammlung trat, und nach seiner Art mit langsamen Worten und mäunlicher Stimme sie grüßte, standen alle Tagherren von ihren Stühlen auf und neigten sich. Er aber sprach: "Liebe "Herren, treue Eidesgenossen, hier komme ich alter, schwacher "Mann, von meinem beßten Vater und Freund aus der Ein"öde gerufen, zu Euch zu reden vom Vaterland. Kunst und „Wissenschaft habe ich nicht: ich bin ein ungelehrter Mann; "was ich habe, das gebe ich Euch; von dem Gott, welcher Eure Väter gerettet in Landesnöthen, und Sieg auch Euch "gegeben hat an Tagen der Schlacht, von dem habe, von dem "gebe ichs Euchy. Eidesgenossen, warum habt ihr Kriege ges "führt? Weil es anders nicht hat sein können. Wodurch die Siege? Durch die Kraft vereinter Arme. Jest wollt Ihr Euch trennen um der Beute willen? Ein solches, o „Eidesgenossen, laßt nicht von Euch gesagt werden in den ums liegenden Landen. In guten Treuen rathe ich, dringendst bitte ich, Ihr von Städten, daß ihr Bürgerrechte löset, welche "Euern alten Eidgenossen schmerzlich sind, Ihr von den Läns "dern, daß Ihr bedenkt, wie Solothurn und Freiburg neben "Euch gestritten haben, und sie in den Bund nehmt. Alle "Eidgenossen, in Mißverständniß, das unter Brüdern wol "kommen mag, bleibt gemäß der Billigkeit, bei der alten Art "gleicher Säße von jeder Partei. In Kriegen werde Ero"bertes nach den Orten, Erbeutetes nach den Leuten vertheilt. "Ferner erweitert nicht zu sehr den Euch umschließenden Zaun, meidet fremde Händel, seid friedsame Nachbaren, und wer "Euch unterdrücken wollte, der finde Männer; fern von Euch, daß einer um das Vaterland Geld nehme; vor Parteiung hütet Euch, sie würde Euch zerstören. Liebet Euch unter ein"ander, o Eidesgenossen, und der Allmächtige walte über Euch, "gütig wie bisher!"

"Und" (so spricht die Chronik) „Gott, gab Gnad zu den

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"Worten des heiligen Einsiedlers, daß in einer Stunde Alles verglichen ward." Also" (beginnen die Lagherren den Abfdried) "des ersten weiß jeder Bot heinzubringen die Treu, Müh und Arbeit, so der fromme Mann, Bruder Claus, in "diesen Dingen gethan hat, ihm deß treulich zu danken." Aber aus dem Hauptflecken Stanz hinauf in den Gotthard, hinunter bis Zürich und bis nach Rhätien und in den Jura allgemeines Freudengeläute nach der Schlacht bei Murten; mit Recht, es hatten die Eidesgenossen sich selbst überwunden.

Der Bruder Claus ist nach vollbrachtem Werk wieder in seine Wildniß gegangen. Die Eidgenossen beschenkten ihn zu Auszierung seiner Capelle. Er fuhr fort, die Summe der Weisheit und aller Lugend, Gehorsam und Liebe zu lehren. (Für sich der höchsten Leitung folgen, für die Welt wohlthätig wirken, ist das Geheimniß des Glücks und der Kern der Moral. Am ersten Frühlingstag des vierzehnhundert_siebenundachtzigsten Jahrs, an demselben, wo er vor siebzig Jahren ges boren ward, nachdem seine Nerven acht Tage lang an schmerzlichen Krämpfen gelitten, starb der Bruder in seiner Zelle am Ranft, in Gegenwart seiner Freunde Ulrich und Im Grund, der feiner Art nachstrebenden Cäcilia, feines Weibes und seiner Kinder, und wurde von ganz Unterwalden mit größter Ehrfurcht und Liebe auf dem Kirchhofe zu Sareln bestattet, bes trauert von allen Eidesgenossen, auch von fremden Fürsten sein Andenken geehrt. Bruder Claus von der Flüe war, wenn je einer, ein heiliger Maun, Unterwalden aber nicht reich und Rom nicht edel genug, ihn unter die canonisirten zu bringen; doch sein Altar ist ewig in Gemüthern, die ihn faffen.

Sein oftmaliges Gebet ist gewesen: Herr, nimm von mir, was mich trennt von dir. O Herr, gieb mir, was mich bringt zu dir. Herr, nimm mich mir und gieb mich ganz zu eigen dir.

