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VORREDE.

Es hätte meinem bruder zugestanden an der spitze dieses bandes, dessen grösztes stück von ihm herrührt, den blick rückwärts zu wenden und sich über mehr als einen der hier die vielseitigste erwägung fordernden gegenstände mit aufmerksamer anmut, wie sie ihm eigen war, auszusprechen. trauernd um seinen hingang musz ich es sein, der wieder vortritt und das wort ergreift, seines talents und seiner ratschläge, sowie überhaupt seiner edeln mithülfe geht die fortsetzung des werkes nun für immer verlustig.

Er arbeitete langsam und leise, aber rein und sauber; wenn sein verspäten einigemal gefahr brachte und die geduld der leser auf die probe stellte, so werden sie sich nachher an der feinen abgrenzung und ausführung alles dessen, was er lieferte, erfreut haben. in milder, gefallender darstellung war er mir, wo wir etwas zusammen thaten, stets überlegen.

Angemerkt zu werden verdient, dasz er mit dem buchstaben D, welchen er sich zuerst auserlesen hatte (1, LXIV), genau und ohne dasz davon ein wörtchen fehlte zu ende gelangt war, als ihn der tod wegnahm. seine mühe krönte sich durch befriedigenden abschlusz. jene wahl war doch mehr zufällig als in irgend einer vorliebe begründet, für ein wörterbuch fallen alle buchstaben gleich schwer und selbst die leichter scheinenden erheben allenthalben anstosz. im deutschen gewähren die vier flüssigen angenehmste arbeit, weil hier der laut feststeht und keine partikelzusammensetzungen vorkommen, wogegen bei den vocalen und stummen buchstaben ihre schwankende abstufung vielfach stört und anstrengt. unsere S und W zeigen den gröszten umfang, während im lateinischen, griechischen, slavischen und auch im sanskrit, jener partikelu wegen, P weit überwiegt, das bei uns fast zurücktritt. es ist wahr, die endlose aufzählung der partikelfülle, auf die ich gleich nachher noch zu sprechen komme, ermüdet, führt aber auch zu wichtigen schlüssen; in welchen theil des wortvorrats man immer greife, wird, nach überwundner erster scheu, man sich bald davon angezogen fühlen. Mein bruder ist in einigen dingen, die ich verabredet glaubte und für die ich beim beginn unausweichlich einen ton angeben muste, wieder abgewichen, sei es dasz er sich eigner angewöhnungen nicht entschlagen konnte oder einer ihm zusagenden änderung den vorzug liesz. mir that dies leid, weil dadurch der in einem wörterbuch

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wünschenswerthen auszeren gleichförmigkeit abbruch geschah; jetzt aber möchte ich nicht, dasz er anders verfahren wäre, weil mir auch in solchen nebensachen seine ganze eigenthümlichkeit rührend entgegentritt. das publicum wird uns beiden diese ungleichheit verzeihen und sie leicht ertragen, ich will hier näher darauf eingehen.

Er hat viele der gebrauchten abkürzungen wieder aufgelöst und nicht wenige anführungen voller ausgehoben, wodurch der eindruck allerdings anschaulicher wird; doch bleibt zu bedenken, dasz diese einrichtung, wenn sie für das ganze werk beibehalten werden sollte, bedeutenden raum mehr kosten würde, auf dessen ersparung um vieler ursachen willen jedes wörterbuch bedacht zu nehmen hat. man darf da, wo auch die gedrängtere darstellung ihren werth erhält, sich nicht so gehen lassen wie in andern schriften. gehäufte kürzungen können ekel erregen und ein buch unlesbar machen, mäszig verwandte dem überblick förderlich sein.

