Beispiel 4. In einer stillen Nacht. (Tb. I. S. 166.) Ruht sanft, ruht sanft, ihr matte Sorgen! Die Vorsicht hat sich vorbehalten Für unsre Wünsche, unser Sehnen Ich seh euch, Wolken, nun zufrieden, Die Sonne, die den Tag uns nahme, Seht die Natur, nicht nur erhalten ; Seht sie an neuen Welten zimmern ; Sehn wir nicht selbst des Meers Gebiete Was ists? ist alles auch verlohren, Hier ist der Ort, hier finden meine Klagen Ihr leztes, ihr erkornes Ziel. Hier endet sich mit meinen Trauertagen Des Glückes blindes Spiel. Hier hört das Labyrinth von meiner Laufbahn auf. Hier endet sich mit meinen Kräften, Von so viel quälenden Geschäften, Von so viel Sorgen einst der Lauf. Von so viel Wünschen, die dann mit den Sorgen schlafen, Vereint im Arme der Zufriedenheit: So samlen Schiffe sich im angewisnen Hafen, Von Sturm und Nacht zerstreut. Hier fassen meines Sarges enge Räume Des Lebens ganze Luft und Müh, Ich sehe mich schon an des Flusses Munde, Der meines Lebens Kahn ins Meer des Todes führt: Sie rauscht daher, die fürchterliche Stunde, Wo sich mein Herz zum leztenmale rührt; Wo es kein Blut mehr durch den Körper sprißet, Und dann sein Glas zerbricht, und dann sein Licht vergeht; Wo ist mein Geist, der sonst aus diesem Auge stralte? Für mich nunmehr ein Schatten und ein Nichts. Der Wangen Feld verblüht, nun bald der Würmer Weide; Ihr Purpur gleichet schon dem blassen Todenkleide, Und Erd und Moder ist mein Leib nun unterthan, Die keine Sonne mehr erwärmen kan. So sterb ich? Ja, ihr Freunde seht mich sterben, Nur eine Scham nur fan die bleichen Wangen färben; Ihr werdet mich vielleicht ihn noch empfinden sehn, Es sey; doch seht, es flieht mein Geist, Noch zornig auf den Schmerz, voll Zorns auf die Maschine, Ja, seht, wie ich ganz ohne Furcht erblasse Und himmlischer Gedanken voll, Gleich einem Licht, das jezt verleschen soll, Beispiel 6. Aus den: Lucrezischen Gedanken. Ende des vierten Stücks. Forts. von der Seele. (Th. II. S. 224.) So, wie wann schon das Todesurtheil redet, Und laut und ernst die harte Stimme spricht, Der Mörder nun, der Bühne zugeführet, Noch scherzt, und lacht, noch wild und treßig thut, So stunde dort auf seinem falschen Boden O, wenn man doch nur einzeln also dächte; Ein neuer Geiz wird in die Seegeln blasen; Doch dann wird auch der Dinge Lauf sich kürzen, Dem Weise schon zu lange zugesehn, Und alles wird in eins zusammen stürzen, Und schneller, als ein Wolkenschloß vergehn. Wie siedet nicht das Meer und seine Wellen, Der Wallfisch schwingt, von Todesangst verwirret, b. Joh. Philipp Lorenz With of. 1725-1789 Johann Philipp Lorenz Withof, der Sohn eines berühmten Vaters, des Professors der Geschichte, Beredsamkeit und griechischen Sprache, Johann Hildebrand With of, war am 1. Junius 1725 zu Duisburg am Rhein geboren. Vom Vater und andern Privatlehrern unterrichtet bildete er sich zugleich auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt aus und bezog 1740 die Universität Duisburg, wo er drei Jahre lang Humaniora stu dirte, dann aber sich der Heilkunde widmete. Nachdem er sich noch in eignen Vorlesungen geübt hatte, besuchte er die Universitäten Utrecht und Leiden und lernte die holländischen Gelehrten kennen. Er promovirte 1747 in seiner Vaterstadt als Doctor der Arzneiwissenschaft und wurde daselbst, nach kurzem Aufenthalt in Lingen, 1750 doctor legens, nachher Assessor der medicinischen Facultät und las über Anatomie, Pathologie u a. medicinische Wissenschaften. Seit 1752 war er Professor der Geschichte, Philosophie und Beredsamkeit am akademischen Gymnasium in Hamm und nachher in seiner Vaterhadt Profeffor der Beredsamkeit und griechischen Sprache, auch Bentheim-Steinfurtscher Hofrath und Leibarzt und ssiarb am 3. Julius 1789. Withof gehört zu den bedeutenderen didaktischen Dichtern der Deut schen, nicht zu den leichteren, er ist schwer und kernig, scharf, tiefsînnig und gelehrt. Der Gedanke ist ihm Alles und er opfert ihm Schönheit der Form und des Wohlflangs; doch fehlt es ihm nicht an Kraft und Begeisterung, wie die Liebe zum besungenen Gegenstande sie in ihm erzeugt. Es erschienen von ihm zuerst: Gedichte. Bremen 1751. 8., aus denen er nur Einzelnes bearbeitet in den spätern Werken beibehielt. Dann folgten: Aufmunterungen in moralischen Gedichten von J. L. Withof J. H. fil. aus Duisburg der Arznei Doctorn auf der hohen Schule zu Hamm u. f. f. Dortmund 1755. 8. Endlich erschienen: Akademische Gedichte von Joh. Phil. Lorenz Withof. Erst. Th. Leipz. 1782. 3w. Th. das. 1783. gr. 8. Die Gedichte der frühern Ausgaben sind darin bedeutend verändert. Der erste Theil enthält: 1. Die moralischen Keter. Schon 1751, dann allein 1760 erschienen. Der Hauptgedanke ist, daß alle Glückseligkeitssysteme zu nichts führen und nur die Religion das einzig wahre |