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Wie sehr ich ihm den Schutz, den Cyrus mir erwiesen
Und das beschützte Recht der Unschuld angepriesen.
Dies, dies hat ihn erhißt, und ihn so kühn gemacht,
Daß er aus Dankbarkeit den nahen Tod verlacht.
Daß er dem besten Fürst mit seinem eignen Leben
Für seine Panthea das Lösegeld gegeben.

Du, auch im Grabe noch mir ewig theurer Freund,
Vergieb der Zärtlichkeit, die unsre Brust vereint,

Wenn sie dir, (wüsst ein Mensch den Ausgang aller Thaten!)
Mit kühnem Eifer selbst den Weg zum Grab gerathen.
Der Tugend reger Trieb hat kein verschloßnes Ohr,
Er wacht, und seine Pflicht kömt jedem Rath zuvor.
Ja, Cyrus, Abradat hat dir gesucht zu dienen;
Sein Leben hat ihm nicht des Schonens werth geschienen.
Sein Grab, verhaßtes Wort, bey dem mein Herze bricht,
Sein Grab umschließet ihn: und mich umschließt es nicht?
Unglückliche! du lebst, da Abradat erblasset?

Wie. hat der Götter Grimm so grausam noch gehasset?
O Schmerzen!

Cyrus.

Panthea, auch mein verschloßner Mund,

Und diese Zähren thun dir meinen Jammer kund.
Dir muß (wie theuer kommt uns diese Schlacht zu stehen!)
Der beste Mann, und mir, der beste Freund entgehen.
Nimm, Panthea, zum Schmuck für seine Grabesstatt,
Die Schätze, die Gadat mir heut geschenket hat.
Ich werde seine Gruft noch mehr zu zieren wissen:
Ein herrlich Grabmal soll den theuren Leib umschließen.
Es sey das Theil des Reichs, wo Abradates ruht,
Vor andern ausgeschmückt, und ehre seinen Muth.
Du, Fürstin, darfst indeß dich nicht ganz trostlos quälen,
Ich schätze noch in dir die Hoheit seiner Seelen.
Der keuschen Tugend Macht, die deine Brust belebt,
Ist stets ein reizend Bild, das mir vor Augen schwebt.
Man wird in kurzer Zeit die Beute mit dir theilen,
Und willst du dann nicht mehr bey meinem Heer verweilen:
So wähle einen Ort und zeige mir ihn an;

Dir geb' ich eine Schaar, die dich begleiten kann.
Und kann zu deinem Dienst noch etwas mehr geschehen,

Dein Wort ist mir genug, du sollst mich dankbar sehen.

Panthea.

Mein Fürst, behalte stets den besten Freund so lieb,
Der auf der Tugend Wink ein Raub des Todes blieb.
Die Zuflucht, wo ich mich entschließe hinzuwenden,
Erfährst du heute noch, eh sich der Tag wird enden.

(Panthea geht ab.)1

Beispiel 2.

Neununddreißigster Brief. (Briefe Th. I. S. 103.)

An ihren Freund und nachherigen Ehegatten.

Danzig den 5. Junius 1734.

Mein einziger Freund,

Wo soll ich anfangen, Ihnen beym Abgang der ersten Post, die man für sicher hält, alles das zu erzählen, was mir seit dem 16. April begegnet ist? Allen Verluß, den ich erlitten, und allen Schmerz, den ich darüber empfinde? Meine beste Mutter ist nicht mehr. Die Führerin meiner Jugend, die Mutter, die mir jederzeit mehr mit der Zärtlichkeit einer vertrauten Freundin, als mit der Strenge einer so nahen Blutsverwandtin begegnete, die habe ich verloren, und mit ihr alles, alles, was mir die jetzigen Umstände erträglich machen könnte. Beklagen Sie mich, mein bester Freund; theilen Sie meinen Schmerz mit mir; helfen Sie mir die beste Mutter betrauren, die Ihnen ihren Segen zurück gelassen! Auf diese Weise werde ich einige Linderung finden, die ich bisher vergebens gesucht habe.

Ich will Ihnen die letzten Tage der Verstorbenen erzählen, denn in ihren letzten Stunden bin ich selbst am Rande des Grabes gewesen. Es hätte nicht viel gefehlt, so hätten Sie auch mich, und in mir Ihre treuste Freundin verloren. Den Anfang der Krankheiten in unserm Hause machte ich und meine Schwester. Es befielen uns die Masern, die den ganzen Winter in Danzig gewüthet hatten. Ich bekam noch ein heftiges Fieber und einen starken Ausschlag, so daß mein Leben einige Tage in Gefahr war. Es besserte sich gegen den ersten May. Wir erhielten diesen Tag

