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5.

Zum Nibelungenliede.

Zu Strophe 911, 3, wo von dem Waskenwalde, dem Vogesen= gebirge, als dem Ziele der Jagd die Rede ist, macht Karl Bartsch in seiner kommentierten Ausgabe des Nibelungenliedes (Deutsche Klassiker des Mittelalters. Mit Wort- und Sacherklärungen. III. Bd. 18795) folgende Bemerkung: Der Waskenwald wird 927, 1., 1002, 1 von Worms durch den Rhein getrennt gedacht; waren des Dichters Kenntnisse genau, so muß der Wohnsiz der Könige nicht in Worms selbst, sondern auf dem rechten Rheinufer gedacht werden." Einer solchen Annahme jedoch, daß die burgundischen Könige auf dem rechten Ufer des Rheins gewohnt hätten, widerspricht zunächst die Nachricht des Dichters (Strophe 1514, 1. 1516, 2 und 1522, 4), daß man bei dem Aufbruche ins Hunnenland mit Schiffen über den Rhein gesezt sei. Hätten die Burgunder ihren Siz auf dem rechten Ufer gehabt, dann hätten sie nicht überzusehen brauchen. Wären sie aber vom rechten Ufer aus übergesezt, dann wären sie ja auf das linke Ufer gekommen, was sie bei Fortsetzung der Reise in ganz entgegengesezte Richtung, nach West franken geführt hätte, während sie doch in Wirklichkeit, um nach Ungarn zu gelangen, nach Osten ziehen mußten. Sie müssen also unbedingt am linken Ufer die Schiffe bestiegen haben und am rechten gelandet sein. Diese an sich einleuchtende Tatsache erhält noch ihre Bestätigung durch Strophe 1524, 1 und 2, wo ausdrücklich gesagt ist, daß die Reisenden sich dem Maine zuwandten und durch Ostfranken ritten.

Aber auch noch aus mehreren anderen Stellen des Gedichtes geht klar hervor, daß der Wohnsiz der Burgunder auf derselben Seite des Rheins wie Worms selbst, d. h. auf der linken, gelegen haben muß.

So lesen wir z. B. Strophe 1714, der Bote, den Rüdiger vorausgesandt, um ihre Ankunft zu melden, habe den Leuten allenthalben gesagt,

daz die helde koemen von Wormez über Rîn.

Kriemhilde spricht 1739, 3:

saget waz ir mir bringet von Wormez über Rîn. Dann begrüßt Ezel den König Gunther u. a. mit den Worten:

mîn dienst ich in enbôt

mit triuwen vlîzerlichen ze Wormez über Rin. (Str. 1809.) Ferner heißt es Strophe 2093 von Giselher

daz du nie komen waerest von Wormez über Rîn

und 2101 sagt Giselher:

des getrouwet' ich vil übele, dô du mich über Rîn
ladetes her ze lande in dise grôze nôt.

Auch die Strophen 1025 und 1039 sprechen wohl für die linksrheinische Lage des königlichen Palastes. Dort nämlich, wo von der Klage um den toten Siegfried die Rede ist, wird uns berichtet: dô wart von sînen vriunden der jâmer also grôz,

daz von dem starken wuofe palas unde sal

und ouch diu stat ze Wormez von ir wéinén erschal.

Hier hören wir von Kriemhilde:

dô hiez diu edele vrouwe zuo dem münster tragen
Sîfrit den herren, ir vil lieben man.

Es kann also nach allem kein Zweifel darüber bestehen, daß die Wohnung der burgundischen Könige ebenso wie die Stadt Worms auf dem linken Rheinufer lag.

