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gehen, daß man die Leute sißen sieht. Glaubt, Brüder, daß mir nie die gräßlichen Gebehrden aus dem Gemüthe kommen werden, die ich an ihnen sah. Verzweiflung, Raserei, boshafte Freut' und Angst dabei, die wechselten in den Gesichtern. Sie schienen mir, das schwör' ich euch, an Wuth den Furien, an Ernst den Höllenrichtern, an Angst den Missethätern gleich.

Allein was ist ihr Zweck? so fragten hier die Freunde. Vielleicht besorgen sie die Wohlfahrt der Gemeinde? Ach nein! So suchen sie der Weisen Stein? Ihr irrt. wollen fie vielleicht des Cirkels Viereck finden? Nein! So bereu'n sie alte Sünden? Das ist es alles nicht. So sind sie gar verwirrt! Wenn sie nicht hören, reden, fühlen noch sehn, was thun sie denn? Sie spielen.

Einst besuchte der englische Philosoph Locke den Großkanzler Lord Ashley, Grafen von Schaftesbury, und traf ihn mit einigen Freunden beim Kartenspiele sißend. Locke sah lange Zeit ruhig dem Spiele zn; dann zog er seine Schreibtafel hers aus und fing an sehr eifrig zu schreiben. Die Herren ließen ihn schreiben und spielten fort; endlich aber fragte ihn der Kanzler doch, was er schreibe? Locke antwortete: Mylord, ich bemühe mich, aus dem Umgang mit Ihnen soviel Nußen zu ziehen, als ich vermag. Ich habe mich lange darnach gesehnt, in diese Gesellschaft der weisesten und geistreichsten Männer unserer Zeit zu kommen, und da mir nun endlich dieses Glück geworden ist, so meine ich nicht Besseres thun zu können, als Ihre Unterredung aufzuschreiben; und wenn Sie erlauben, will ich jest vorlesen, was ich geschrieben habe. Er las darauf einiges von dem her, was sie bei ihrem Spiel gesprochen hats ten. Da schämien sich die Herren und wählten eine würdigere Art der Unterhaltung.

Das thaten die. Allein man hört zuweilen sagen, das Kartenspiel eben sei die würdigere Unterhaltung, nämlich, wenn nicht gespielt würde, so träte das Klatschen und Lästerreden cin. Warum denn eben das? Wenig Ehre für eine zusammengeladene Gesellschaft, wenn sie vermuthen muß, thr Wirth denke so von ihr! Und hat er Recht, so hilfts doch wenig; denn, nachdem einige vorgefallene curiose Solos oder Caskos durchgesprochen sind, von dem Abend oder vom gestrigen, vorgestrigen oder von irgend wann mit dem und dem gespielt, deßgleichen Gewinn und Verlust ehrlich und fälschlich, fröhlich

und verdrießlich publicirt sind, beim Butterbrod oder Braten geht es doch wieder dahinein, wovor das Spiel hatte bewahren sollen, und mit so größrer Lust, als währenden Spiels das Schweigen lang war.

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Es sollen einige Menschen gar Nichts zu sprechen wissen und deshalb müsse zu ihrer Unterhaltung gespielt werden. Man denke würdiger von Menschen! Solche giebt es nicht. Und wenn es wirklich solche Menschen gäbe, man lasse sie — zuhören oder zu Hause bleiben. Wer aber ein guter Wirth sein will, wisse der, daß er nicht allein die Pflicht hat, zu essen und zu trinken zu geben, sondern daß er ebenfalls für geistige Unterhaltung zu sorgen hat.

Das Kartenspiel soll eine Erholung sein, insonderheit für folche Männer, die sich viel mit geistiger Arbeit beschäftigen, deutlicher, die Tags über ihren Kopf viel brauchen. Wirklich? Wenn das Denken über das ganze Angesicht ausgebreitet liegt, Gedank und Empfindung zusammen den Blick stier machen, die Lippen an einander pressen, das sollt' Erholung sein? Es muß doch wol, denn Viele behaupten das, und sie werden es ja selbst am besten wissen. Wenn sich aber nur nicht Einige von ihnen selber täuschen und Andern Etwas vormachen? daß eins von der bösen Vier zum Grunde liegt: die Trägheit, die Spiellust, das Großthun, die Gewinnsucht? Ein Arzt in einer großen Stadt hat aus seiner Praris behauptet, unter 17 Personen der höhern Stände (es sind doch wol nur Männer gemeint?) sei mindestens 1 an den Folgen der innern Aufregung gestorben, welche das Spiel verursacht. Das ist denn eine Erholung zur Erschöpfung. Wie man solche Erholungen auch sonst kennt.

