Imágenes de páginas
PDF
EPUB

Was ist aber natürlicher, als daß ein Menschenname eine recht flare, kräftige, sichere Bedeutung habe? Und das ist doch auch der Fall, wenn man ein Kind mit einem Namen benennt, der uns durch einen früheren Inhaber wert und teuer geworden ist (wie ich z. B. mit Emilie, Hugo), da ist die Klarheit und Sicherheit durch das Bild der Geliebten vertreten, das, obwohl unaussprechlich, doch fest in uns steht und eben in dem Namen sich für uns ausspricht. Jener ganz allgemeine ungefähre musikalische Klang aber ist nicht natürlich, das ist künstlich, stammt aus einer übersteigerten Kunst, ist eigentlich ein Stückchen Überkultur oder falscher Idealismus, der sich immer geltend macht in übersteigerten Kulturzuständen, auch schon im Altertum, wo sich das Ideale aus dem harten Gedränge der ideenlosen Thatsachen hinausrettet in eine Höhenschicht, die unvermittelt über dem Leben schwebt, wie Nebeloder Wolkenduft oder Dunst über der Erde der Menschen scheinbar großer Fortschritt oder Erhöhung des inneren Lebens, in Wahrheit doch sein Verfall, weil es sich damit wie schmollend oder verzweifelnd zurückzieht aus dem Reich der Thatsachen, der Bewegung, in dem es wirken soll, auch sich allein sicher gründen kann u. s. w.

[ocr errors]

Wann beginnt und woher stammt diese Aushöhlung der Namen zu bloßen Attrappen mit schönem Schein? es wäre eine nüßliche Untersuchung.

Bei uns find allerdings Friedrich, Heinrich, Rudolf, Otto u. s. w. auch aus ihrer ursprünglichen Vollbedeutung mehr oder ganz in ungefähre Wohlflänge übergegangen, aber doch zugleich noch meistenteils gehalten von Anflang aus unsrer Geschichte (ich habe z. B. bei meinem Rudolf als Knabe immer an Rudolf von Habsburg gedacht, vielleicht auch mein Vater bei der Taufe), welcher bedeutsame Anklang sich mit dem Behagen des bloßen Gefühls und Gehörs, dem musikalischen Klang zu einer zugleich lebensvollen und schönen Einheit verschmelzen kann. Und wenn die Wissenschaft die erste Bedeutung wieder auffrischt, wie nun immer sicherer ge= schieht (man thut das aber mit Eifer, wenn auch mit vielen Mißgriffen schon seit dem 16. Jahrhundert oder früher), so reichen sich trefflich die Gegenwart und die Vorzeit die Hand, daß der erste Lebenstern wieder voll lebendig werde das Ziel der Sprachforschung überhaupt, ja eigentlich das Ziel der Wissenschaft überhaupt, ich nehme es auch für die Philosophie in Anspruch.

Wenn aber daneben, besonders oder wohl vorwiegend, wo nicht zuerst, im lutherischen Lebenskreise der Nation Namen auftreten, wie Christlieb1), Gottlieb, Gottlob, Gotthelf, Traugott, Leberecht, die uns

1) Bei den Katholiken müßte es eigentlich Papstlieb, Papstlob und der gleichen geben, die Jesuiten könnten das jeßt nachholen.

jezt freilich wie mit unaussprechlicher Langeweile umgeben oder schlimmer klingen, so regte sich doch darin das alte rechte Bedürfnis, mit dem Namen etwas Rechtes, eigentlich das Beste, das man konnte, deutlich zu sagen.

Die nichtssagenden, nur klingenden Namen scheinen von Italien ausgegangen zu sein, im Anschluß an den spätgriechischen Roman, die griechisch-römische Liebesdichtung und die griechisch-römische Mythologie überhaupt: in allen dreien suchte man ja jene höhere Schicht über der Wirklichkeit, in der alles glänzend und wonnig, süß und reizend sein sollte, und unsere Leute übernahmen das natürlich getreulich, wie die Franzosen auch, nur daß wir aus unserem Altertum für jene Schaumwelt ganz anderen leuchtenden Kern einzusehen gehabt hätten (was dann erst in der Romantik zum Ausbruch kam).

