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muß nur fleißig Acht geben, Herr Till, wie es die Narren machen.

Was wie es die Narren machen?

Ja, Herr Till! und muß es denn anders machen wie die.
Als zum Erempel? -

Als zum Erempel, Herr Till: So lebte hier in meiner Jugend ein alter Arithmeticus, ein dürres, grämliches Männchen, Herr Veit mit Namen. Der ging immer herum und

murmelte vor sich selbst, in seinem Leben sprach er mit keinem Menschen. Und Einem in's Gesicht sehen, das that er noch weniger; immer guckt' er finster in sich hinein. Wie meint Er nun wol, Herr Till, daß die Leute den hießen?

Wie? -Einen tiefsinnigen Kopf.

Ja, es hat sich wol! Einen Narren! Hui! dacht ich da bei mir selbst denn der Titel stand mir nicht an wie der Herr Veit muß mans nicht machen. Das ist nicht fein. In sich selbst hineinsehen, das taugt nicht; sieh du den Leuten dreist in's Gesicht! Oder gar mit sich selbst sprechen, pfui! Sprich du lieber mit Andern! Nun, was dünkt Ihn, Herr Till? Hatt' ich da Recht?

Ei jawohl! Allerdings!

Aber ich weiß nicht. So ganz doch wol nicht. Denn da lief noch ein Andrer herum, das war der Tanzmeister, Herr Flink. Der guckte aller Welt in's Gesicht und plaus derte mit Allem, was nur ein Ohr hatte, die Reihe herum. Und den, Herr Till wie meint Er wol, daß die Leute den wieder hießen?

Einen luftigen Kopf?

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Beinahe! Sie hießen ihn auch einen Narren. - Hui, dacht' ich da wieder, das ist doch drollig! Wie mußt du's denn machen, um klug zu heißen? Weder ganz wie der Herr Veit, noch ganz wie der Herr Flink. Erst siehst du den Leuten hübsch dreist ins Gesicht wie der eine, und dann siehst du hübsch bedächtig in dich hinein wie der andre. Erst sprichst du laut mit den Leuten wie der Herr Flink, und dann insgeheim mit dir selbst wie der Herr Veit. Sieht Er, Herr Till. So hab ichs gemacht, und das ist das ganze Geheimniß.

Ein andermal besuchte ihn ein junger Kaufmann, Herr Flau, der gar sehr über sein Unglück klagte. Ei was! fing der alte Witt an und schüttelte ihn, Er muß das Glück nur suchen, Herr Flau, Er muß darnach aus sein.

Das bin ich ja lange, aber was hilfts? Immer kommt ein Streich über den andern! Künftig leg' ich die Hände lieber gar in den Schooß und bleibe zu Hause.

Ach nicht doch! nicht doch, Herr Flau! Gehn muß Er immer darnach, aber sich nur hübsch in Acht nehmen, wie Er's Gesicht trägt.

Was? Wie ich's Gesicht trage?

Ja, Herr Flau! Wie Er's Gesicht trägt. Ich will's Ihm erklären. Als da mein Nachbar zur Linken sein Haus baute, so lag einst die ganze Straße voll Balfen und Steine und Sparren, und da kam unser Bürgermeister gegangen, Herr Trick, damals noch ein blutjunger Rathsherr, der rannte mit von sich geworfnen Armen ins Gelag hinein und hielt den Nacken so steif, daß die Nase mit den Wolken so ziemlich gleich war. Plump! lag er da, brach ein Bein und hinft noch heutiges Tages davon. Was will ich nun damit sagen, lieber Herr Flau?

Ei, die alte Lehre! Du sollst die Nase nicht allzuhoch tragen.

Denn

Ja, sieht Er? Aber auch nicht allzu niedrig. nicht lange darnach kam noch ein Anderer gegangen, das war der Stadtpoet, Herr Schall; der mußte entweder Verse oder Haussorgen im Kopfe haben, denn er schlich ganz trübsinnig einher und guckte in den Erdboden, als ob er hineinfinken wollte. Krach! riß ein Seil, der Balken herunter und wie der Blitz vor ihm nieder. Vor Schrecken fiel der arme Teufel in Ohnmacht, ward krank und mußte ganze Wochen lang aushalten. Merkt Er nun wol, was ich meine, Herr Flau, wie man's Gesicht tragen muß?

