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Ein weiterer Brief u. Reime R. Hildebrands an einen sein. früheren Schüler 2c. 367

Ein weiterer Brief und Reime Rudolf Hildebrands an einen seiner früheren Schüler auf St. Thomã.

Am Jahresschlusse 1879 schreibt Hildebrand an seinen (ob. S. 93/94) erwähnten, früheren Schüler:

Mein lieber Herr Doktor,

Ich schulde Ihnen Dank für mehrere freundliche Zusendungen, auch für Ihren Glückwunsch zur Verlobung meiner Tochter. Entschuldigen Sie mich mit gedrängter Arbeitslage bei noch zudringenden äußeren Dingen, die Geist und Seele vollauf in Anspruch nehmen, zum Teil mehr als vollauf. So bin ich auch in Ihrem Schriftchen über die merkwürdige . . . noch nicht weit gekommen, so sehr mich die Sache anspricht und belehrt. Aber die Dankschuld soll nicht ins neue Jahr mit hinüber gehen. Ich freue mich lebhaft, daß Sie im Aufklären... so rührig sind und daß Sie dabei meiner so liebenswürdig gedenken. Wissen Sie, daß ich beinah... einmal ans Staatsarchiv gekommen wäre? Es war ungefähr 1864,1) als mir der verstorb. Gersdorf eine Stelle unter der Hand antrug, und ich hatte ja wol Lust dazu, auch hielt mich nicht gerade die Schule ab (die mich elend2) genug bezahlte), aber ich war in Grimms Wörterbuch schon zu tief verstrickt und damit an Leipzig und die Verlagshandlung gefesselt, als daß ich da hätte abbrechen können. Gersdorf meinte damals, ein Sprachkenner wäre erwünscht, ja nöthig dort. . .

Ihre Schrift ist mir sehr belehrend und willkommen, die höchst unerquickliche Zeit wird da doch deutlicher in ihren innerlich gegebenen Nothwendigkeiten, auch z. B. des Kurfürsten Stellung und Verhalten wird mir nun erst begreiflich, auch sein Charakter deutlicher. Also besten Dank, liebster Herr Doktor, für alle Jhre Treue und Liebe, und meine besten Wünsche für Ihr eigenes Wohl zum neuen Jahr (das noch mit einer modernen Gräuelthat3) schließen muß!) u. s. w. Ihr herzlich dankbarer

R. Hildebrand."

Im Januar 1891 lud der Empfänger dieser, für ihren Schreiber überaus charakteristischen, auch sonst beachtenswerten Zeilen, Hildebrand

1) Nach Schladiß wurden Falke, bezw. von Posern-Klett Archivare (man vergl. die Staatshandbücher für das Königreich Sachsen 1862 ff.). 2) Er bezifferte 1870 seinen Jahresgehalt: 700 Thaler.

3) Gemeint ist das Attentat auf den Zaren, Alexander II., 1. 12. 79.

zu einem deutschen Schlachtfeste in sein Landhäuschen ein. In Reimen, die also begannen, schrieb dieser später:

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Der deutsche Unterricht in der pädagogischen Presse
des Jahres 1893.

Von Rud. Dietrich in Zürich.