Was aus der griechischen Überlieferung bei den Italienern wurde, zeigt zum Beispiel ihr Fetonte aus Phaethon, Paidov es ist doch die reinste Φαέθων Barbarei; auch bei uns galt Phæton im 17./18. Jahrhundert. Und wie mit der Wortform, so nicht anders mit dem sachlichen Gehalt der alten Welt, man sieht es nur noch nicht recht, weil man einmal, wenn man nach Italien kommt oder denkt, die von der sogenannten Renaissance begeisterte Brille auffezt; da gilt es noch viel Bildungsaberglauben zu zerstören, ehe man zu der Wahrheit kommen wird, die auch so lehrreich, selbst schön genug bleibt aber die Italiener des 14.-17. Jahrhunderts auch nur teilweis barbarisch?! Der ganze mühsame Unterbau, auf dem unsere Bildung ruht, bräche ja damit zusammen!

Hohlheit und Barbarei der Namen erwuchs auch aus dem Bedürfnis der Humanisten, sich mit ihren Namen aus der gotischen Barbarei ihrer Zeit herauszuziehen und sich in die darüber schwebende höhere griechischrömische Welt hinaufzusetzen.

Was kann barbarischer sein als Melanthon, dann Melanth (z. B. Rollenhagen); und Melanchthon für Schwarzert ist schon selbst möglichst albern. Wie gut, daß sich nicht auch Luther so gelehrtmodisch umgetauft hat. Und dann im Gefolge dieses Aufschwungs in die höhere Welt, die zugleich so albern war, die Menantes, Amaranthes, Oronthes, Sperontes u. s. w. man müßte sie endlich sammeln und ordentlich abhandeln, um an dem hohlen Kram doch Freude und Lehre zu haben. die Hauptsache daran ist ein ungefährer Wohlklang, mit Anklang teils an Römisch-Griechisches, teils an Italienisches oder unbestimmt Romanisches, teils an das französisch Griechische, das sich im 17. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert bei uns so widerlich breit machte. Wie albern ist z. B. Alceste als Mannsname, d. h. "Aluyoris, Gemahlin Admets. Noch bei Goethe wirkt das, wenn er Gestalten, die über

[ocr errors]

Die Kriegspoesie v. 1870/71 u. d.,,Kutschkelied". Von Herm. Unbescheid. 309

das Alltagsleben (über das „Gemeine") erhöht sein sollen, Fernando nennt, wie in der Stella, Alcest in den Mitschuldigen, noch in der Novelle Honorio wie dieser Geschmack langsam gewichen ist vor dem neuerwachten gesunden Gefühl, müßte aus dem 18./19. Jahrhundert dargestellt werden, aber auch welche Reste davon sich noch herumtreiben.

Spaßhaft ist mir dabei, wie sich in dies Gebiet ein gut Stück Alt= deutsches verirrt hat, also aus dem Gebiet, das von jenem Bildungsstandpunkt aus für barbarisch galt: die Belinde, Melinde, Philinde, Rosalinde, Selinde (zur Abwechslung auch Solande) gehen mit ihrem musikalischen Hauptstückchen, dem -linde, das nicht italienisch, griechisch, römisch ist, auf altdeutsche Frauennamen zurück, wie Theudelinde, Sigelinthätte man freilich die Bedeutung dieses altdeutschen -lindis, -lint gewußt (Schild), man hätte das in jener süßlichen Salon-Welt nicht brauchen tönnen.

Die Kriegspoefie von 1870/71 und das „Kutschkelied“.

Von Hermann Unbescheid in Dresden.