Ich sehe nicht ein, und habe mich darüber schon ausgesprochen, warum in einem deutschen wörterbuche eins der leichtesten und natürlichsten mittel des verständnisses von der hand gewiesen werden solle, nemlich die anwendung des lateis oder überhaupt einer fremden andern sprache. die worterklärung gewinnt dadurch augenblicklich einen halt, den ihr ein ausein| andersetzen in der eignen sprache nicht so schnell gewährt, und weitere deutungen können sich dann leicht anschlieszen. das lateinische wort soll den begrif weder von grund aus festigen noch erschöpfen, das bleibt der nachfolgenden erörterung und den belegstellen überlassen; aber es zieht schon an aus einer uns urverwandten, klaren sprache den oft nah entsprechenden oder aus der ferne winkenden ausdruck vor augen zu haben. einem bloszen auf gewöhnliche definition hinauslaufenden handwörterbuch wäre die lateinische beigabe entbehrlich, einem ausführlichen gelehrten wörterbuch wird sie wo nicht nothwendig, wenigstens sehr ersprieszlich. niemand erblickt in der bezeichnung des dreifachen geschlechts durch m. f. n. etwas pedantisches oder wüste eine gleichgute an deren stelle zu setzen; warum soll die in derselben sprache, aus welcher diese abkürzungen geschöpft werden, erfolgende angabe der wortbedeutung verwerflich sein? es kommt hinzu, dasz unsere alten wörterbücher, Dasy

PODIUS, FRISIUS, MAALER, HENISCH, bis auf STIELER und FRISCH abwärts, wörter und phrasen lateinisch wiedergeben und dasz es daran liegen musz ihre oft treffend gewählten ausdrücke zu behalten und anzuführen, gleich unentbehrlich bleibt die angabe der lateinischen pflanzen- und thiernamen, wie sie im system hergebracht ist; ein groszer theil der auslegung würde also unvermeidlich lateinisches aussehen gewinnen, wer sich darüber hinaus setzt, wie sollte er in der lateinischen erklärung überhaupt unerträgliche buntheit des vortrags finden? ein historisches, etymologisches wörterbuch kann nicht anders als viele sprachen nebeneinander verwenden. Unser deutsches wörterbuch soll nicht nur für Deutsche in engerm sinne sein, sondern sich auch zu Scandinaven, Niederländern, Engländern, Franzosen und andern Welschen, zu Slaven, Ungern, Finnen erstrecken; diesen völkern allen oder den meisten ist mehr mit dem beigefügten lateinischen worte gedient als mit einer deutschverfaszten erklärung, wie uns ja selbst ein glossar der sanskritsprache oder der finnischen, ungrischen, russischen, litauischen wenig helfen würde, dem eine blosz esoterische zustände, hingegen die exoterische lateinische oder französische, deutsche auslegung abgienge. sie unterdrücken heiszt demnach die verbreitung des wörterbuchs in das ausland hemmen oder mindern. Man kann endlich auch aufstellen, dasz ein gutes wörterbuch nicht einmal auf die gegenwärtige und nächste zeit beschränkt, sondern bestimmt sein solle länger zu dauern, wie jene dictionare von DASYPODIUS und MAALER nun schon jahrhunderte lang gebraucht werden; hätten sie nicht lateinisch, sondern deutsch erklärt, sie würden oft schon unbestimmt geworden sein, auf gleiche weise aber auch die heutigen deutschen erklärungen, ohne die stütze der lateinischen einer fernen zukunft vielleicht nicht mehr ausgereicht haben. Aus allen diesen gründen war es mir nicht recht das lateinische wort bei meinem bruder oft zu vermissen.

Ich war bestrebt in jedem artikel den unterschied zu beobachten, dasz die fortlaufende reihe von belegen gleicher art durch ein semicolon und erst, wenn sie zu ende gienge, durch den punct bezeichnet würde, weil daran zu liegen scheint, die aufmerksamkeit auf diese reihen und deren schlusz zu lenken. er liesz das semicolon weg und setzte überall puncte. Dagegen folgte er einer wahrscheinlich in England aufgebrachten, wie mich dünkt, tadelhaften neuerung, den punct da, wo eine angeführte stelle aufhört, ganz zu unterdrücken, und das unmittelbar folgende citat mit einem groszen buchstaben zu bezeichnen, gleichviel ob dieser ihm als eigennamen zustehe oder nicht. dieselbe störende citierweise findet sich auch im mhd. wörterbuch angenommen. sie thut keinen schaden, wiewol sie ohne vortheil ist, sobald auf griechische stellen der lateinische name folgt, z. b. in HEINR. JACOBIS Comicae dictionis index, weil hier die verschiedenheit der schrift genug sondert. wo dies aber nicht der fall ist, scheint unnatürlich, dasz ein geschlossener satz seines puncts entbehre und gleichsam in den unmittelbar darauf gesetzten namen fortgehe, wie sich zumal übel ausnimmt, wenn das citat mit einem das. daselbst beginnt. es war schon von übel, dasz einige zwischen dem schlusz

