Imágenes de páginas
PDF
EPUB

sie hatten seine ganze Marine, seine ganze Seehandlung vernichtet. Sobald ein Schiff aus seinen Häfen auslief, kamen sie und nahmen es weg. Die Britten und die Spanier, die noch immer herzhaft ihre Freiheit vertheidigten, schienen die einzigen Störer seines Glückes. Darum ließ Napoleon auch kein Meittel unversucht, England von seiner Höhe herabzuziehen. Dieses Land war vorzüglich mächtig durch den Handel, darum wollte er denselben zerstören und den englischen Schiffen alle Seehäfen von Europa verschließen. In Frankreich, Italien, Holland und dem nördlichen Deutschland war es ihm auch schon gelungen. Wurden durch Schleichhandel englische Waaren eingeschwärzt, so nöthigte er die Fürsten, die unter seiner Botmäßigkeit standen, sie aufsuchen und verbrennen zu lassen, wenn das Gut auch schon bezahlt war. So fielen die verderblichen Folgen seiner Maßregeln auf seine eigenen Völker nnd die Unterthanen der ihm befreundeten Fürsten zurück; die Engländer aber fanden neue Handelswege und lachten seines Zorns. Durch dieses gräuliche sogenannte Continentalsystem verarmten viele tausend Menschen in und außer Deutschland und Millionen hatten dabei zu leiden.

Diesem heillosen Systeme beizutreten ließ sich der Kaiser von Rußland bewegen, und Schweden wurde mit Waffengewalt genöthigt es anzunehmen. Bald aber lernte der russtsche Kaiser Alerander einsehen, welchen unermeßlichen Schaden er durch die Handelssperre gegen England seinen Unterthanen zufügte. Er ließ daher Milderung eintreten. Darüber und über die Lande des Herzogs von Oldenburg, eines Verwandten des russischen Kaisers, die Napoleon an sich gerissen und nicht wieder herausgeben wollte, entstanden Mißhelligkeiten zwischen ihm und dem Kaiser Alerander. Napoleon, der keinen Krieg scheuete, nahm sich vor, Schweden und Rußland mit Gewalt zu zwingen, sich in seinen Willen zu fügen. Zuerst ging er auf die Schweden los und nahm ihnen Schwes disch-Pommern weg. Noch viel empfindlicher aber sollten in dem Innern ihres großen Reichs die Russen gezüchtigt werden.

Alle Kräfte seiner Staaten bot Napoleon zu diesem Riesenkampfe auf. Polen wählte er zu dem Sammelplatz seiner Völker. Zu 480,000 Franzosen ließ er noch 100,000 Mann deutsche Bundestruppen stoßen und Preußen und Desterreich, jedes mit 30,000 Mann, mußten es sich gefallen lassen, seine Flanken zu decken. — Er mußte eines glücklichen Erfolgs

recht gewiß sein, da er die Sicherheit seines Heeres dem Schuß so zweideutiger Freunde anvertrauete, die, traf ihn ein Unfall, so leicht die Waffen gegen ihn kehren konnten.

So ging er nun am 24. und 25. Juni 1812 mit mehr als einer halben Million Menschen und über 1200 Kanonen über den Niemen, den russischen Gränzfluß gegen Preußen und Polen, nachdem er in eigener Person die Ufer des Stroms, als polnischer Reiter gekleidet, untersucht hatte. Er theilte jeßt sein großes Heer in zwei Scharen. Die eine schickte er unter den Generälen Macdonald und Oudinot gegen Petersburg; die andere führte er selbst mit General Ney gegen Mostcu.

Die zwei Hauptstädte Rußlands wurden also zugleich von ihm bedroht, und beide hatten Ursache zu zittern, denn vergeblich bemüheten sich die russischen Heere, die Feinde abzuhalten, wenigstens auf der einen Seite, die Moskau bedrohete. Raubend, brennend und mordend trieben Napoleons Krieger die Russen vor sich her, besiegten sie in den Schlachten von Smolensk und Mosaisk und kamen der alten ehrwürdigen Stadt Moskau täglich näher.

