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verliehen wird, und so mag er sich auch sein Dasein erleichtern, schüßen, zieren und ausschmücken, soweit dieses Dichten und Trachten nur nicht der höchsten Bestimmung des Lebens selbst hinderlich wird. Innerhalb des rechten Maßes aber wird es derselben vielmehr förderlich. Denn wüßte der Mensch auf keine Weise sich das Leben zu erleichtern, hätte er nur sich abzuquälen und zu kämpfen mit Hunger, Durst, Kälte, wie sollte er, von Noth und Elend niedergedrückt, auch nur die Ruhe des Feierabends und des Feiertages gewinnen, um Hand und Herz zu Gott zu erheben? Also, damit er den Feiertag heiligen könne, schon darum muß er die Geschicklichkeiten und Künste lernen, die zur Erleichterung und Bequemlichkeit des Lebens dienen, zunächst und eigentlich aber dazu, die Bedürfnisse des Lebens zu gewinnen.

Wir nennen diese Künste die dienenden, Handwerkskünste oder Gewerbe. Auch diese Künste sind zwar noch nicht die Kunst selbst im höchsten oder eigentlichen Sinne; auch denkt jeder, der eine solche nützliche Kunst (Gewerbe) treibt, dabei wol insgemein zunächst nur an seinen eignen Gewinn und Vortheil; aber deffenungeachtet haben auch sie ihren Werth und ihre Ehre, und zwar eine sehr große Ehre, die jeder fühlt, der etwas auf seinen Stand hält: die Standeschre. Wären nicht besondere Stände und Gewerbe, dergleichen vornehmlich in Städten zunftmäßig gelernt und betrieben werden, gäbe es nicht Schuhmacher, Schneider, Tischler, Zimmerleute, Maurer, Schiffbauer u. s. w., die für Andere arbeiten, so würde jeder Hausvater selbst Schuhmacher, Schneider, Tischler u. s. f. sein müssen, um alle diese nothwendigen Bedürfnisse für sich und seine Familie zu befriedigen. Aber was würde daraus entstehen? Keiner würde es in irgend einem Fache zu einiger Fertigkeit bringen, die Arbeit würde so schlecht ausfallen, wie wir sie nur immer in der Hütte eines Wilden antreffen, und es würde sich bald zeigen, daß nur durch jene Theilung der Arbeit unter verschiedene Stände der gebildete und gesittete Zustand möglich wird, den wir unser bürgerliches Leben nennen. Zwar nennt man wol zuweilen diesen Zustand auch einen erfünstelten, unnatürlichen, und seht ihn einem Naturzustande entgegen, wo die Menschen wie im Paradiese sorglos und mühelos ihre Lage verleben; aber bei genauerer Betrachtung wird man bald gewahr, daß unser bürgerliches Zusammenleben im Staate troß aller Opfer, Uebel und Beschwerden, die es

mit sich bringt, doch besser ist als jenes eingebildete Schäferleben, welches in Wahrheit doch weiter nichts sein könnte, als der Zus stand der Rohheit und Wildheit, wie bei den Horden, die in den Urwäldern Amerikas umherstreifen.

Aber auch noch von einer andern Seite angesehen zeigen sich die gewerblichen Künste in ihrer heilsamen Wichtigkeit. Indem nämlich die verschiedenen Arbeiten unter verschiedene Staatsbürger getheilt sind, verfertigt jeder, was der andere bedarf, und jeder bedarf, was die andern verfertigen; so bedürfen sich die Menschen unter einander selbst und fühlen es auch, wie sehr sie alle sich gegenseitig nöthig haben. Dieses Gefühl der Verbindung, wenn es auch nur äußerliche Lebensbedürfnisse betrifft, macht die Menschen doch darauf aufmerksam, wie sie nach Gottes Willen auch innerlich in Liebe und Eintracht verknüpft sein sollen, und sie lernen bedenken, daß jeder, der einzeln steht, oder sich menschenfeindlich und unchristlich absondert, alsbald an Leib und Seele verkümmern und verderben muß, so daß es höchst thöricht wäre, wenn einer übermüthig und selbstsüchtig seine Ehre darin sehen wollte, daß er seiner Brüder und Mitbürger gar nicht bedürfe, ihnen gar Nichts schuldig sei, und ihnen auch Nichts wieder zu gewähren habe. Der Ursprung dieser verkehrten und thörichten Meinung von Ehre ist aber nicht schwer zu entdecken, er liegt in der Lieblosigkeit und Selbstsucht des menschlichen Herzens. Die bürgerliche Gesellschaft und die Einrichtung des Staates, der nicht ohne die Handwerkskünste bestehen kann, und diese Künste selbst wirken jener Lieblosigkeit entgegen, lassen sie nicht allgemein werden, und darauf beruht hauptsächlich die Ehre des Standes, daß Jeder weiß, er schaffe etwas Nothwendiges für Alle, und alle Andern für ihn; was denn auch jeder Gewerbsmann, der auf die Ehre seines Standes hält, wohl beherzigen mag, damit er nicht im Eifer für seine Kunst die übrigen verachte, sondern begreife, daß jeder Andere ohne Unterschied auch dasselbe von der seinigen sagen kann und soll.

