Imágenes de páginas
PDF
EPUB

maal geschildert, worin es unter Anderm heißt: "Verschwiegen und bedächtig und zum Kampfe muthig muß der Sohn eines Häuptlings sein; fröhlich und freigebig gegen Jedermann bis zu seiner Todesstunde. Der unverständige Mann glaubt ewig leben zu können, wenn er vor dem Kampfe flieht; das Alter gönnt ihm keinen Frieden, allein der Speer kann ihm denselben geben. Kein Mann darf einen Fuß breit von seinen Waffen weichen, denn ungewiß ist es, ob er nicht auf dem Wege, den er vor sich hat, des Schwertes bedürfen werde. Nur der, welcher weit reist und Vieles versucht, weiß, welchen Sinn der Weise bewahren muß. Frühzeitig soll der aufstehen, welcher eines Anderen Habe erwerben will; selten erlangen liegende Wölfe Nahrung oder schlafende Männer den Sieg. Vermögen vergeht, Verwandte sterben, ein Jeder unterliegt selbst gleichfalls dem Tode; aber nie und nimmer vergeht der herrliche Name dessen, der sich ihn erworben hat. Vermögen vergeht, Verwandte sterben, der Mensch selbst unterliegt gleichfalls dem Tode; doch Eins weiß ich, das nie vergeht, das Urtheil über jeden Verstorbenen. Volle Vorrathshäuser sah ich bei den Söhnen des reichen Mannes, jetzt gehen sie am Bettelstabe einher; Reichthum gleicht dem Blick des Auges; er ist von allen Freunden der unbeständigste. Das Beßte ist ein eigenes Haus, wenn es auch klein ist; ein Jeder ist Herr in seinem Hause. Besißt man auch nur zwei Ziegen und eine mit Stroh gedeckte Hütte, so ist es dennoch besser als betteln. Bluten wird des Mannes Herz, der zu jeder Mahlzeit um Speise bitten muß. Eine bessere Bürde trägt man nicht auf dem Wege, als vielen Verstand; der gilt am fremden Orte mehr, als Reichthum, er ist der Schuß der Bedrängten. Der uns verständige Mann wacht die ganze Nacht hindurch und grübelt über Alles; dann ist er müde wenn der Morgen kommt, und die Sorge ist dieselbe. Ein Jeder muß weise sein mit Maßen; Niemand darf sein Schicksal vorher wissen, alsdann hat man den sorgenfreiesten Sinn. Hast du einen Freund, dem du vertrauest, so sollst du deinen Sinn mit dem seinigen vermischen, Geschenke mit ihm wechseln und frühzeitig ihn besuchen; denn mit Gestrüpp bewächst der Weg, und Gras sproßt auf dem Fußpfad hervor, den Niemand betritt. Weite Umwege führen zu einem untreuen Freunde, obgleich er nahe wohnt; allein zu einem treuen Freunde führen Richtwege, wenn er auch weit entfernt wohnt. Kummer verzehrt deine

Seele, wenn du nicht Einem dein Herz eröffnen kannst; kennst du den Kummer deines Freundes, so mache ihn zu deinem eignen; gieb aber deinen Feinden keinen Frieden. Liebe lodert heller als Flammen fünf Tage lang zwischen falschen Freunden, allein sie erlischt, wenn der sechste kommt, und alle Freundschaft ist vorbei. Der unverständige Mann glaubt, daß alle, welche süße Worte reden, seine Freunde sind; wenn er vor Gericht kommt, erfährt er, daß Wenige seine Sache fördern.

Fahre den Gast nicht an, und jage ihn nicht vor die Thür; thue den Bedrängten wohl, ihre Gebete werden dir Glück brins gen. Freue dich nie über das Böse, aber laß nur Gutes von dir reden. Ueber greise Sprecher sollst du niemals lachen; oft ist es gut, was Alte sagen, und kluge Worte kommen häus fig von dem runzeligen Greise. Tugenden und Laster tragen die Menschenkinder gemischt in ihrer Brust; Keiner ist so gut, daß nicht Fehler ihn begleiten, oder so böse, daß er zu Nichts tauglich wäre."