Diese Stadt zu erreichen war Napoleons Wunsch und Streben. Hier, im Herzen von Rußland wollte er den Winter zubringen, wollte, wie einst zu Wien und Berlin, durch alle Provinzen des Reichs Brandschaßungen ausschreiben und sein zahlreiches Heer mit allen Bedürfnissen reichlich versehen lassen; im Frühjahre aber, wenn sich Kaiser Alerander nicht zum Ziele legte, auch auf Petersburg losgehen und ihm den Frieden theuer verkaufen. Diesen schönen Traum sah er schon halb verwirklicht, als er am 14. September 1812 die große und prächtige Kaiserstadt vor sich liegen sah, und kein Feind sich zeigte, der ihm die Annäherung streitig machte. General Kutusow hatte sich mit seinen Russen entfernt, weil er sich zu schwach fühlte, dem großen französischen Heere zu widerstehen, zu dessen Vertilgung er andere Anstalten gemacht hatte. Ungehindert konnte er seinen Einzug halten, die Thore waren unverschlossen, kein Schuß von den Mauern geschah auf seine Leute, nirgends lauschte ein Feind. Aber zu seinem nicht geringen Befremden drängte sich auch nicht, wie in andern eroberten Städten, die neugierige Menge heran, ihn zu sehen und anzustaunen. Dumpfe Stille herrschte in allen Straßen wie auf einem Todtenacker unter Gräbern. Fast alle Einwohner waren

[ocr errors]
[ocr errors]

mit ihrer beßten habe entflohen und die noch übrigen hielten sich in dem Innern ihrer Häuser verborgen. Diese gänz liche Verödung der großen Stadt wollte den Franzosen nicht gefallen. Sie schien ihnen schon an sich sehr bedenklich, und dann merkten sie wohl, daß ihnen in den menschenleeren Häusern gar Manches an ihrer Bequemlichkeit abgehen und die Küche schlecht bestellt werden würde. Doch trösteten sie sich mit der Aussicht auf eine unermeßliche Beute. Bald wurde ihnen auch dieser Trost geraubt. Auf einmal stieg an mehr als hundert Orten zugleich Feuer auf, Rauchwolken wirbelten in die Luft, bei einem heftigen Winde, der sich erhoben hatte, verbreitete sich der Brand wie ein Feuermeer über die ganze Stadt und wüthete mehrere Tage lang fort, Bald war das prächtige Moskau nichts weiter als ein Schutthaufen. Nichts blieb verschont als der Kreml oder das Kaiserliche Residenzschloß, das mit den dazu gehörigen Gebäuden mit einer dreis fachen Mauer und einem tiefen Graben umgeben war. Hier hatte Napoleon mit den vornehmsten Officieren sein Quartier genommen, indeß von seiner Mannschaft vor der Stadt ein Lager bezogen worden war. Die Soldaten kamen scharenweise herein und wühlten in den dampfenden Ruinen nach Beute. Ihre Mühe blieb auch nicht unbelohnt; bald aber kam es dahin, daß ihnen an einem Stück Brod mehr gelegen war, als an einem Klumpen Gold.

Durch die Einäscherung Moskaus war Napoleons ganzer Plan verrückt worden. Von Feinden umgeben, ohne Lebensmittel, ohne Kleidung und Obdach für sein Heer konnte er hier nicht überwintern. Die kleinsten wie die größten Bedürfa nisse mußten erst erkämpft werden. Die Russen wagten sich immer näher. So oft ein Trupp französischer Reiter auf Fouragiren auszog, waren ihm die Kosacken auf dem Nacken. Noch furchtbarer als die Feinde näherte sich die schlimme Jahreszeit. Schon war die Hälfte des Octobermonats vers strichen und Napoleon saß noch immer in seinem Kreml, unschlüssig, was er beginnen sollte. Er hatte Friedensvorschläge gemacht, aber man antwortete hinzögernd und unbestimmt, denn Alles war daran gelegen, ihn so lange als möglich aufzuhalten. Endlich sah Napoleon die Nothwendigkeit ein, die leßten erträglichen Herbsttage zu einem schleunigen Rückzuge zu bes nußen.

Am 17ten October 1812 trat er diesen schauderhaften

Rückzug - mit: reicher Beute beladen an, und ließ hinter sich den Kreml sprengen. Der russische Heerführer Kutusow folgte ihm auf dem Fuße nach und ließ ihm keine Ruhe. Unermü det umschwärmten die Kosacken seinen Rücken und seine Flanken, es erfolgten Anfälle auf Anfälle, Bald ließ sich drückender Mangel fühlen und Hunger, Blöße, Ermattung wurden durch die eingetretene Winterkälte noch empfindlicher. Die Wege waren mit Schnee und Eis bedeckt, Menschen und Pferde fielen zu Tausenden und blieben liegen. Viele erfroren an dem Feuer, das sie sich angezündet hatten, weil sie vor Mattigkeit nicht mehr aufstehen und es unterhalten konnten. Viele wurden von den Kosacken niedergehauen, ehe ihre erstarrten Hände erwärmt waren. Je weniger die Franzosen zu widerstehen vermochten, desto ungestümer und hartnäckiger wurden die Anfälle. Halb vernichtet erreichte endlich das flies hende Heer die Stadt Smolensk, wo es Ruhe und in seinen reichgefüllten Magazinen Nahrung und Kleidung zu finden hoffte. Allein umsonst; der russische General Tschitschakoff drohete, mit Wittgenstein vereinigt den Franzosen an dem Bes refinastrom zuvorzueilen und sie gänzlich von ihrer Heimath abzuschneiden. Napoleon mußte daher Smolensk sogleich verlaffen, um einen Vorsprung vor den Feinden zu gewinnen. Hunger, Kälte, Krankheiten und Lod wütheten jezt aufs Neue unter seinen Scharen; ganze Züge wurden gefangen genommen und in das Innere von Rußland zurückgeschleppt.

