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Das Tier ist dem Menschen lieb und wert, mag er es jagen, züchten oder mit ihm spielen. Die Kinder behandeln Hund und Kaze ganz wie ihre Spielkameraden, und in diesem Verkehr wird der Grund gelegt für die Liebe zur Tiersage. An Hund und Kaze üben sie sich, das Menschenähnliche aus der Natur herauszuschauen. Welche Freude erregt dann die Geschichte von dem Wettlauf des Hasen mit dem Swinegel. Sie ist ja ein Vorspiel für den Sieg des Fuchses über den Löwen und die anderen Tiere. Ist in dem elterlichen Hause oder in den unteren Schulklassen das Nacherzählen der in Prosa aufgelösten Geschichten vom Reineke Fuchs geübt worden, so können auf der Altersstufe von 14 bis 16 Jahren die Hauptstellen aus Goethes Bearbeitung gelesen und schriftlich und mündlich in gute Prosa umgewandelt werden. Wenn in dieser Weise der Stoff eingeprägt ist, so wird auch der Lehrer in Mittel und Süddeutschland bei dem Vorlesen aus dem niederdeutschen Reinke de Vos aufmerksame Zuhörer finden.

Auf diesen Grundlagen können dann die Gymnasien und Realgymnasien weiterbauen und in der Oberklasse den flandrischen Reinaert erklären. Einige Schwierigkeit macht anfangs das Vorlesen, besonders die Aussprache des "g". Doch die Freude an dem eigenartigen und dem Wesen des Komischen entsprechenden Klang der vlämischen Mundart, die durch Friz Reuter uns nahe gelegt ist, überflügelt bald diese kleine Mühe.

Möge Willems Reinaert hinfort nicht bloß in der Litteraturgeschichte genannt werden, sondern in dem dichterischen Hausschaß des deutschen Volkes eine bevorzugte Stelle einnehmen. Irren wir nicht, so sagt dieses Gedicht, an welchem Nationen und Jahrhunderte mitgearbeitet haben, dem Geiste der Gegenwart nicht weniger zu als das schicksalsschwere Nibelungenlied und Walther von der Vogelweide mit seinem vaterländischen Sinn und seiner freimütigen Beurteilung der öffentlichen Verhältnisse in Staat und Kirche.

Es ist recht schade, daß die Brüder Grimm nicht Willems Reinaert in Prosa für die Jugend bearbeiteten. Sie verstanden sich ja so meisterhaft auf den volkstümlichen Ton des Märchens. Dann wäre dieses treffliche Gedicht schon längst Gemeingut aller geworden, und der Urtext hätte in den höheren Schulen und in den gebildeten Kreisen Eingang gefunden. Das Werk Willems ist eine unversiegbare Quelle der Erholung und Erquickung, und es erhält unsere Liebe zur Natur wach, daß wir in Haus und Hof, in Feld und Wald und in den zoologischen Gärten das Thun und Treiben der Tiere und ihre Menschenähnlichkeit beobachten und daran volle Freude finden.

Die Huldigungsfahrt d. höh. Lehrerschaft nach Friedrichsruh. Von Joh. Kreuzer. 393

Die Huldigungsfahrt der höheren Lehrerschaft

nach Friedrichsruh.

Von Joh. Kreußer in Köln a. Rh.

Der 8. April des Jahres 1895 ist für die höhere Lehrerschaft Preußens und Deutschlands ein Ehrentag und ein Tag der Freude geworden, wie ihr ein zweiter noch niemals aufgegangen war. Ein Ehrentag weil sie durch die Huldigung, die sie dem greisen Staatsmann in Friedrichsruh darbrachte, des alten Ruhmes, Hort und Hüterin des nationalen Jdealismus zu sein, sich von neuem wert erwiesen hat, und ein Tag der Freude, weil dort von dem historisch gewordenen Schloßaltan herab aus dem Munde des Gewaltigen, bei deffen Stimme einst der Erdball aufhorchte, Worte an uns gerichtet wurden, so voll herzerquickender Anerkennung und goldener Weisheit, daß sie weit über den Kreis der Lehrerschaft hinaus einen freudigen Widerhall geweckt haben. Den glücklichen Zeugen der Feier wird die Erinnerung an jene Weihestunde nie verblassen; aber zum Frommen derer, die nur im Geiste zugegen sein konnten, und der anderen, die nach uns im Garten der deutschen Jugend thätig sein werden, mögen dem Verlauf der Feier und ihrer Bedeutung diese Blätter gewidmet sein.