Verspiele Jemand auch weder Gesundheit noch Geld noch Ehre, Ehrlichkeit und was man nennen mag, so verspielt er doch jedenfalles Zeit. Es ist ein gottloses Wort, ein recht erzgottloses, mit welchem Jemand auf den Vorwurf, daß er so manche Stunde Zeit verspiele, erwidert hat, das auch in des Mannes Lebensbeschreibung gedruckt stehet: Was kommts auf ein paar Stunden an, wir haben ja eine Ewigkeit vor uns. Angenommen auch, es sei ein Scherz von ihm gewesen, so ists ein grundschlechter Scherz gewesen und gehört zu denjenigen unnüßen Worten, welche mit der Rechenschaft am jüngsten Gerichte bedroht sind. Matth. 12, 36.

Sagte derjenige zuviel vom Kartenspiele, der von ihm sagte, was folgt?

Im ersten Spiel um Geld Einen Species verloren ist so gut als zehn Species gewonnen. Was vom Trinken gilt, das gilt auch vom Spielen: Alle unmäßige Spieler sind mäßige gewesen. Wer spielt, der stiehlt, das Wort ist kein bloßer Reim. Ein Dieb bricht in die Häuser, ein Spieler in die Taschen, meistens in seine eigenen. Unter Vieren Spadille, Manille, Basta, unter Vielen Credit, Respit, Subhasta. Arme Spieler lassen sich wie Eicheln mit den Füßen zusammen scharren, reiche hat man so selten, wie bei uns zu Lande reife Weintrauben. Ein Sprüchwort, vom Kegel- und Würfelspiel: Mit runden Hölzern und viereckten Knochen ist manche Chatoulle erbrochen. Junge Spieler, alte Bettler. Ein Beamter, der sich dem Spiel ergeben hat, ist ein Meineidiger. Ein Ehemann, der sich dem Spiel ergeben hat, ist ein Ehebrecher. Ein Vater, der sich dem Spiel ergeben hat, verleugnet sich vor seinen Kindern, und ist härter gegen sie als ein Rabe gegen seine Jungen. Ein Sohn, der Geld und Zeit verspielt, ist ein Vater und Muttermörder. Im alten Königlichen Katechismus wurde gelehrt beim fünften Gebot, was ein subti ler Mord sei. Es werden viele Sargnägel geschmiedet ohne Eisen, aus Herzleid. Ein Sprüchwort: Ein Spiel Karten ist des Teufels Gebetbuch. Wer aber im Spiel die Münzen als bloße Marken ansiehet, er und seine Mitspieler, die laffen wenigstens keinen Teufel zu, und wem das Spiel verordnet ist als eine Arzenei Leibes oder der Seele, der sündigt nicht.

Eine der ältesten Nachrichten vom Kartenspiel ist die, daß man im vierzehnten Jahrhundert bei einem französischen Könige dessen gesunkene Geisteskräfte mit dem Kartenspiel wieder aufzurichten versucht habe. Uebrigens sollen die Zigeuner die Karten aus Indien zu den Arabern oder Saracenen, diese sie nach Europa gebracht haben. - Es ließen sich wol einige Aehnlichkeiten auffinden zwischen Kartenspielern und Kartenlegern.

121. Die Neujahrsnacht eines Unglücklichen.

Ein alter Mensch stand in der Neujahrsmitternacht am Fenster und schauete verzweiflungsvoll auf zum unbeweglich,

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ewig blühenden Himmel und wieder herab auf die stille, reine, weiße Erde, worauf_jeßt Niemand: so freuden- und schlaflos war als er. Der Kirchhof lag vor ihm, sein nahes Grab war bloß vom Schnee des Alters, nicht vom Grün der Jugend verdeckt, und er brachte Nichts mit, aus dem ganzen reis chhen Leben Nichts mit, als Irrthümer, Sünden und Krankheit, einen verheerten Körper, eine verödete Seele, die Brust voll Gift und ein Alter voll Reue. Seine schönen Jugendtage wandten sich heute als Gespenster um und zogen ihn wieder vor den hellen Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst auf den Scheideweg des Lebens gestellt hatte, der auf der Sonnenbahn der Tugend in ein weites, ruhiges Land voll Licht, in die Heimath der Engel bringt, und welcher links sich in die Maulwurfsgänge des Lasters hinabzieht, in eine schwarze Höhle voll heruntertropfenden Giftes, voll zischender Schlangen und finsterer, schwüler Dünste.