Wenn nun die Burgunder beim Auszug zur Jagd über den Rhein (927) fuhren, so kann der Waskenwald nicht der Ort der Jagd gewesen sein, sondern der Odenwald muß es gewesen sein, was auch schon wegen der geringeren Entfernung wahrscheinlicher ist. Denn die Jäger kehren noch an demselben Tage in der Nacht, die sie erst abwarten (1002, 1: Dô erbiten si der nahte und fuoren über Rîn), zurück. Außerdem paßt dann auch Hagens Ausrede (967) besser, er habe geglaubt, die Jagd solle im Spessart stattfinden, und deshalb den Wein dorthin bringen lassen.

Dieburg (Hessen).

6.

Zu zwei Gedichten F. W. Webers.

Ernst Seeger.

1. Frau Welt und der Klausner. Die Welt macht dem Klausner Vorwürfe darüber, daß er nicht aufhört sie zu lästern, worauf er u. a. erwidert: „Ich gab euch wenig Grund zur Klage. Ich sah euch eben, wie ihr seid, gleich mit den Schwalben früh am Tage. Als ihr noch ginget unfrisiert und ungeschminkt und ungeschnürt.." Diese Stelle ist jedenfalls in Erinnerung an eine Auslegung des Schwalbengezwitschers zustande gekommen, an ein weitverbreitetes volkstümliches Zwiegespräch, das in Westfalen, der Heimat des Dichters, zwischen Kirchen- und Hausschwalbe so stattfindet. Die Kirchenschwalbe ruft entzückt:,,Dos Weibsbild, dos zâde Bild wil's in die Kirche gê!" Rasch und eifrig antwortet ihr die Hausschwalbe, welche von ihrem Nest unter dem Dache aus früh und spät in Stuben und Kammern sieht:,,Wenn du se sest, wenn ich se se, des Morgens früh, des Abends spät, dann würstu dos nit fagê, dann würstu dos nit ssagê." In anderen Gegenden, so hier, wird die Lerche als Lobspenderin eingeführt. Lerche beim Aufsteigen:,,Dat Weuiwertuig, dat Weuiwertuig, dat is dat beste Tuig!" Schwalbe:,,Ach, wenn diu se seih'st, wu ek se seih, säu soll dek griun!"

2. Andre, denen Leid geschehen... Das erste, tiefempfundene Gedicht aus „Hildegundens Trauer“ (Dreizehnlinden)... „An der Linde ihr zu Häupten sig' ich oft und weine, weine. Leise nur; ein Mutterschlummer ist so leicht, sie würd' es hören; nein, es darf des Kindes Klage ihre Seligkeit nicht stören..." In diesen Versen hat der Dichter einen alten Aberglauben poetisch verwertet, den, daß den Toten nachgeweinte Tränen auf die Leiche im Grabe niederfallen und ihre Ruhe stören. Oft hat dieser Aberglaube poetische Verwendung gefunden; so in zwei Gedichten von Vogl:,,Die Mutter im Grabe" (kann vor den tränenreichen Klagen der Kinder nicht darin ruhen); „Das tote Kind" (hat vor den Tränen der Mutter keine Ruhe im Grabe). Denselben Inhalt weisen u. a. noch das Grimmsche Märchen,,Das Totenhemdchen" auf und das Bechsteinsche „Das Tränenkrüglein“ (das Kind hat vor den Tränen der Mutter keine Ruhe im Grabe und keine Seligkeit im Himmel), sowie eine Sage aus der Umgegend der mittleren Werra,,Die Tränenkrüglein zu Unterrohn" (zwei Kinder sterben kurz hintereinander und erscheinen. „Mutter ... was weinst du noch immer? Du läßt uns nicht ruhig im Grabe schlummern; höre doch auf zu weinen!"). In einer „Skizze" (,,Vom Fels zum Meer", 22. Jahrg., Heft 14) äußert die Alte kurz vor ihrem Tode ihre Wünsche und sagt dabei auch zu der Tochter: Die Haube tust mir an... die will ich mit ins Grab nehmen. Und lamentier net so laut, das nimmt einem die Ruh'..." Schon in früher Zeit und heute noch hütet man sich besonders davor, Tränen in den Sarg auf den Toten fallen zu lassen, um ihm nicht die Ruhe des ewigen Schlafes zu rauben. O, sie würde, Urlaub heischend, an der goldnen Pforte stehen..." heißt es weiter in der Schlußstrophe. Auch in diesem Verse ist auf einen alten weitverbreiteten, mit jenem verwandten, gleichfalls oft poetisch verwerteten Aberglauben angespielt, wonach der Geist der toten Mutter - von Gott,,Urlaub heischend" auf die Erde zurückkehrt, um das Jammer und Elend leidende Kind nachzuholen" oder doch um ihm tröstend und helfend beizustehen. Markoldendorf b. Einbeck.