Das Lehte stimmt zusammen mit einem Betwort eines Angelus Silesius: Reiß mein Herz aus meinem Herzen, wär' es auch mit tausend Schmerzen.

87. Die Erstürmung der Bastille.

Frankreich war, da Ludwig der 16te König wurde, innerlich zerrüttet; unglückliche Kriege, verworfenes Hofleben, vers

schwenderische und habgierige Verwaltung hatte das Reich in ungeheure Schulden gestürzt; man steigerte umsonst die Lasten des Landes, die der dritte Stand allein zu tragen hatte; der erwerbende Theil des Volks verarmte, während Adel und Geistlichkeit, überreich und steuerfrei, sich hartnäckig weigerten, von ihren Rechten das Geringste zur Rettung des Staats zu opfern. Man machte Anleihen, aber das üppige Hofleben verschlang sie; man versuchte neue Steuern zu befehlen, aber das Volk war schon überlästet; man berief die Notabeln des Landes, aber ihr Rath steigerte nur die Erbitterung, ohne Rettung zu gewähren. Mißernten und Theurung verschlimmerten den Zustand auf die bedrohlichste Weise. Man berief endlich die Reichsstände, die seit zweihundert Jahren, seit die Krone die vollkommene Souveränität gewonnen hatte, nicht versammelt gewesen waren; da hoffte der Adel seine alte Herrschaft, die Geistlichkeit neuen Einfluß, die Regierung neue Geldmittel, der dritte Stand Erleichterung zu gewinnen.

In den ersten Maitagen 1789 wurden in dem Königlichen Schloß von Versailles diese Reichsstände eröffnet. Der Adel, die Geistlichen wollten für sich gesondert von den Deputirten des dritten Standes berathen; dann wären ihre zwei Stimmen gegen die Eine des dritten Standes stets im Vortheil gewesen, hätten alle Verbesserungen, alle Erleichterung des Volks gehindert, hätten den Staat in seiner Noth_gelassen, um ihre eigenen Rechte zu sichern und zu mehren. Aber der dritte Stand sezte die Vereinigung aller Deputirten zu einer Nationalversammlung durch und die doppelte Zahl der Abgeordneten, die vom Bürgerstande berufen war, ließ den Widerstand des Adels und der Geistlichen nicht aufkommen. Die große und eingreifende Thätigkeit der Nationalversammlung entsprach den Erwartungen des Volks, sie besaß sofort eine Gewalt, welche den Ansprüchen der Krone wie der bevorrechteten Stände entgegen treten zu können schien.

Der Adel suchte darum auf andern Wegen seine bedrohten Rechte zu stützen; er, der die Krone in so tiefe Bedrängniß getrieben hatte, trat nun zu ihr, nannte ihre Rechte durch die Anmaßung des Volks gefährdet, rieth zu gewaltsamen Maßregeln. Er fand am Hofe bei der Königin, bei den Königlichen Prinzen Gehör. Umsonst suchte der gutmüthige König sich den Einflüssen seiner täglichen Umgebung zu entziehen; die dreiste Dankbarkeit des aufgeregten Volks, das schon nicht

mehr in der alten Weise theilnahmlos und ehrerbietig schwieg, wandte ihn jener Partei zu, und er gab dem schon fertigen Plan, Truppen in die Nähe von Paris und Versailles zu sammeln und dann den beim Volk besonders beliebten Minister Necker zu entlassen, seine Genehmigung.