109. Formel eines altnordischen Sühneides.

„Es waren Streitigkeiten zwischen N. N. und N. N., aber nun sind diese Streitigkeiten beigelegt und Gut ist dafür ges büßt, wie die Messenden maßen und die Urtheilenden urtheilten, die Zählenden zählten, die Gebenden gaben, die Hebenden hoben und von dannen trugen zu voller Erstattung und Erholung, und ward es denen in die Hand gereicht, welche es haben sollten. Darum sollen die Männer verglichen und vers einigt sein zu Eß- und Trinkgelagen, zu Thinge und Volkss tagfahrten, auch Kirchversammlungen und im Königshause und wo immerhin Männer zusammen kommen, da sollen sie so vers einigt sein, als ob dieser Zwist nie unter ihnen gewesen wäre. Sie sollen Messer und Fleischstücke und Alles mit einander theilen wie Freunde und nicht wie Feinde. Kommt aber nachher etwas unter sie, das nicht gut ist, so soll Gut es büßen, aber der Stahl sich nicht röthen. Wer aber von beiden so treulos wird, daß er diesen geschlossenen Vergleich bricht und die gelobte Sicherheit verlegt, der soll so weit vertrieben und gejagt sein, wie Männer am weitesten gejagt und vertrieben sein können, Christen Kirchen suchen, Heiden in Tempeln opfern, Mütter Kinder fäugen, Kinder Mütter rufen, Feuer flammen, die Erde Wachsthum hat, Schiffe scheitern, Schilde

blinken, Sonnenschein Schnee schmilzt, Schnee die Erde bedeckt, Federn fliegen, Fichten wachsen, Falken fliegen am langen Frühlingstage und Mitwind beide Schwingen hebt, der Himmel sich wölbt, die Welt bebaut ist, Winde tosen, Wasser zur See fallen, Kerle Korn säen. Er soll Kirchen_und_Christen meiden, Gottes Haus und guter Menschen Gesellschaft und jede Heimath außer der Hölle.

Haltet nun beide dasselbe Buch, denn da liegt nun das Gut auf dem Buche, was N. N. büßt für sich und seine Ers ben, geborene und ungeborene, und N. N. nimmt die Sicherheit an, welche N. N. für immer und überall gelobt, und die gehalten werden soll so lange die Welt steht und die Menschen leben.

Nun sollen diese Männer verglichen und einträchtig sein, wo sie sich finden, zu Lande oder Wasser, auf Schiffen oder Schneeschuhen, auf dem Meere oder Pferderücken; sie sollen mit einander theilen Ruder und Schöpffaß, Raum und Ges deck, wenn es nöthig ist; sie sollen untereinander vereinigt sein wie Vater und Sohn, Sohn und Vater in jeglicher Ges meinschaft.

Leget nun eure Hände in einander, auf daß ihr diese Sicherheitsgelobung unverbrüchlich haltet nach Christi und der Männer Willen, welche Euer Trygdamaal angehört haben. Habe der Gottes Gnade, welcher diese verheißene Sicherheit hält, der aber Gottes Zorn, welcher zu Recht gelobte Sichers heit bricht.

Gnade, Heil und Segen sei mit allen, welche dieses halten, und mit uns allen, welche als Zeugen dabei zugegen

waren."

110. Sechs Rechtsfälle.

1. Anno 1516 erzählte Dr Martin Luther zu Eisleben diesen Fall, daß ein Müller hätte einen Esel gehabt, der wäre ihm aus dem Hofe gelaufen und ans Wasser kommen. Nun steigt der Esel in einen Kahn, so im Wasser stand und wollte daraus trinken. Dieweil aber der Kahn von dem Fischer nicht angebunden war, so schwimmt er mit dem Esel davon, und kommt der Müller um den Esel und der Fischer um den Kahn, war also Schiff und Esel verloren. Der Müller klagte den Fischer an, daß er den Kahn nicht hab'

angebunden. So entschuldigte sich der Fischer (excipiendo), und sagt (reconveniendo): Der Müller sollte seinen Esel auf dem Hofe behalten haben, und begehrte seinen Kahn bezahlt. Das ist das Factum.

Entschieden ist von einem Rechtsgelehrten dahin: Beide Theile sind mit ihren Klagen ab- und zur Ruhe zu verweis sen. Ein anderer hat geurtheilt: Der Herr des Esels soll vier Fünftheile, der Eigenthümer des Kahns ein Fünftheil des Schadens tragen, denn: Das Thier hat den Schaden gethan 1) als ein Körper, 2) als ein lebendiges, 3) als ein mit Sinnen begabtes und 4) als ein Wesen, das eine Vorstellung hat, wogegen der Kahn den Schaden gethan hat lediglich als ein Körper, als ein Etwas, das außerdem Nichts ist und aus ßerdem Nichts hat.