Endlich erreichten die Trümmer dieses noch vor Kurzem so zahlreichen und stolzen Heeres die Ufer der Beresina im ruffifchen Gouvernement Minsk. Hier wartete ihrer noch die schwerste Prüfung. Am 27sten November 1812 erfolgte auf zwei Brücken der Uebergang. Kaum waren sie hergestellt, so entstand ein fürchterliches Gedränge, denn der Feind war in der Nähe und feuerte Schuß auf Schuß mit Kartätschen unter die dichten Haufen. Jeder wollte der Erste sein, der sich rettete, so lange Rettung noch möglich war. Um schneller über die Brücke zu kommen stieß Einer den andern ins Wasser; Manche stürzten nieder und wurden von den Rädern der Wagen und Kanonen zermalmt; Andere suchten auf treibenden Eisschollen das jenseitige Ufer zu erreichen und fanden den Lod in den Fluten. Zu Tausenden wurden sie niedergeschofsen. Eine ganze Heeresabtheilung, die den Nachtrab ausmachte, wurde von den Russen gefangen genommen; fast al

les Geschütz und Gepäcke, auch noch 20,000 andere Gefangene fielen in ihre Hände. Doch das Meiste hatte Napoleon schon selbst vernichten lassen. Beinahe alle deutsche Brüder fanden auf diesem Rückzuge ihren Untergang, und nie erfuhren ihre trostlosen Eltern, an welcher Stätte sie begraben liegen. Noch_herber war den Vätern und Müttern ihr Verlust durch den Gedanken, daß ihre Söhne nicht für deutsche Freis heit und deutsche Ehre, sondern für die Ruhmsucht des tyrannis schen Verderbers ihres Vaterlandes ihr Leben geopfert hatten.

Die traurigen Ueberreste des vernichteten Heeres zogen sich gegen Wilna. Acht Meilen von dieser Stadt bestieg Napoleon einen Schlitten und eilte über Dresden nach Paris zurück. Stolz und troßig war er ausgezogen an der Spiße einer halben Million Menschen; einsam fliehend, still und mit Schmach bedeckt kam er zurück. Seine Entfernung war das Signal zur völligen Auflösung seines Heeres; Marschälle, Officiere, Soldaten folgten dem Beispiele ihres Kaisers. Jes der ging seinen eigenen Weg, Jeder suchte sich zu retten, wie er konnte; keine Compagnie hielt mehr zusammen; es war eine Heerde ohne Hirten. In dem kläglichsten Zustande kamen die meisten in Sachsen an. Viele Tausende unterlagen unterwegs ihren Leiden.

97. Aussprüche, betreffend das Verhältniß zwischen Fürst und Volk.

Johannes v. Müller in Schweiz. Historie: Wenn die Gewaltigen dem Völkerrecht Hohn sprechen, sollten sie erwägen, daß von dem an auch sie kein Recht schüßt. Der Allerfurchtbarste hat zu zittern, wenn er zur Verzweiflung bringt.

Plutarch im Leben Lykurgs: Eurition, König der Spartaner, verminderte das königliche Ansehen, um dem Volk zu gefallen; das Volk aber, da es merkte, man ließe ihm den Zügel schießen, ward noch frecher und unbändiger.

Tacitus, ein röm. Schriftsteller, sagt von dem Kaiser Nerva, daß derselbe zwei Dinge mit einander verbunden habe, von welchen man früher geglaubt habe, sie ließen sich nicht verbinden: die höchste Gewalt und die Freiheit des Volks.

Machiavell sagt in seinem Der Fürst: Ein Volk verlangt bloß, nicht unterdrückt zu werden.

Ein Ungenannter: Heiße gern die Constitution eine Blüthe

« AnteriorContinuar »