der stelle und dem citat statt des puncts ein bloszes comma brauchten, wie z. b. bei ADELUNG geschieht. raum gespart wird weder durch das comma noch durch das unterbleiben jedes zeichens, weil man dann das letzte wort von dem anhebenden citat weiter abstehen läszt. jener misbrauch groszer buchstaben beeinträchtigt aber deren auf eigennamen einzuschränkenden und alsdann rechten, nützlichen gebrauch. das wörterbuch macht eine unmenge von citaten nöthig und darf auf jede kleinliche genauigkeit dabei dringen.

Wichtiger sein mag eine andere lossagung von der im wörterbuch sonst beachteten regel in bezug auf die sich an das verbum heftenden partikeln, und hiervon ist etwas genauer zu reden. ursprünglich stehen alle partikeln neben dem verbum los und ledig, doch schon im sanskrit, im griechischen und lateinischen sehen wir viele zu gangbaren bestimmungen der bedeutung vorn mit dem verbum verknüpft, ohne dasz sie sich wieder von dieser stelle frei machen. auch die mehrzahl der gothischen und lateinischen partikeln erscheint bereits in solcher lage meistens untrennbar, obgleich sich z. b. zwischen goth. ga und das verbum andere wörter schieben und PLAUTUS noch i prae für praei sagen kann. merkwürdige und schöne eigenheit hochdeutscher mundart von der ältesten zeit bis auf heute bleibt es aber, dasz sie einer groszen zahl von partikeln neben dem verbum in genau bestimmter wortstellung ihre trennbarkeit bewahrt, sicherste probe liefert dann jedesmal der imperativ, welchem die partikel immer los nachfolgt, jenem i prae entspricht unser geh vor. ganz untrennbarer partikeln zählen wir nhd. nur sechse: be, ent, er, ge, ver, zer; halbtrennbarer eben soviel: durch, hinter, über, um, unter, wider, d. h. nach verschiedenheit der bedeutungen werden sie bald untrennbar, bald trennbar. alle andern sind trennbar und die wortstellung bestimmt, ob sie sich vorhesten oder ablösen. weggesehen von diesen aus der grammatik hinlänglich bekannten verhältnissen läszt sich nicht verkennen, dasz schon ahd. ein groszer trieb der partikelanfügung oder der zusammensetzung des verbums mit partikeln waltet, wie ein gleichartiger haft derselben partikeln an dem nomen zu erkennen gibt, jedwede zusammensetzung mit dem nomen wird aber unauflösbar. während wir in abgehen, hingehen, aufgehen noch trennbare partikeln dem verbum zugesellen, sind sie in abgang, hingang, aufgang untrennbar geworden und doch musz dem zusammengefügten nomen ein zusammengefügtes verbum vorangegangen sein, weil die nominalvorstellung wesentlich auf der verbalen beruht. ein ahd. apaganc abscessus, danatrip repudium, hinafart discessus, ein mhd. abelouf, dankêre abitus sind uns also bürge dafür, dasz damals schon ein näher verbundnes apagangan, danatrîpan, hinafaran, abeloufen, dankêren galten. diese neigung anzufügen hat im verlauf der zeit noch zugenommen, wie wir romanische sprachen vergleichend leicht gewahren, z. b. dem freien it. andar via, volar via steht unser gebundnes weggehen, wegfliegen zur seite.