Georg Heydner, ein Meister des deutschen Unterrichts in der Volksschule1), bemerkt im ersten seiner „drei wichtigen Kapitel vom Unterklassenlesebuch" (Prakt. Schulmann [Leipzig], Heft IV—VI) über die Anforderungen, die an den Herausgeber eines Volksschullesebuchs zu stellen sind:,,Wer nicht ein tiefes Verständnis der Kindesnatur besigt, wer seinen Geschmack nicht am besten, was auf dem Gebiete der Litteratur hervorgebracht wurde, gebildet hat; wer nicht auch die besten kritischen Schriften auf sich hat wirken lassen; wer nicht ein Freund des Volkstümlichen ist; wer nicht auch zu den anderen Künsten in einem Herzensverhältnis steht: der besißt nach meinem Dafürhalten die zur Herausgabe eines Lesebuchs nötige Qualität nicht." Im dritten Kapitel" verwirft H.,,die Einordnung der Lesestoffe nach realistischen Gesichtspunkten, überläßt vielmehr den humanistischen Stoffen die Führerrolle und schließt an diese die realistischen Stoffe, gemäß den realistischen Motiven der Hauptstoffe, an." Vom Lesen selbst, vom ,,richtigen Lesen" handelt Ph. Heß im Österr. Schulboten (Wien, H. II). Er wendet sich gegen die in den ungeheuer ausgedehnten Schichten der Mittelmäßigkeit noch immer ,, geltende“, von manchem wohl gar als wissenschaftlich geachtete Scheidung des Schullesens in „mechanisches, logisches und ästhetisches“. „Das erstere

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erklärt Heß — ist für sich allein ein der Schule nicht würdiges Unding, das leztere ein über die (Volks-) Schul-Sphäre hinausliegendes Höheres; das logische Lesen schließt das mechanische, soweit es Berechtigung

1) Vgl. seine beiden Schriften: Das Lesebuch in der Volksschule. Nürnberg, Korn 1891. Beiträge zur Kenntnis des kindlichen Seelenlebens. Leipzig, Richter 1894.

hat, ein und nimmt vom Ästhetischen herüber, was schulmöglich ist. Mit einem Worte, in der Schule giebt es nur ein logisches Lesen. Der geradezu bodenlose Widersinn des mechanischen Lesens in der landläufigen Bedeutung des Wortes liegt so klar auf der Hand, daß nur bornierte Unbelehrbarkeit sich dagegen sträuben kann". Und ganz so fügen wir hinzu verhält es sich mit dem ästhetischen Lesen". Das „logische“, das sinngemäße Lesen ist zugleich schön, soweit man überhaupt diese Bezeichnung auf das Lesen anwenden will oder darf. Also: es gilt nicht bloß in der Volksschule (wie Heß meint), sondern allenthalben ausschließlich sinngemäßes Lesen; es giebt jenseits der „Schulsphäre“ nichts „Höheres“.

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Aber gegenwärtig steht noch wie gesagt -jene Dreiheit in hohem Ansehen. Das wäre nun ein Punkt, wo von den Fortschritten, welche im Bereiche des deutschen Unterrichts während der lezten zehn Jahre thatsächlich gemacht worden sind, nichts zu spüren ist. Und es ist nicht der einzige Punkt dieser Art. Man beobachtet z. B. noch auffallend häufig Verstöße gegen Unterrichtsregeln, deren Naturgemäßheit doch völlig flar ist. Darum erscheint es durchaus nicht als überflüssig, wenn der Wolliner Rektor Neufeld (Pomm. Blätter f. d. Schule und ihre Freunde [Stettin], Nr. 4) in seinem Auffaze über „Sprache und Sprachzucht“ mahnt: „Vor allen Dingen ausreden lassen, nicht fortwährend unterbrechen! Fehler dürfen nicht durchgehen; aber die Schüler selbst sollen sie verbessern. Es giebt nichts, was die Aufmerksamkeit der Klasse mehr anregt und das Sprachvermögen mehr fördert. Schroffes Ablehnen und Dazwischenfahren schüchtert ein und macht mutlos. Daher kommen die vielen, die nicht antworten mögen, auch wenn sie es könnten; und mancher verdirbt es, weil er es ganz gut machen will, aber zaghaft und unsicher darangeht." Zu verbessern seien „die landläufigen Fehler, die jede Gegend hat". In diesem unermüdlichen Berichtigen liege „die eigentliche Aufgabe der Grammatik". Den gleichen Gedanken führt H. Wigge (,,Zur Analyse des kindlichen Sprachschazes“, Pädag. Zeitung [Berlin], Nr. 41. 42) weiter aus. Er erinnert zunächst an das Wort Vollbedings (in dessen „Katechismus der deutschen Sprache" v. J. 1798):,,Man spreche mit dem Kinde fleißig und lasse dasselbe alle Sprachfehler vermeiden. Dann lasse man es die besten deutschen Schriftsteller fleißig lesen. Ganz zuleht, wenn es der junge Mann soweit gebracht hat, daß er richtig sprechen und schreiben kann, lehre man ihn die Regeln der Sprache selbst." Ob denn dieser Grundsaß bei uns allgemein gelte? Das sei nun zwar zu verneinen; aber wir sind (doch wenigstens) heraus aus dem grammatischen Aberglauben". Das „Prinzip der Gewöhnung“ (im Gegensatz zu demjenigen der Belehrung) ist als