1. Nachdem Cyrus noch Abradates Andenken ehrt, kommt Nicothris, Tochter des zu Cyrus übergegangenen Fürsten Gebrias, mit einem blutenden Dolche und erzählt, wie Panthea sich selbst ermordet auf die Leiche des Gemahls, dessen Ted aber das Werk eines Mörders gewesen sei. Da bekennt Arasyes die That, ermor det sich aber mit Pantheas Dolch, Cyrus will aber auch „an dem Todten nicht des Lebens Bosheit schonen.“

die Nachricht, daß der Generalfeldmarschall Münnich grobes Geschütz er halten, und die Stadt bombardiren würde. Es war nicht rathsam in unserm Hause zu bleiben, und mein Better suchte uns irgendswo in Sicherheit zu bringen. Er erfuhr, daß der Graf Münnich dem hier residiren den Holländischen Commissarius, Hen v. Bleyswick, hatte sagen lassen, die Holländischen Schiffe sollten sich alle an einem Ort versammlen, daß er sie verschonen könnte. Diese nun hatten sich an die Brabank geleget. Mein Vetter, der einen Schiffer daselbst kannte, besprach sogleich ein Zim mer für uns, und, bat, uns nicht lange zu verweilen. Meine Mutter, die nunmehro bettlägerig war, befand sich nicht im Stande, sich auf den Weg zu ihrer Sicherheit zu begeben, sie verlangte, daß wir vorausgehen sollten. Den andern Tag wurde sie in einer Sänfte nachgebracht, und ihr Zustand verschlimmerte sich jede Stunde. Den folgenden Morgen verkündigte sie mir ihren nahen Tod, nahm Abschied von mir, und diese rührende Scene machte meinen noch ohnedem entfräfteten Körper vollends mürbe. Und ach Gott! was empfand meine Seele? Sie wurde von Gram und Schmerz ganz zu Boden geschlagen, und meine Thränen matteten mich so ab, daß ich wieder das Bette hüten muste.

Den 10. May gefiel es Gott, diese meine ewig geliebte Mutter alles Leidens zu befreyen, und ihr in jenem Leben die Crone zu ertheilen, wor nach sie hier so sehnlich gerungen hat. Ihre letzten Augenblicke sollen, wie man mir berichtet, ruhig, und ihr Tod sanst gewesen seyn. Ich sage, wie man mir berichtet; denn die zwey leßten Tage ihres Lebens war ich mir selbst ganz unbewust. In den Stunden, da meine Krankheit aufs höchste gestiegen war, und so zu sagen, Tod und Leben mit einander kämpften, war ich mit lauter Sterbensgedanken beschäftiget. Ich lag, und erwartete meine Auflösung im Stillen. In diesen Augenblicken fielen Sie, mein bester Freund, mir ein, und mein Herz wurde bey dieser Erinnerung noch beklemmter. Ich bat Gott sehnlich und mit Thränen, er möchte Jh nen wieder eine Braut zuführen, welche, wo es möglich, Sie so zärtlich liebte als ich, und alle Glücksgüter besäße, die Sie verdienen, und mir mangeln. Ich erinnerte mich unter meinen wenigen Juwelen eines Ringes, den ich Ihnen, zum Andenken unserer reinen Liebe, übersandt wissen wollte. Dieses unterbrach mein Stillschweigen. Ich rief meinen Bruder, gab ihm diesen Auftrag als die lehte Bitte einer sterbenden Schwester, und nahm von den Anwesenden Abschied. Alle waren bestürzt, und in dieser Bestürzung ließ man mir noch eine Ader öffnen. Dieser Aderlaß that die schleunigste Wirkung, meine Seitenstiche verschwanden, und ließen. mir nur eine unbeschreibliche Mattigkeit zurück. Ich erwartete immer noch den Tod, und wünschte von meiner geliebten Mutter auch im Sterben nicht getrennt zu seyn, aber jetzt mußte ich diese Trennung erfahren. Mein blutendes Herz seufzte mit leiser Stimme, was ich sonst so oft freudig ausge

rufen hatte: Herr, dein Wille geschehe! Aber bald wird dieses Herz sich unter die Hand des Allmächtigen beugen, und dadurch die Ruhe finden, die ich bisher verloren gehabt. Das ganze Haus fömt mir als eine Wüste vor, weil ich diejenige nicht mehr finde, die ich darinnen über alles schäßte.

