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Auch manches blieb liegen, wie das wohl geschieht,
Wenn man alles so reichlich vor sich sieht.
Da das der Dornenstrauch erblickte,
Seine Rede sich ganz anders schickte:
„Fürwahr, die haben auch ihre Pein;
Mich gelüftet nicht mehr ein Veilchen zu sein!
Kaum sind sie hervor an's Licht gekrochen,
So werden sie grausam abgebrochen;
Und sind sie verduftet und verblüht,
Niemand weiter nach ihnen sieht.

Da lob' ich mir's auf des Berges Rücken,
Mich wird hier keiner zu Kränzen pflücken.

105. Der Hänfling.

Ein Hänfling, den der erste Flug
Aus seiner Eltern Neste trug,
Hub an, die Wälder zu beschauen
Und kriegte Luft sich anzubauen;
Ein edler Trieb; denn eigner Heerd
Ist, sagt das Sprichwort, Goldes werth.
Die stolze Gluth der jungen Brust
Macht ihm zu einem Eichbaum Lust.
,,Hier wohn' ich," sprach er,,,wie ein König,
Dergleichen Nester giebt es wenig.“
Kaum stand das Nest, so ward's verheert
Und durch den Donnerstrahl verzehrt.
Es war ein Glück bei der Gefahr,
Daß unser Hänfling auswärts war;
Er kam, nachdem es ausgewittert,
und fand die Eiche halb zersplittert,
Da sah er mit Bestürzung ein,
Er könnte hier nicht sicher sein.
Mit umgekehrtem Eigensinn
Begab er sich zur Erde hin
Und baut in niedriges Gesträuche,

So scheu macht ihn der Fall der Eiche;

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Doch Staub und Würmer zwangen ihn,
Zum andern Mal davon zu ziehn.

Da baut er sich das dritte Haus
Und las ein dunkles Büschchen aus,
Wo er den Wolken nicht zu nahe,
Doch nicht die Erde vor sich sahe,
Ein Ort, der in der Ruhe liegt;
Da lebt er noch und lebt vergnügt.

Vergnügte Tage findet man,
Woferne man sie finden kann,

Nicht auf dem Thron und nicht in Hütten;
Kannst du vom Himmel es erbitten,
So fei dein eigner Herr und Knecht,
Dies bleibt des Mittelstandes Recht.

Lichtwer.

106. Die Sonne und die Thiere.
Sonne, scheine nicht so heiß,

Ich muß vor Mattigkeit und Schweiß,
Bei meiner Arbeit hier erliegen !"

So rief der Esel,,Dank für deinen Schein,
Sonne!" rief die Schlange.,,Mit Vergnügen
Leg' ich mich Stundenlang hinein.“

Die Eule schrie:,,Verschone mein Gesicht

Mit deinem mir verhaßten Licht,

Sonne! Kann ich doch kein Schlupfloch finden, Wohin dein Strahl nicht dringt! Ich werde noch erblinden!"

-,,Wohlthät'ge Sonne, sei mir lange noch geneigt!" Hub eine Feldmaus an. ,,Es reifen meine Wehren; Vollauf kann ich mich wieder nähren!”

Die Sonne hört es an, scheint fort und

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schweigt.

Willamov.

107. Die Vorsicht.

Ein junges muthiges Roß,
Dem Urbeit nicht so wohl gefiel,
Als Freiheit, Müffiggang und Spiel,
Riß sich von seinem Joche los
Und floh davon auf grüne Weiden;
, welche Freuden!

Der Lenz und Sommer strich

In frohem Müssiggange hin;

Ihm kam die Zukunft nicht in Sinn;
Es lebte jegt und freute sich;
Allein der Winter nahm die Freuden
Den grünen Weiden.

Die Wiesen wurden leer;

In Lüften stürmt' ein rauber Nord;
Das Pferdchen floh von Ort zu Ort
Und fand kein Dach, kein Futter mehr;
Jest warf es ängstlich seine Blicke
Auf sich zurücke.