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Ach, die Schlangen hingen um seine Brust und die Gifttropfen auf seiner Zunge, und er wußte nun, wo er war.

Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Himmel hinauf: Gieb mir meine Jugend wieder! O Vater! stelle mich wieder auf den Scheideweg, damit ich anders wähle!

Aber sein Vater und seine Jugend waren längst dahin. Er sah Irrlichter auf Sümpfen tanzen und auf dem Gottesacker erlöschen, und er sagte: Es sind meine thörichten Tage. Er sah einen Stern aus dem Himmel fliehen und im Falle schimmern und auf der Erde zerrinnen: Das bin ich, sagte sein blutendes Herz, und die Schlangenzähne der Reue gruben tiefer ein in seine Wunden.

Die Einbildungskraft zeigte ihm schleichende Nachtwandler auf den Dächern und die Windmühle hob ihre Arme drohend zum Zerschlagen auf und im leeren Todtenhause nahm eine zurückgebliebene Larve allmälig seine Züge an.

Mitten in seine Angst floß plößlich die Musik für das Neujahr vom Thurme hernieder wie ferner Kirchengesang. Er wurde sanfter bewegt, er schauete nach dem Himmel und über die weite Erde und dachte an seine Jugendfreunde, die nun, beffer und glücklicher als er, Lehrer der Erde, Väter glücklicher Kinder und gesegneter Menschen waren, und er fagte: , ich könnte auch, wie ihr, diese erste Nacht des Jahre mit trockenen Augen verschlummern, wenn ich gewollt

hätte! Ach, ich hätte glücklich sein können, ihr theuren Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte!

In seinem reuevollen Andenken an seine Jünglingszeit kam es ihm vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Todtenhause auf, endlich wurde sie in seiner Einbildung zu einem lebendigen Jüngling und seine vorige blühende Gestalt wurde ihm bitter vorgegaukelt.

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Er konnte es nicht mehr sehen, er verhüllte das Auge, tausend heiße Thränen strömten versiegend in den Schnee, er seufzte nur noch leise, trostlos und sinnlos: Komm nur wies der, Jugend, komm wieder!

-Und sie kam wieder; denn er hatte nur in der Neujahrsnacht so fürchterlich geträumt;-er war noch ein Jüngs ling. Nur seine Verirrungen waren nicht bloß Traum gewesen. Aber er dankte Gott, daß er noch jung war, und vor den schmutzigen Gängen des Lasters umkehren und sich auf die Sonnenbahn zurückbegeben konnte, die ins reine Land der ewigen Aernten führt.

Kehre mit ihm um, junger Leser, wenn du auf seinen Irrwegen stehst. Dieser schreckende Traum wird fünftig dein Richter werden! Aber wenn du einst jammervoll rufen würs dest: Komm wieder, schöne Jugend! — sie würde nicht wiederkommen.

Anzusehen: Hiob 33, 15. 2.

122. Hamlet's Monolog.

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. Ob's edler, im Gemüth_die_Pfeil und Schleudern des wüthenden Geschicks erkulden? oder sich waffnend gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sie enden? Sterben schlafen— nichts weiter! und zu wissen, daß ein Schlaf das Herzweh und die tausend Stöße endet, die unsers Fleisches Erbtheil sind! 's ist ein Ziel, aufs innigste zu wünschen, sterben, schlafen schlafen! Vielleicht auch träumen? Ja, da liegts; was in dem Schlaf für Träume kommen mögen, wenn wir den Drang des Ird'schen abgeschüttelt? Das zwingt uns still zu stehn. Das ist die Rücksicht, die Elend läßt zu hohen Jahren kommen. Denn wer ertrüge sonst der Zeiten Spott und Geißel, des Mächt'gen Druck, des Stolzen Mißhandlungen, verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub, den Uebermuth der Aemter

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