Das sind die sogenannten Handwerkskünste und ihre Ehre. Aber wenn von Kunst geredet wird, so denkt man dabei ges wöhnlich noch an etwas ganz Anderes, etwa an Malerei, Musik, Dichtkunst, Schauspiel und dergleichen, also nicht an etwas Nothwendiges, sondern nur Angenehmes. Man hat dann die sogenannten schönen Künste im Sinn, die man auch freie Künste nennt, weil sie in der Regel nicht an einen Zunftzwang gebunden sind, wie die Handwerke. Auch giebt es wol meh

rere Künste, die zwischen dem bloß Nüßlichen oder Nothwendis gen und dem Angenehmen mitten inne stehen, so daß es schwer zu entscheiden ist, ob man sie zu dieser oder jener Klasse rechnen foll, z. B. die Schreibkunst oder die Baukunst, die als bürgerliche Baukunst den zunftmäßigen Künsten näher steht, als Architectur aber im großen Styl zu den freien Künsten gehört.

Diese sogenannten schönen Künste unterscheiden sich von den vorigen in vielen Stücken, vornehmlich aber durch den Zweck, den sie haben. Wenn jene Künste darauf gerichtet waren, die Lebensbedürfnisse herbeizuschaffen und diese Herbeischaffung selbst zu erleichtern, so sind diese dagegen eigentlich ganz und gar nicht auf ein nothwendiges Lebensmittel berechnet, sondern von dieser Seite erwogen würden sie vielmehr nur ein Lurus, und bloß zum Vergnügen des Menschen für müssige Stunden da zu sein scheinen. Dessenungeachtet sind sie doch nichts weniger als überflüssig in der Welt, denn gleichwie dieses Leben selbst nicht der höchste Endzweck des Menschen ist, so sind auch die Lebensbedürfnisse nicht das Höchste, sondern es giebt ein höheres Ziel, und dahin zielen auch diese Künste, welche die geistige Bestimmung und Bildung des Menschen befördern. Dieß beweist schon ihr Ursprung, der sich aus der Zeit des grauen Alterthumes herschreibt. Nicht etwa von der Noth wurden die Menschen zur Erfindung der schönen Künste getrieben, auch nicht bloß von der langen Weile und der Vergnügungssucht, wie es uns heut zu Tage wol leicht bedünken könnte. Die Geschichte lehrt vielmehr, daß alle diese Künste, die jeßt freilich nur noch ein Mittel der Unterhaltung und des feineren Lebensgenusses für die Meisten sind, ursprünglich — man sollte es kaum glauben aus der Religion und dem Götterdienste — versteht sich, des Heidenthums - hervorgegangen sind, und daß selbst die christliche Kirche, namentlich die katholische, im Mit telalter Vieles zu ihrer Ausbildung beigetragen hat. Im Heidenthum aber, namentlich bei den alten Griechen, waren die schönen Künste recht eigentlich die Hauptsache des Gottesdien stes; sie dienten nicht bloß, wie bei uns etwa eine Kirchenmusik oder das Orgelspiel, dazu, die Gemeinde in eine feierliche Stimmung zu versehen, sondern die gottesdienstlichen Gebräuche bestanden selbst größtentheils aus kunstvoll angeordneten Schaugeprängen, Schauspielen, Länzen, Musik u. s. w., weßhalb denn auch wiederum diese Künste selbst, z. B. das Spiel und die Einrichtung ihrer musikalischen Instrumente an feste, gottes

dienstliche Vorschriften gebunden waren und gar nicht so willfürlich verändert werden durften, wie bei uns.