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7.

Dr. August Andrae.

Zur Redensart von Pontius zu Pilatus".

Über die vielverbreitete Wendung jemand von Pontius zu Pilatus schicken" oder von Pontius zu Pilatus laufen" ist in lezter Zeit mehrfach in dieser Zeitschrift die Rede gewesen. So ist im 15. Jahrg. S. 604 bemerkt, daß Heinrich Heine im Jahre 1840 die Wendung von Pontius nach Pilatus rennen" gebraucht habe, und hinzugefügt, daß es doch eigentlich nach Luk. 22, 11 heißen müßte von Herodes zu Pilato laufen";

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das nämliche gibt S. 440 des 16. Jahrganges Carl Müller (Dresden) als die richtige Form der Redensart an, was durch eine Stelle aus Meißners Skizzen vom Jahre 1796 (12, S. 310) belegt wird (Man schickte ihn immer vom Herodes zum Pilatus"). In dieser Form gibt auch Borchardt (Die sprichwörtlichen Redensarten, 1888) die Redensart an, während Wustmann in der 2. Auflage diese Form nur als landschaftlich neben der anderen vorkommend bezeichnet, als eigentliche Form aber jemand von Pontius zu Pilatus schicken" angibt.

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Es scheint mir nun nicht recht zu sein, die eine Form als die richtige, die andere als die falsche zu bezeichnen, wie dies z. B. bei Büchmann - Robert-tornow S. 70 der 18. Auflage der geflügelten Worte geschehen ist; sie haben vielmehr beide in ihrer Art ihre Bedeutung und können deshalb ihren Plaß jede für sich im Sprichwörtertorpus beanspruchen. Offenbar sagte man, was ja aus der von Carl Müller angeführten Stelle aus Meißners Skizzen hervorgeht, vor 100 Jahren jemand von Herodes zu Pilato schicken" bezw. „von Herodes zu Pilato laufen"; inzwischen aber hat sich aus dieser Wendung mit besonderer Pointe die andere Form entwickelt jemand von Pontius zu Pilatus schicken (laufen)“ und ist als solche üblich geworden, so daß jene frühere Wendung heutzutage fast ganz von ihr verdrängt zu sein scheint. Der Wit dieser neuen Redensart, die Wustmann mit Recht ,nicht das schlechteste Wigwort" nennt, das der deutsche Volksmund geschaffen hat", besteht darin, daß Pontius und Pilatus dieselbe Person bezeichnen; wer also damit sagen will, daß er eine beschwerliche Hinund Herlauferei gehabt oder jemand eine solche verschafft habe, macht fich starker Übertreibung schuldig; denn da Pontius und Pilatus dicht nebeneinander liegen, ja zusammengehören, so ist seine Mühe gar nicht so groß gewesen. In diesem Sinne kann die Redensart jenen vielfachen. wißigen Übertreibungen des deutschen Volksmundes an die Seite gestellt werden, die, bei Lichte besehen, das Gegenteil von dem bedeuten, was sie bedeuten sollen, wie z. B.,,Das ist so klar, wie dicke Tinte (Kloßbrühe)", Borchhardt- Wustmann 2. Aufl. S. 37 Nr. 88; ,,es stimmt, wie eine Kirchenrechnung" (die gewöhnlich nicht stimmte); das kann selbst der Blinde mit dem Stocke fühlen" usw. Was aber die scherzhafte Verwendung der beiden Bestandteile des Eigennamens anbetrifft, so sei an die wißige Anwendung erinnert, die man i. J. 59 v. Chr. mit dem Namen des großen Julius Cäsar vornahm. Da dieser es nämlich verstand, seinen Kollegen im Amte, M. Bibulus, gänzlich an die Wand zu drücken, so nannte man als Konsuln dieses Jahres nicht diesen und Cäsar, sondern Julius und Cäsar (Sueton im Leben Cäsars Kap. 20). Helmstedt. Dr. Linde.