Der nahe bevorstehende Ablauf des Vierteljahrhunderts, seitdem die französische Kriegserklärung am 19. Juli 1870 erfolgte, weckt selbstver= ständlich auch die Erinnerungen an die große Zeit. Man mag noch so geringschäßig über die durch die gewaltigen Ereignisse hervorgerufene Kriegspoesie denken – und es ist kein Zweifel, daß bei der größeren Anzahl jener litterarischen Erzeugnisse mehr die vaterländische Gesinnung als der künstlerische Wert nachzurühmen ist der Geist jener ernsten, erhebenden, unvergeßlichen Tage spiegelt sich in ihr in überaus charakteristischer Weise. Wenn man nämlich absieht von dem, was die Stimmung des Augenblicks geschaffen, was Zorn, Erregung über den französischen Übermut und die sehr hochgehenden Wogen der Begeisterung hervorgerufen haben, so erscheinen diese Lieder, als Ganzes genommen, in fesselnder Weise als der Ausdruck der Ansichten und Empfindungen des deutschen Volkes, wissen eindringlicher als manches Geschichtswerk über des Krieges Ursachen und Folgen zu berichten und insbesondere in ergreifender und herzerfrischender Sprache uns klar zu machen, was wir ehemals gewesen und was wir durch die herrlichen Thaten unseres Heeres geworden sind. Gerade in lezterer Hinsicht ist diese Kriegspoesie unvergleichlich wertvoll auch für unsere Tage. Was wir ehemals gewesen sind! Wenn doch daran angesichts des Haders der Parteien, angesichts der Unzufriedenheit, die immer weitere Kreise erfaßt und an den mit schwerstem Opfer erkauften Errungenschaften zerstörend arbeitet,

das Bewußtsein in der Volksseele wieder recht lebendig werden wollte! Keine schönere Festgabe könnte dem teuren Manne im Sachsenwalde, der sein ganzes reiches Leben der Wiederherstellung des Deutschen Reiches gewidmet hat und das große Werk wie ein Kleinod behütet sehen möchte, zu seinem 80. Geburtstage dargebracht werden. Möchten die unzähligen Pilgerzüge zu ihm sich von dem Grundzug seines Wesens, unverbrüchlicher Treue gegen Kaiser und Reich, durchglühen lassen und Nord und Süd vereint den Eid erneuern, der in Tausenden von Liedern aus jenen Tagen, als wir wieder ein einig Volk von Brüdern wurden, geschworen wurde, und den niemand so heilig gehalten hat als — Bismarck!

unser

Gut geordnet, in reichhaltigen Sammlungen, ist die Kriegspoesie von 1870/71, die Kunst,,wie die Volkslyrik, auf uns gekommen - ein fast überreiches Material für die Forscher in späterer Zeit. Männer und Frauen, jedes Alter, jeder Stand, die daheim, wie die im Felde lieferten Beiträge, die meist durch Zeitungen und Flugblätter verbreitet wurden; man dichtete in hochdeutscher Sprache wie in den verschiedenen Mundarten, in fremden, in lebenden und toten Sprachen; nicht allein in Deutschland, auch im Auslande, in fernen Erdteilen regte sich poetisches Schaffen. Eine so eingehende Geschichte der blutigen Ereignisse und dessen, was ihnen voranging, bietet selbst die Kriegslyrik der Freiheitskriege nicht; selbst die kleinsten Vorkommnisse erfahren dichterische Behandlung. Es ist kein Zweifel, daß die das Volk bewegende Gedankenmasse lähmend wirkte auf die künstlerische Gestaltung des fast erdrückenden Stoffgebietes, aber als eine Chronik in Versen wird die Poesie jener Tage ihren Wert behalten. Kein Strich ist in dem großartigen Gemälde vergessen, und Scene um Scene des gewaltigen Dramas vergegenwärtigen uns diese Dichtungen: die treffende Abfertigung der Friedensbrecher, die Vorgänge in Ems, König Wilhelms Rückkehr nach Berlin, die französische Kriegserklärung, welche jede Spur von Zwietracht zwischen Nord und Süd mit einem Schlage beseitigte, die Erneuerung des Eisernen Kreuzes, die Erhebung Alldeutschlands, Abschied und Auszug der Truppen, der blutige Ringkampf auf dem Weißenburger Plan, der Eisenfaustschlag bei Wörth, der Spicherer Sturmeslauf, durch welchen das Thor von Frankreich aufgebrochen wurde, die Wiedergewinnung Straßburgs, der lieben Tochter der Heimat, das heiße Werben um Mez, „die stolze Maid“, und das Walten der Nemesis bei Sedan und vor Paris, der Verzweiflungskampf des Feindes im Norden und Osten, und in packendem Gegensatz zu dem hydraartigen Wüten desselben die Erneuerung der Kaiserkrone, die wie ein Phönix aus der Asche emporsteigt, und zuleßt die herzergreifenden Vorgänge beim Friedensschlusse und bei der Heimkehr, aus