Sie meinen, so hübsch in der Mitte.

Ja freilich! daß man weder zu keck in die Wolken, noch zu scheu in den Erdboden sieht. Wenn man so die Augen fein ruhig nach oben und unten und nach beiden Seiten umher wirft, so kommt man in der Welt schon vorwärts, und mit dem Unglück hat's so leicht Nichts zu sagen.

Noch ein andermal besuchte den Herrn Witt ein junger Anfänger, Herr Wills, der wollte zu einer kleinen Speculation Geld von ihm borgen. Viel, fing er an, wird dabei nicht herauskommen, das seh' ich vorher; aber es rennt mir so von selbst in die Hände, da will ich's doch mitnehmen.

Dieser Ton stand dem Herrn Witt gar nicht an.

Und wie viel meint Er denn wol, lieber Herr Wills, daß Er braucht?

Ach nicht viel! Eine Kleinigkeit! Ein hundert Thälerchen etwa.

Wenn's nicht mehr ist, die will ich Ihm geben. Recht gern! Und damit Er sieht, daß ich Ihm gut bin, so will ich Ihm obendrein noch etwas Anders geben, das unter Brüdern seine tausend Reichsthaler werth ist. Er kann reich damit werden.

Aber wie, lieber Herr Witt? Obendrein?

Ich

Es ist Nichts. Es ist ein bloßes Histörchen. hatte hier in meiner Jugend einen Weinhändler zum Nachbar, ein gar drolliges Männchen, Herr Grell mit Namen, der hatte sich eine einzige Redensart angewöhnt, die bracht' ihn zum Thore hinaus.

Ei, das wäre! Die hieß?

Wenn man ihn manchmal fragte: Wie stehts, Herr Grell? Was haben Sie bei dem Handel gewonnen? Eine Kleinigkeit, fing er an. Ein funfzig Thälerchen etwa. Was will das machen? Oder wenn man ihn anredete: Nun, Herr Grell? Sie haben ja auch bei dem Bankerotte verloren? Ach was! sagte er wieder. Es ist der Rede nicht werth. Eine Kleinigkeit von ein Hunderter fünfe. Er saß in schönen Umständen, der Mann, aber wie gesagt, die einzige vers dammte Redensart hob ihn glatt aus dem Sattel. Er mußte zum Thore damit hinaus. Wie viel war es doch, Herr Wills, das Er wollte?

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ich bat um hundert Reichsthaler, lieber Herr

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Ja recht! Mein Gedächtniß verläßt mich. Aber ich hatte da noch einen andern Nachbar, das war der Kornhändler, Herr Tomm, der baute von einer andern Redensart das ganze große Haus auf mit Hintergebäude und Waarenlager. Was dünkt Ihn dazu?

hieß?

Ei, ums Himmels willen! Die möcht' ich wissen. Die

Wenn man ihn manchmal fragte: Wie steht's, Herr Tomm? Was haben Sie bei dem Handel verdient? Ach viel Geld! fing er án, viel Geld! und da sah man, wie ihm das Herz im Leibe lachte ganzer hundert Reichsthas Ier! Öder wenn man ihn anredete: Was ist Ihnen?

Warum so mürrisch, Herr Tomm? Ach! sagte er wieder, ich habe viel Geld verloren, viel Geld. Ganzer funfzig Reichsthaler! Er hatte klein angefangen, der Mann, aber wie gesagt, das ganze große Haus baute er auf mit Hintergebäude und Waarenlager.- Nun, Herr Wills? Welche Redensart gefällt Ihm nun besser?

Ei, das versteht sich, die leßte!

Aber so ganz war er mir doch nicht recht, der Herr Tomm. Denn er sagte auch: viel Geld! wenn er den Armen oder der Obrigkeit gab, und da hätt' er immer sprechen mögen wie der Herr Grell, mein anderer Nachbar. Ich, Herr Wills, der ich zwischen den beiden Redensarten mitten inne wohnte, ich habe mir beide gemerkt, und da sprech' ich nun, nach Zeit und Gelegenheit, bald wie der Herr Grell und bald wie der Herr Comm.