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das einzig richtige anerkannt, wird tiefer und schärfer durchdacht ob seiner praktischen Gestaltung, und was dabei herausgesprungen ist für die Schulpraxis, das eben ist der Fortschritt, den wir gemacht haben." Objekt der Gewöhnung muß des Kindes eigener Sprachschatz sein. Die grammatischen Fehler, die mündlich und schriftlich zum Vorschein kommen, find die natürlichen Anknüpfungspunkte und damit „fällt die ganze Mustersagtheorie". Im übrigen verweist W. auf die Vorschläge des Rektors Krause-Cöthen1), die er folgendermaßen beurteilt: „Sie sind nach meinem Dafürhalten das Ergebnis einer hundertjährigen, in Kreuzund Querzügen aufgegangenen Entwicklung. Ihre Verwirklichung würde der erste Schritt sein, den die Schulpraxis über Vollbeding hinaus thun würde. Bis jezt hat sie ihn nicht gemacht. Den Fortschritt herbeizuführen liegt allein an uns; er geht nur durch unser Wollen." Und wie Krause „eine sorgsame Analyse des kindlichen Sprachschazes ob seiner grammatischen Fehlerhaftigkeit während des gesamten Sprachunterrichts" verlangt, so fordert W. das Gleiche für die Sazkonstruktionen zum Zwecke der Zeichenseßung. Die gesammelten Ergebnisse dieser und jener Analyse" bilden des Lehrers wertvollsten Leitfaden.

In demselben Fachblatte (Nr. 24) legt E. Wilke die Vorteile des „Unterrichts in der Wortkunde" dar; er beruft sich im ganzen und einzelnen auf Rudolf Hildebrand und bringt eine Anzahl Beispiele.*) Mit Recht betont er auch, daß der Lehrer, wenn er sich eine weit und tiefgehende Wortkenntnis erworben hat, ein feines Gefühl dafür besigt, ob die Kinder seine Worte verstehen oder nicht. Dieses Gefühl ist eine der vorzüglichsten Lehrergaben." Auf Seiten der Kinder werden Wortkenntnis und Wortverständnis „, oft ohne weiteres vorausgesetzt; der Erfolg des Unterrichts ist dann ein totes Wortwissen, ein Maulbrauchen“. Solches

1) Vgl. Jahrg. 1893 d. 3., S. 829, 831/2.

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2) Seine Veranschaulichung und Ausprägung der Begriffe mutig (Übermut), tapfer, kühn erscheint mir nicht einwandfrei. Und wo bleibt die Erziehung zur Wahrhaftigkeit (die W. selbst stark betont), wenn er nur um mit dem Hamen (Fangnez) unser hämisch erklären zu können behauptet, Fischer und Jäger (die das Nez ausstellen),,, empfinden Freude über den Schaden, den die Tiere haben"? Übrigens wird beim Unterricht in der Wortkunde auf die Haussprache (Mundart) der Kinder Rücksicht zu nehmen sein. Nun bedeutet in der Gegend von Stuttgart (wohl nicht dort allein) tapfer - schnell, auch sofort; 3. B.:,,lauf tapfer"= lauf schnell; „tapfer iß“= sofort ißt du (etwa Kindern gegenüber, die eine Speise nicht mögen, deshalb zögern u. s. w.); „tapfer tapfer!“ Wie gelangt man (in der Schule) von diesem mundartlichen zum schriftgemäßen tapfer? Vielleicht indem man von dem „tapfer iß“ ausgeht, auf die Überwindung zu sprechen kommt, die es kostet, etwas, das unangenehm schmeckt, zu essen, und ,, ganz aufzuessen". Weigand und Sanders erwähnen den schwäbischen Begriff nicht, und Grimms Wörterbuch ist noch nicht soweit gediehen.