2. In Lours, in demselben Lande, da auch Poitou liegt, aus welcher Gegend Gellert die Erzählung vom betrübten Widwer hergenommen hat, — in Tours hatte ein Rechtsgelehrs ter Namens Ivo in dem Gasthause einer betagten Widwe mehrmals Herberge genommen. Als er einstmals des Abends dort einspricht, kommt ihm die alte Frau mit Thränen entgegen. Sie sollte Lages darauf vor Gericht erscheinen; sie war auf Ersaß von 1200 Dukaten verklagt, und sie fürchtete verurtheilt zu werden, obwol sie nicht einen Pfennig schuldig zu sein betheuerte. Zwei Fremde, die bei ihr eingekehrt, hatten ihr eine Geld-Chatoulle in Verwahrung gegeben, sie hatte beis den versprochen, das Depositum an feinen von beiden allein, sondern nur an beide zugleich zurückzugeben. Die Correalberechtigung war ausdrücklich ausgeschlossen. Wenige Tage darauf gehen beide Fremde zugleich mit mehreren Kaufleuten an dem Gasthause vorüber, die Wirthin steht an der Thür, sie sagen ihr, daß sie so eben mit diesen Kaufleuten ein Ges schäft abschließen wollten, sie bestellten zugleich ein Abendessen. Aber noch vor der Zeit des Abendessens kommt einer der beiden Deponenten und bittet sich die Chatoulle aus, weil das Geschäft abgeschlossen sei. Die Widwe hat kein Arges, sie hatte beide eben zusammen gesehen, beide hatten auf den Abend Essen bestellt; so giebt sie die Chatoulle heraus, der Fremde entfernt sich damit. Abends kommt der andere, er fragt nach dem anvertrauten Schaße; sie antwortet, daß sein Freund und Genosse das Geld vor einer Stunde schon abgeholt. Der Fremde kommt darüber in große Bestürzung, sein Gefährte

bleibt aus. Nun hält er der Frau vor, daß sie wider den Vertrag gehandelt, er fordert Schadloshaltung, er hat bereits auf Ersaß des anvertrauten Gutes geklagt. Ivo tröstet die Frau, er verspricht ihr seinen Beistand.

Des andern Tages meldete er sich mit ihr bei Gericht, er wird der Verklagten als Rechtsanwalt zugeordnet. Der Kläger wiederholt seine Klage, er beruft sich auf den Inhalt des Verwahrungs-Vertrags. Verklagte muß den Vertrag einräumen, sie kann auch nicht leugnen, dagegen gehandelt zu haben. Kläger bittet um ihre Verurtheilung nach dem Inhalte des Vertrags. Deren bedarf es nicht, erwiedert Jvo, der Advocat. Die Chatoulle ist nicht verloren; die Verklagte wird sie ausantworten, sobald sie von Rechtswegen dazu verurtheilt ist, quando ex justitia tenebitur. Nein, antwortete der Kläger, keine Frist, keine Bedingung! Entweder das Geld zur Stelle oder augenblickliche Verurtheilung. Die Verurtheilung, erwiedert Jvo, kann nur nach dem Inhalte des Vertrags geschehen, wie du ihn selbst angegeben hast; die Frau ist zur Herausgabe nicht eher schuldig, als bis dein Geschäftsfreund und Reisegefährte, der so plößlich verschwunden ist, zugleich mit dir dazu erscheint. Hier wird der Kläger verlegen, er sieht sich in seiner eigenen List gefangen, er fürchtet sich verrathen, er sucht vergeblich sich heraus zu reden; endlich entdeckt es sich, daß sich beide Deponenten zu dem Betruge gegen die einfäl tige Frau verbunden hatten. Die Verklagte wird nun frei gesprochen, der Kläger wegen seines Betrugs bestraft.

Aber es war wol weniger die juristische Spize, an der sich die List des Gegners brach, als die Macht der Wahrheit, welche den Lügner wider seinen Willen überwältigte.

[ocr errors]

3. Ein Rechtsfall aus einer Dithmarsischen Sage. Der Pächter eines Ackers stößt beim Pflügen mit dem Pflug auf etwas Hartes, hält still, gräbt auf einen Grapen voll Silbergeld. Der Pächter bietet diesen Fund dem Verpächter an, weil er ja zum Kornbau und nicht zum Schabheben den Acker gepachtet habe; der Verpächter dages gen: Grapen und Geld komme ihm nicht zu, denn dem Päch ter gehöre, was der Acker brächte während der Pachtjahre. Ein Schiedsmann wird herbeigeholt, welcher sich den Grapen zeigen läßt und nach der Stelle am Grapen sieht, da der Pflug ihn geschrammet, spricht darauf: Wie viel Geld über

« AnteriorContinuar »