Alles dieß hatte seinen Grund darin, daß sich jene alten Heiden die Gottheit ganz anders dachten als wir. Ihre Götter bedeuteten eigentlich nur die Kräfte und Mächte der uns umgebenden sichtbaren Natur, durch welche dieses unser leibliches Leben sowohl erhalten als auch bedroht wird. In der Stimmung eines ungewöhnlich erhöhten Lebensgefühls glaubten sie daher auch den Gott unmittelbar selbst in ihrer Brust zu fühlen, im Donner ihn zu hören, im Wehen der Lüfte zu empfinden, in der rieselnden Quelle zu vernehmen. Dieses Lebensgefühl auszusprechen und auf allerlei Weise darzustellen war ihnen Bedürfniß, und darin liegt eigentlich der Ursprung der schönen Künste, in welchen sich der Frohsinn des Lebens und das religiöse Bedürfniß auf eine Weise verschmolzen, wie wir uns jet freilich kaum mehr deutlich denken können, nachdem diese Künste zugleich mit ihren Göttern und Religionen von ihrer anfäng= lichen Würde entsetzt worden sind. Sie sind nicht verschwunden, aber sie haben sich verweltlicht, unter das Volk, in das tägliche Leben gemischt, denn dem Leben gehören sie ja ursprünglich an. Sie verschönern das Leben und erwecken auch das Gefühl seiner höhern Bedeutung, seines göttlichen Ursprungs; weiter aber begleiten sie unsere Andacht nicht, die sich alsbald über dieses ganze Gebiet der Sinnlichkeit emporhebt in das übersinnliche und jedweder Kunst unzugängliche Reich der reinen Gedanken an Gott, oder der Gefühle, die für jede Kunst unaussprechlich sind. Denn „die Gott anbeten, sollen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten." Die Kunst aber vermag nicht den Geist unmittelbar, wie er ist, darzustellen, sondern nur solches, was sichtbar und hörbar ist, in die Sinne fällt und mit einem sinnlichen Körper ausgestattet ist, wie der Mensch. Von solchem Sinnenfälligen sagt man: es erscheint, und von Scheinen ist die Schönheit benannt. Alle Künste haben es daher mit einem oder mehreren der fünf Sinne zu thun; jene dienenden Künste mit der Befriedigung der sogenannten drei niedern Sinne, des Geschmacks, Geruchs und Gefühls, wie es z. B. das Geschäft der Kochkunst ist, für den Gaumen zu sorgen, und die Künste der Bekleidung das Gefühl vor Frost und Hiße bewahren. Die schönen Künste dagegen stehen im Dienste der beiden sogenannten höheren Sinne, des Gehörs und des Gesichts, die einen näheren Zusammenhang mit dem

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vernünftigen Geiste haben, als jene niederen. Dessenungeachtet können sie nur das Sinnliche und Körperliche darstellen, das Geistige nur in so fern, als es sich in körperliche Stoffe einhüllen läßt; auch bedürfen sie deßhalb stets der irdischen Materie, wie die Musik der Luft, die Malerei des Lichts und der Farben, um ihre Werke darin darzustellen. Was also seiner Natur nach nicht körperlich, luftig, farbig u. s. f. und mit gar keinem Körper verbunden ist, das kann auch die Kunst nicht darstellen.

Allein wiederum ist nicht alles und jedes Körperliche, Sichts bare und Hörbare darum auch schön und ein Gegenstand der Kunst, und die Kunst ist nicht schlechthin nur eine Nachahmung der Natur, so daß der Künstler seine Sache dann am beßten machte, wenn er die natürlichen Gegenstände zum Verwechseln getreu und täuschend nachbildete, wie es z. B. mit manchen Wachsfiguren wol gelingt. Dazu gehört wol eine besondere Fertigkeit und Beobachtungsgabe, aber dennoch sind solche Werke noch nicht eigentlich schöne Kunstwerke zu nennen. So kann es wol einem Porträtmaler gelingen, ein Gesicht so ähnlich wiederzugeben, daß man wie man sagt - fast erschrickt; aber darin besteht doch die Kunst nicht allein, ja diese Treue ist nicht einmal die Hauptsache. Das Kunstwerk soll auch schön sein. Worin aber eigentlich die Schönheit bestehe und welche besondere Beschaffenheit des Körperlichen sie sei, das läßt sich freilich viel leichter fühlen als sagen. Insgemein nennt man alles schön, was uns gefällt. Aber dem Einen gefällt das, dem Andern jenes, und wollte man bei dem verschiedenen Geschmack der Menschen herumfragen, was schön sei, so würde man zu gar keinem bestimmten Begriff kommen. Was schön sei, und so genannt zu werden verdiene, wenn es auch dem und jenem nicht gefällt, das läßt sich wol am beßten ungefähr auf diese Weise erklären: denke man sich einmal einen Jüngling, oder eine Rose oder ein Pferd, das ganz und gar so wäre, wie es sein soll, dem also gar nichts zu seiner Vollkommenheit fehlte, und das gar nichts an sich hätte, was es nicht haben soll. Sieht man nun in der Welt umher, und vergleicht die wirklichen Personen, Rosen, Pferde, wie sie angetroffen werden, mit jenem Gedankenbilde, so wird man finden, daß an allen immer noch etwas auszusehen ist, was nicht ganz so ist wie es sein soll. Wenn der allmächtige Schöpfer für alle Dinge, die er schaffen wollte, feine Gedanken hatte, so werden mit diesen göttlichen Gedanken

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