In Paris war die größte Gährung, das Zusammenziehen der Truppen gab zu den furchtbarsten Gerüchten Anlaß: die Deputirten in Versailles wolle man gefangen sehen, Paris bombardiren, das Volk niedermeßeln. Schon begannen Gewaltsamkeiten, ein Pöbelhaufe steckte die Zollbude an einem Thor in Brand; die Bürgerschaft schickte die Bitte, sich zur Aufrechthaltung der Ordnung bewaffnen zu dürfen, nach Versailles. Dieß war am Sonnabend, den 11ten Juni. Denselben Abend war Necker entlaffen mit der Weisung, gleich in aller Stille abzureisen. Als sich die Nachricht davon am folgenden Sonntage in Paris verbreitete und man zugleich die Namen der neuen dem Volk feindlichen Minister erfuhr, da schien Alles verloren, da hörte alle Ordnung auf, Tausende fanden sich zusammen, vorauf das mit Trauerflor umhängte Bild Neckers nach Versailles zu ziehen, die Nationalversammlung um Schuß zu bitten; aber vom Marsfelde her werden Dragoner gegen sie geschickt, andere sprengen in den Garten des Schlosses, den zu säubern, mehrere Personen werden dort verwundet, auch einer von der französischen Garde, der sich unter den Spaziergängern befunden. Auf diese Nachricht brechen die Garden, die längst schon dem Volk geneigt sind, aus ihrer Caserne, ziehen nach dem Schloß, treiben mit gefälltem Bajonnet die Truppen dort zurück. So kommt die Nacht, die Sturmglocke wird geläutet, man verrammelt die Hauptstraßen, man bewaffnet sich aus den Waffenläden, mehrere Zollbuden werden in Brand gesteckt, die ganze Nacht durch währet der Tumult.

Der andere Morgen beginnt mit noch stärkerer Aufregung; die Lärmtrommel zieht durch die Straßen, die Bürger sollen sich zu einer Miliz vereinen, um weitere Gewaltsamkeiten des Pöbels zu hindern, aber es geschehen deren nicht mehr; die Wagen, die Lebensmittel nach der Stadt bringen, die Waffen, die man gefunden, alles wird nach dem Plaß vor dem Stadthause abgeliefert, allgemeine Begeisterung erwacht, die Stadt vor den Angriffen der Truppen zu vertheidigen. Die ungeheure Volksmenge auf jenem Play will nur Waffen; der Bürgermeis ster, Herr von Flesselles, hat 12000 Flinten versprochen, das

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Volk zu beruhigen, endlich kommen mehrere Wagen mit der Aufschrift Waffen", man öffnet sie sofort und findet nur Holz und Wäsche. Schon spricht man von Verrätherei im Magistrat, die Ausschüsse der Bürgerschaft, die sich im Stadthause versammelt haben, verordnen, daß sofort in allen Schmieden Pifen gefertigt werden sollen. So vergeht der Tag; in der Nacht øder am andern Morgen erwartet man vom Marsfelde her den Angriff der Truppen; die ganze Nacht durch ziehen Ronden durch die erleuchteten Straßen; Alles ist zum entscheidenden Kampf bereit. So der Montag.

In Versailles hat an diesem Tage die Versammlung, über Reckers Entlassung bestürzt oder die von den neuen Ministern und den zusammengezogenen Truppen drohende Gefahr erinnernd, den König um sofortige Entfernung der Truppen ges beten. Aber der Hof weiß den König mit erlogenen Theaterzetteln und Börsennachrichten von Paris über die Vorgänge in der Hauptstadt zu täuschen; einen Aufstand dort wünscht man, um Anlaß zu Gewaltmaßregeln zu haben; die in Versailles und in der Nähe einquartirten Truppen werden bewirthet, die Das men und Herren des Hofes erscheinen selbst bei den Tafeln und Tänzen der Soldaten und suchen sie durch Herablassung und Geldaustheilung zu gewinnen. In der Nacht vom Dienstag zum Mittwochen soll der Angriff auf Paris gemacht wers den, zu dem dem commandirenden General unumschränkte Vollmacht ertheilt wird. Der König wird bestimmt, der Versammlung auf ihr Gesuch abweisend zu antworten. Die Versamms lung erkennt, daß sie auf das Aeußerste gefährdet sei, sie bes schließt, Tag und Nacht versammelt zu bleiben.

Allerdings war Paris gefährdet; man glaubte dort, daß am Dienstag der Angriff erfolgen werde. An einem Haupts punkte der Stadt lag ein altes Schloß, die Bastille, mit Gräben, Zugbrücken und starken Mauern, als Staatsgefängniß seit vies len Jahren verhaßt, mit einer Besazung von 30 Jnvaliden. Die Kanonen der Bastille, hieß es am Dienstag früh, seien auf die Stadt gerichtet, Kanonen feien auf dem Berge vor der Stadt aufgefahren; auf dem Marsfelde bivouaquirten die Truppen. Und noch waren die meisten Bürger nicht bewaffnet. So zog am Dienstag Vormittag eine ungeheure Menschenmenge nach der Caserne der Invaliden, wo Waffen und Kanonen was ren; so schnell strömte die Menge durch das Thor hinein, daß Gegenwehr unmöglich war. 28000 Flinten fand man dort,

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