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Die deutsche Nationalliteratur der Neuzeit von Karl Barthel. 10. Auflage, neu bearbeitet und fortgesezt von Max Vorberg, weitergeführt und vollendet von Guido Burkhardt. Gütersloh, Verlag von C. Bertelsmann, 1903.

Habent sua fata libelli. Dieses Wort gilt in besonderem Maße von dem genannten Werke, das, wie schon die Titelangabe zeigt, mehrere Bearbeiter gefunden hat. Tatsächlich waren es aber nicht nur drei, sondern fünf. Die ersten drei Auflagen stammen von dem ursprünglichen, gerade vor 50 Jahren heimgegangenen Verfasser Karl Barthel, die vierte bis achte von seinem Bruder Gustav Emil Barthel. Von lezterem rührt zunächst auch die neunte Auflage her, bis Kränklichkeit ihn zwang, die Feder niederzulegen, so daß die genannte 1879 erschienene, vom Unterzeichneten besprochene Auflage zum allergrößten Teile von Professor Dr. Röpe in Hamburg verfaßt ist. Seitdem ver gingen wieder volle 18 Jahre, bis der mit unermüdlichem Fleiße als Prediger, Schulinspektor und Schriftsteller tätige Superintendent Max Vorberg Ende 1897 die Neubearbeitung übernahm. Aber ihm riß der unerbittliche Tod die Feder aus der Hand vor der Vollendung des Werkes. Die siebente und lehte Lieferung rührt vom Missionsdirektor Guido Burkhardt in Herrnhut her. Doch trog der fünf Bearbeiter und troß ihrer im einzelnen vielfach abweichenden Ansichten ist doch der Zweck des Buches immer der gleiche geblieben, nämlich wie in der Vorrede Burkhardts des näheren ausgeführt wird, „ein Pfadweiser auf dem Gebiet der neueren deutschen Dichtung für das gebildete christlichdeutsche Haus zu sein“. Diese Aufgabe zu erfüllen, ist das Buch, ohne engherzig zu sein, namentlich in der neuesten Bearbeitung redlich bemüht gewesen. Es hat sich bestrebt, Dichter und Dichtungen der verschiedensten Richtungen möglichst ausführlich und gerecht zu würdigen. Schon der äußere Umfang der neuesten Auflage verglichen mit der früheren 1144 gegen 1013 Seiten bestätigt dies. In dem ersten Abschnitt: Zur Einleitung und Übersicht S. 1-13 werden als die Hauptmächte, die unsere zweite klassische Periode bestimmten, Renaissance und Reformation genannt. Wohltuend berührt namentlich die warme Würdigung Herders, obwohl dieser doch der positiv-theologischen Richtung nicht angehörte, sowie Goethes in seiner Bedeutung für unsere Zeit. Von S. 14-51 gibt Vorberg eine gute Charakteristik der Dichter der romantischen Schule. Nur zweimal ist ihm ein lapsus memoriae zugestoßen. Tied ist nicht 1772, sondern 1773 geboren (S. 23) und Friedrich v. Schlegel trat nicht 1803, wie S. 36 erwähnt ist, sondern 1808 in Köln zum Katholizismus über. Übrigens ist gleich auf S. 37 bei Erwähnung seiner Gattin Dorothea, die mit ihm das gleiche tat, das

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