Hat es nun damit die vorgetragne bewandtnis, so leuchtet ein, dasz in dem wörterbuch solche zusammensetzungen nicht zu übersehen, sondern hervorzuheben sind. ich kann es nicht folgerichtig finden, dasz

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bereichert haben. diese an folgerungen fruchtbare verschiedenheit ist bisher noch nicht wie es sein sollte erkannt und entfaltet worden. es könnte aber scheinen, als wollte ich damit mein vermögen an das des geliebten bruders halten, da ich doch viel mehr auf die sache als auf die leute, viel weniger auf ihn als auf andere sehen würde, und sein verlust ist allzu frisch als dasz ich auszusprechen wagte, was ihn nur von ferne be

alle mit durch gebundnen verba, neben sorgfältiger | zeigt und keine von beiden durch neue entdeckungen unterscheidung ihrer trennbarkeit und untrennbarkeit, einzeln und alphabetisch eingetragen, die an den partikeln dannen, dahin, daher, danieder, daran, darein haftenden aber unter diesen partikeln verzeichnet und abgehandelt werden. das heiszt grammatisch verfahren, nicht lexicalisch. im lexicon will man alphabetisch aufschlagen und zur stelle finden, was man sucht, gerade wie abgehen, annehmen, aufnehmen, eingehen, eindringen als selbständige wortbildungen, nicht unterrührte. gehen, nehmen, noch weniger unter an, auf, ein gesucht werden. bei daher sp. 679-684 sind sogar mehrere classen abgesondert, nach denen sich das wörterbuch gar nicht richten kann, oder alle unter ab, an, auf, aus eingestellten verba müsten sich auch aus ihrer reihe reiszen und unter den betreffenden partikeln aufführen lassen. ohne zweifel haben grammatik und wörterbuch ihre eignen gesichtspuncte und wissen daraus besondere vortheile zu ziehen. Im verlaufe des werks und an rechter stelle sollen dem hier erörterten noch manche einzelne bestimmungen, vielleicht auch einschränkungen zutreten.

An den hervorgehobnen, keineswegs bedeutsamen unähnlichkeiten der behandlung würde der leser alsogleich erkennen, wenn er es nicht ohnehin schon wüste, welchem von beiden verfassern jede einzelne stelle beizulegen sei; aus mehrern bächen ist verschiednes und doch meistens ähnliches gewässer in éinen flusz zusammengeronnen.

Lust hätte ich wol, mich in betrachtungen über die natur und erfolge eines wörterbuchs tiefer versenkend, einen wesentlichen unterschied zwischen sprachforschung und philologie geltend zu machen. denn es gibt eine menge verdienstvoller, scharfsinniger philologen, die für die hauptzwecke der sprachforschung, für grammatik und etymologie, weder beruf noch geschick ge

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Noch habe ich dankbar die zu nennen, durch deren ansehnliche beiträge auch dieser band des wörterbuchs gefördert wurde. RIEDELS unermüdende samlung hielt bis zu seinem tode an. WEIGAND hat die seltne kraft und den noch seltneren willen neben einer eignen treflichen arbeit auch die fremde liebgewonnene durch reiche beiträge zu unterstützen; von MENGE laufen immer die reinlichsten, sichersten auszüge ein. nicht minder fleiszig und brauchbar sind die von K. WOLFF in Stuttgart, PALM in Breslau, CRECELIUS in Elberfeld, ERK in Berlin, RÜDEL in Nürnberg, SEIDEMANN in Eschdorf empfangnen. HEDWIG und ELEONORE WALLOT, zwei Mainzerinnen, jetzt in Heidelberg, haben ungemein sorgfältige mittheilungen gemacht. über excerpt und beitrag hinaus reicht die von HILDEBRAND fortwährend und vorzüglich dem buchstaben D erwiesene, auf volle befähigung zur mitarbeit schlieszen lassende hülfe. unter den im druck erschienenen neuen werken wäre vor allem GUTZEITS wörterschatz der deutschen sprache Livlands zu erwähnen, welche ausgezeichnete arbeit vorerst nur den buchstaben A und B zu statten kommt und beträchtliche nachträge und ergänzungen für den ersten band gewährt.

Die fortsetzung des quellenverzeichnisses ist lediglich HIRZELS güte und genauer einsicht selbst zu verdanken.

Berlin 6. februar 1860.

JACOB GRIMM.

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