Nein, bei meiner Seele! Ich halt's mit Herrn Lomm. Das Haus und das Waarenlager gefällt mir.

Er wollte also?

Viel Geld! viel Geld, lieber Herr Witt! Ganzer hundert Reichthaler!

Sieht Er, Herr Wills? Er wird schon werden. Das war ganz recht. Wenn man von einem Freunde borgt, so muß man sprechen wie der Herr Comm, und wenn man einem Freunde aus der Noth hilft, so muß man sprechen wie der Herr Grell.

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Schäße nicht das Eilende über das Weilende! Seße nicht das Nichtige über das Wichtige! Was du hast wär' überschwenglich, wär' es nicht vergänglich; deine Rast wär' ein Behagen, erwachtest du nicht zu Klagen; dein Pallast wär' ein festes Thor, stünde nicht pochend der Tod davor. Halte dich nicht geborgen, denke heut' an dein Morgen. Wär' alles Wahre klar und alles Klare wahr, hätt' Zrren nie Gefahr. 134. Was Alles seit ein funfzig Jahren in Gebräuchen und Sitten anders geworden ist.

Die Sonne stand doch einmal beinah einen ganzen Tag still zu Gibeon und der Mond im Thal Ajalon, aber die Sitte ist beständig im Gange und der Brauch hält sich nir

gends mehr auf. Sie sollten eigentlich beide ihren Namen ablegen, weil sie so unstät sind. Die Sitte seßt sich nimmer und der Brauch jagt sich selbst immer, also daß man schwerlich sagen kann, das ist Brauch und Sitte, sondern ein hundert, ein funfzig Jahr zurückblickend: das war Brauch und Sitte. Leser, lies, was vor ein funfzig Jahren Brauch und Sitte war. Freilich, das läßt sich nur schreiben von hie und da, denn Niemand kennt unser Land von einem Ende bis zum andern, darum muß aller Orten die Jugend das Alter fragen, wie in der Gegend und in dem Kirchspiel es gewesen sei. Eben so macht auch, was folget, gar keinen Anspruch darauf, nur in einem einzigen Kirchspiel Alles zu umfassen, was unter diese Namen gehört; es will nur als eine Probe gelten und als Anreiz zur Vervollständigung.

Fangen wir damit an, wie man bauete und wohnte. Vor ein funfzig Jahren wurden noch viele Häuser in TageJohn gebauet, Verding an den Mindestfordernden war selten, fast nur bei Commünebauten. Also wäre doch ehemals wol mehr Treu und Glauben unter den Menschen gewesen und ein ehrenwertherer Fleiß bei den Handwerkern? Wers konnte, nahm sehr gern Wände von Backsteinen und die Lehmwände machten sich seltener, so machten sich auch die Brandmauern immer häufiger, besonders in Gegenden, wo man das Holz nicht nahe bei hatte. Von lauter Eichenholz, wie die Leden, Ständer, so auch die Balken und Sparren, wie man vor Alters und noch hin und wieder stehende Häuser gebauet hat, wird wol nirgends mehr gebauet. Möchte nur allemal das Föhrenholz von angemessener Dicke sein und für einen öffentlichen Betrug es gehalten werden und für ein höhnisch Beispiel aller Orten, wenn Jemand von Zaunstaken und Schwefelsticken ein Haus bauet, will sagen: Sparren zu Balken macht und Latten zu Sparren. Sonderbar erscheint es, daß weder die Schornsteine die Schwibbögen, noch die Schwibbögen die Schornsteine verdrängen; beide halten ziem lich genau ihr altes Gebiet inne und Jeder sagt: Ich sichre mehr vor Feuersgefahr. Der Schornstein will aber auch eine Küche haben, die der Schwibbogen nicht begehrt. Die älteste Nachricht von Schornsteinen ist nach Beckmann Geschichte der Erfindungen Bd. 2, N. 3. aus dem Jahr 1347. Die Küchen haben sich wenig gemehret, dagegen die Keller werden in großen Häusern auf dem Lande, mit Inbegriff der

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