zu verhüten, ist Aufgabe des Unterrichts in der Wortkunde, der damit zugleich der Erziehung zur Wahrhaftigkeit die besten Dienste leistet. Übrigens müsse man in ihm - meint Wilke — ein Zeichen der Zeit erkennen; er unterstüße das „Streben“, das heute „in der Pädagogik dahin geht, zur Natur zurückzukehren, die Kinder als Kinder zu behandeln, den Lehrer freier auf das Kind einwirken zu lassen und darum die alten Unterrichtsformen zu zerbrechen, die aus einer Überschäßung der Unterrichtsstoffe hervorgegangen waren".

"

rät

An dem Zerbrechen der alten Unterrichtsformen" beteiligt sich u. a. auch ein Berner Lehrer. Es dürfte für unsere Leser von besonderem Interesse sein, seine „Ratschläge zum Kapitel des Aufsages“ (Berner Schulblatt Nr. 46) zu vernehmen. Es spricht da ein muskelund nervenstarker Herr, der entschieden und derb dreinfährt, wenn es ihm zweckmäßig erscheint, Erfolg verspricht der sich alles mundgerecht macht, mag es auch auf Kosten des Sprachgeistes oder des guten Geschmacks gehen. (Er redet z. B. von der „Loskriegung des richtigen sprachlichen Ausdrucks".) Troßdem oder vielleicht eben deswegen ist der Beitrag zum „Kapitel“, auch „Fach des Auffahes“ gar unterhaltsam, auch anregend zu lesen. Für die Inhaltsangaben“ wähle man der ungenannte Schulmann - kurze, interessante, weder in den Schulbüchern sich vorfindende, noch den Kindern sonst bekannte Erzählungen, vorzüglich solche mit lustigem und wißigem Inhalt. „Zu Beschreibungen wähle man den ersten besten bestimmten Gegenstand, der nicht schon in den ersten Schuljahren im Anschauungsunterricht breitgequetscht worden ist.",,Bei der Präparation ist der Gebrauch der Mundart nicht nur zulässig, sondern geboten: a) um schnell ein intensives und unmittelbares Verständnis des Themas zu ermöglichen, b) um eine gedächtnismäßige, fast Sag für Saz gleichlautende schriftliche Wiedergabe zu verunmöglichen." Ein Haupterfordernis, von dem meinen Erfahrungen zufolge 10 des Erfolges beim Aufsaßunterricht abhängt, ist, daß der Lehrer mit eiserner Zucht und Strenge darauf dringt, daß jeder Buchstabe, jede Zahl und jedes Zeichen sauber und korrekt geschrieben werden." (Des= halb läßt er in allen außer den beiden obersten - Klassen,,jeweilen zu Anfang des Schuljahres“ auf die erste Heftseite zehn Schreibregeln eintragen.) Das gut vorbereitete Aufsäßchen wird ohne weiteres ins Aufsazheft geschrieben“ (kein „Aufseßen“ vorher); bei der Korrektur wird auch „jeder unkorrekte Buchstabe u. s. w. und jedes Geschmier“ an= gestrichen. Diese Striche müssen von den Schülern gezählt und auf der ersten Linie nach dem Auffah verzeichnet werden wie folgt: Schmierstriche u. s. w. Das hilft und: Sauberheit, Nettigkeit und Korrektheit alles gewonnen."

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in der Schrift gewonnen

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