denen uns der Frühlingsodem der Osterzeit und reinste Pfingstfreude entgegenwehen. Sehr charakteristisch ist für diese Kriegspoesie die in ihr verwobene reiche Fülle von Erinnerungen aus Sage und Geschichte: die Lorelei, vom leuchtenden Morgenrot umflossen, läßt von ihren Felsen Hochgesang erschallen. Armin rüstet sich, der furor teutonicus ergreift Germanias Söhne, Th. Körners,,Eisenbraut" wird wieder minniglich umworben und der Fahnenschwur des getreuen Eckardt (Arndt) erneuert. Nun stürmen sie über den Rhein, voran die Helden der Walhalla, ge= folgt von den Geistern der Kämpen aus den Befreiungskriegen. In den Kaisergrüften zu Aachen und Speier wird es lebendig, über den Kaiserwiegen Zollern und Staufen kreist der deutsche Aar. Der Birnbaum auf dem Walserfelde blüht wieder, und an seinem Ast hängt der Heerschild, ein greiser Held schlägt daran mit seinem guten Schwerte. Das Gewitter bricht los; mit der Begeisterung der Kreuzfahrer stürzen sie sich in den Kampf.,,Der Freiheit eine Gasse!" ruft der deutsche Winkelried. Der Tag der Rache für Ludwigs XIV. Mordbrennereien und Raubsystem ist endlich gekommen, der gesprengte Turm in Heidelberg ist der deutliche Mahnruf. Freudig grüßt Erwin von Steinbach vom hohen Münster in Straßburg die Heerscharen, und von Charlottenburg winkt die edle Königin segnend in die Ferne. Auf den Fluren Frankreichs, die von den Hugenottenkriegen und den Revolutionen mit Blut überschwemmt find, wird dem zweiten Kaiserreich ein zweites Leipzig und Waterloo bereitet. Umsonst späht der erschrockene Feind, ob nicht eine Jungfrau von Orleans ihm zur Rettung komme. Aber sie wendet ihren Blick von einem Volke, daß die feile Dirne sich zum Idol erkoren hat. Schon ist Rheims, die alte Krönungsstadt der Könige, und Orleans in den Händen der Sieger. Zum dritten Male in diesem Jahrhundert umspannt Paris der Eisengürtel des Feindes, und wie einst Ilium, Karthago, Jerusalem wird es bezwungen. Unter dem sieghaften Donner der Geschüße erschallt aus dem Saale in Versailles, wo einst welsche Tücke arglistige Pläne schmiedete, der Jubel über das neuerstandene, mächtige, einige Deutsche Reich!

Das bedeutsamste Interesse aber widmet diese vaterländische Dichtung den leitenden Persönlichkeiten der großen Zeit, allen voran dem greisen Heldenkönig Wilhelm von Preußen, der schon 1814 gegen die Franzosen mitgekämpft und an der Spiße des deutschen Heeres, den hingeworfenen Fehdehandschuh aufnehmend, gegen den übermütigen Erbfeind von neuem zu Felde zieht. Seine Pflichttreue, Tapferkeit, Herzensgüte und besonders seine Frömmigkeit, welche ihm auch die größten Erfolge als eine Wendung durch Gottes Führung" (Depesche 39) erscheinen läßt, strahlen im reinsten Lichte. Es ist bezeichnend, daß er in den ihm gewidmeten Liedern schon bei Beginn des Krieges als der sichere Erbe der Kaiser

« AnteriorContinuar »