Ich Thor!" rief es,,,ach! ach!
Hätt' ich die kurze schöne Zeit
Das Bischen Arbeit nicht gescheut,
Jeht hätt' ich Hafer, Heu und Dach.
Wie schändlich! für so kurze Freuden
So lang' zu leiden!"

Weiße.

108. Die Kinder im Walde.
Gar wohlgemuth und guter Ding'
3u Wald' ein Knab' und Mägdlein ging.
Der Tag war draußen heiß und schwül,
Der Wald hingegen frisch und kühl.
Hier liefen sie die Kreuz und Quer
Und pflückten Erd- und Heidelbeer.
Bald rief der Bruder:,,Schwester hier,
Die schönsten Beeren steh'n bei mir !',

Bald sprach die Schwester:,,Bruder, nein, Hier werden noch viel schön're sein!"

Zum Bruder spr ngt die Schwester d'rauf, Ißt dort die schönsten Beeren auf;

Und mit ihr muß der Bruder geh'n,
Wo ihre noch viel schön'ren steh'n.
So stopfen sie die Beerelein,
Fortan mit vollen Händen ein,

Bis jedes zu dem andern spricht:

"

'S ist nun genug, mehr kann ich nicht!'' Und bis der kleine Bauch so schwer,

Daß fast ein Reif d'rum nöthig wär:
Sie sehen sich an einen Baum,

Sie sprechen Nichts, sie athmen kaum,
Und eins sich an das andre lehnt,
Und eines nach dem andern gähnt,
Bis daß der süße Schlaf sie leicht
Im kühlen Schatten überschleicht.

Und nah bei ihrer Schlummerstatt
Ein Häslein feine Jungen hat;
Die hüpfen aus dem Strauch heran
Und sehen sich die Kinder an,
Und spielen um das kleine Paar,
Und fühlen mit dem Pfötchen gar
In stiller Lust und ohne Scheu,
Wie warm das rothe Bäckchen sei.

Und nah, wo Knab' und Mägdlein ruht,

Hat auch ein Zeisig seine Brut.
Die lauschet auch zum Nest hinaus
Und breitet ihre Flüglein aus
Und sieht, wie sich die Häslein klein
Dort um die holden Kinder freu'n.
Da wagt sie sich in froher Hast
Auch bald hinab von Ast zu Ast
Und seßet sich in stiller Lust
Den Kindern gar auf Stirn und Brust.
Und wo der warme Odem weht,

Da wird das Köpfchen hingedreht.
Und Zeifig spricht: „Sagt uns geschwind,
Was das für liebe Thierchen find.
Wir glauben, es find Vöglein doch;
Die Federn wachsen ihnen noch.“
Die Häschen aber sprechen:,,Nein!
Wo sollen Klau und Schnabel sein?
Die Lippen find so roth und weich,
Nein, die gehören nicht zu euch!
Biel eher könnten's Häschen fein,
Sind auch die Ohren etwas klein!"*
Und Zeisig hebt sein Köpfchen d'rauf
Und ruft und fingt:,,Wacht auf! wacht auf!
Ihr seid so wunderhold und schön,

Ihr müßt uns, wer ihr seid, gesteh'n;
Wir woll'n in Lieb' und in Vertraum
Euch in die off'nen Ueuglein schau'n!"
Und Häschen klopft auf Hand und Wang'
Und ruft:,,Wacht auf! schlaft nicht so lang'!
Wir haben noch der Brüder viel,

Kommt mit! kommt mit! zum frohen Spiel;
Ihr seid so wunderhold und schön,
Wir woll'n mit euch zur Mutter geh'n!"
Als sie so sprachen, naht sich bald

Die Mutter Häsin durch den Wald;

Die Mutter Zeifig flattert auch

Von Baum zu Baum, von Strauch zu Strauch,
Und als sie hier die Kinder feh'n,

Da bleiben sie erschrocken steh'n
Und rufen ihren Jungen:,,Fort!
Die Schläfer sind ja Menschen dort!
Erweckt sie nimmer, laßt sie ruh'n,
Damit sie uns nichts Böses thun.
Es war ein Mensch, der in der Schling'
Mein armes Männchen gestern fing!
Es war ein Mensch mit Hund und Roß,
Der euren Vater heßt' und schoß;

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