Der Abschied dieser sterbenden Mutter wird sich nie aus meinem Gedächtniß verlieren. Noch jetzt fließen Zähren, gerechte Zähren, die ich ihrem Andenken weyhe. Sie rief mich zwen Tage vor ihrem Ende zu sich; „Mein Kind, sagte sie: ich gehe zum Vater; Gute Nacht! aber nicht auf ,,ewig. Dort wollen wir uns wiedersehen, und dann soll unsre Vereinigung ,,ungetrennt und vollkommen seyn. Ich lasse dich in einer Welt, darinnen ,,die Gottlosigkeit aufs höchste gestiegen, und ich danke Gott, daß er mich ,,dir bis jetzt erhalten, da du hoffentlich das Böse von dem Guten zu un,,terscheiden weißt. Hasse das erste und hange dem letzten an, weiche nie ,,von der Bahn der Tugend. Treue Arbeit bringt herrlichen Lohn. Lebe ,,wohl, mein Kind! Sey getreu, Gott und deinem Geliebten! Liebe ,,Gott über alles und zuerst deinen Freund als dich selbst, so wird er euch ,,segnen. Gott bringe euch bald zusammen und sey euch gnädig. Ich ,,habe das Vertrauen zu deinem Freunde, er werde dich künftig so weis,,lich und liebreich führen, als er dein Herz mit Klugheit und Redlichkeit · „gelenket hat. Ich freue mich, ihm noch, ehe ich sterbe, meinen Segen ,,und meine Einwilligung ertheilt zu haben. Vergiß mein nicht, mein „Kind! so lange du lebest, und verlaß Gott und die Tugend nimmermehr.“ Hierauf ertheilte sie mir den Segen, und noch einige Befehle, die ich nach ihrem Tode ausrichten sollte. In Thränen fast zerfließend verließ ich ihr Bette, und habe diese rechtschaffene Mutter nicht mehr gesehen.

Nur die Hoffnung in Ihnen den redlichsten, besten, treusten Freund zu besitzen, kann mich einigermaßen über meinen Verlust trösten. Unter den schmerzlichsten Empfindungen ist mein Brief länger gerathen als ich gedacht. Ich habe unter diesen Klagen meinem Herzen Luft geschafft, und ich erfahre den Trost, daß ich einem Freund meinen geheimen Gram entdecken kann. Ich weis, Sie haben Mitleiden mit Ihrer

Beispiel 3.

Zweyhundertundneunzehnter Brief.

An Frau v. R.

Kulmus.

Leipzig den 4. März 1762.

Theuerste Freundin,

Ich muß Ihnen eine traurige Nachricht melden; ich verliere mein Gesicht fast gänzlich. Meine Krankheit fängt sich also eben so an, als

des Professors May seine, Gott gebe, daß sie sich auch so endige; das beißt durch einen baldigen unschmerzhaften Tod. Und wie sehnlich wünsche ich die Stunde meiner Auflösung schlagen zu hören! Fragen Sie nach der Ursach meiner Krankheit? Hier ist sie. Achtundzwanzig Jahre ununterbrochene Arbeit, Gram im Verborgenen und sechs Jahre lang unzählige Thränen sonder Zeugen, die GOtt allein hat fließen sehen; und die mir durch meine eigene und hauptsächlich durch die allgemeine Noth und die erlittenen Kriegsdrangsalen so vieler Unschuldigen ausgepreßt worden.'

Heute wird die von meinem Manne verfertigte Cantate zur Probe aufgeführet, bey welcher ich aber, meiner Unpäslichkeit wegen, nicht erscheinen kann. Allein ich habe dem Churprinzen ein Opfer gebracht, was ich nur Antonien2 und außer diesen beyden keinem andern bringen würde. Ich habe meinen Flügel auf den Concertsaal schaffen lassen, der wird seine Rolle besser spielen als ich.

Wie sehr freue ich mich, daß ich sterblich bin; und dieser Trost macht. mir alles Unangenehme erträglich. Gott lasse mich, da seine Absichten immer gnädig und seiner Weisheit gemäß sind, nur derselben recht würdig werden. Von seiner Hand hoffe ich für mein kurzes Leiden eine ewige Belohnung; diese ist meine christliche Philosophie, wie gerne möchte ich sie allgemein machen!'

Gottsched.

4. Johann Jakob Bodmer. 1698-1783.

Johann Jakob Bodmer, am 19. Julius 1698 zu Greiffensee, einem Dorfe bei Zürich, geboren, war der Sohn eines Predigers und wurde früh in den Wissenschaften unterrichtet. Neben dem alten Testamente und Ovids Metamorphosen war auch der Roman Hercules und Valiska von Bucholz seine Lieblingslecture. Auf dem Gymnasium zu Zürich befestigte er sich in der Kenntniss des Lateinischen und sprach und schrieb es besser als das Deutsche, zu dessen Studium er erst durch Opitzens Werke ge führt wurde. Diesen Dichter gewann er so lieb, daß seine Mitschüler ihn selbst Opitz zu nennen pflegten. Auch das Französische trieb er sehr eifrig,

1. Es fehlt eine Stelle, welche Empfehlungen an die bayerschen Herrschaften enthält. 2. Antonie ist die Churprinzessinn, Kaiser Earls VII. Tochter, Gemahlinn des nachherigen Churfürsten Friedrich Christian († schon 17. Dec. 1763), Mutter der Könige Friedrich August und Anton von Sachsen. war ihr letter eigenhändiger Brief. Am 10. Juni schrieb sie ihrer Freundinn noch einmal durch fremde Hand, am 26. Juni starb sie.

3. Dies

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