Wem das Verdienst gebühre, die erste Anregung zu der Huldigung gegeben zu haben, ist eine müßige Frage. Die Sache lag gleichsam in der Luft, und wer immer das Wort zuerst ausgesprochen haben mag, der Gedanke, von Standes wegen dem Fürsten Bismarck zu seinem achtzigsten Geburtstag eine Huldigung darzubringen, war in den Kreisen der höheren Lehrerschaft schon allenthalben lebendig, als Herr Professor Mohrmann in Hannover im Auftrag des Vorortes der Provinzialvereine seinen Aufruf ergehen ließ. Wie wenig überhaupt zu dieser Frühlingsfahrt in den Sachsenwald eine Werbetrommel oder sonst etwas der Art gerührt worden ist, kann man daraus ersehen, daß ein Direktor in einer großen Stadt der Rheinprovinz zu seinem größten Bedauern von der beabsichtigten Fahrt erst erfuhr, als sie schon vorüber war. Dieses gleichsam NichtGemachte gab der ganzen Sache ein besonderes Gepräge; ihm mögen es auch die Standesgenossen außerhalb Preußens zuschreiben, daß ihnen zu der Huldigung, die von Haus aus überdies als eine Angelegenheit der preußischen Provinzialvereine gedacht war, keine ausdrückliche Einladung zugegangen ist. Sicherlich würden aus dem deutschen Süden, wo ja in den letzten Jahren die Flammen der Begeisterung für den Schöpfer des Reiches bisweilen zu einer Höhe aufloderten, die den kühleren

Zeitschrift f. d. deutschen Unterricht. 9. Jahrg. 5. u. 6. Heft.

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Norden in Erstaunen sezte, noch manche herbeigeeilt sein. Die Thatsache, daß man ihre Abwesenheit allgemein und aufrichtig bedauerte, als es zu einer Einladung zu spät war, ist vielleicht geeignet, sie in etwas zu trösten.

Am 5. April kam die Nachricht, daß der Fürst den Empfang auf den achten festgesezt hatte. Nicht wenige von den Festgenossen kamen schon am 7. April in Hamburg an und hatten, wenn sie es noch nicht wußten, Gelegenheit zu sehen, wie diese Stadt sich an einem trostlos verregneten Sonntagvormittag darstellt. Am Nachmittag klärte sich der Himmel, aber die Hoffnungen, die daran geknüpft wurden, stimmte der wolkenbehangene Morgen des achten April wieder herab. Kurz vor 10 Uhr kamen die ersten Plänkler darunter der Verfasser dieses Berichtes in Friedrichsruh an, und sie hatten sonach ausgiebige Zeit, diesen Ort und die Umgebung des Schlosses in Augenschein zu nehmen.

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Der Sachsenwald wird, um auch das noch einmal zu sagen, von der Bahnlinie Berlin-Hamburg durchschnitten, Friedrichsruh ist von Hamburg aus die zweite Station und in einer kleinen halben Stunde erreichbar. Das Schloß des Fürsten, oder richtiger gesagt, sein Landhaus, liegt nur einige hundert Schritte vom Bahnhof entfernt. Nach dieser Seite hin ist die Besizung von einer ziemlich hohen Mauer umgeben, während auf den übrigen Seiten lebende Hecken den Zusammenhang des Parkes mit dem Sachsenwald nicht wesentlich stören. Fürst Bismarck ist offenbar kein Freund jener Gartenbaukunst, die der Natur viel Zwang anthut, eine Abneigung, die er bekanntlich mit den meisten Landwirten teilt und die vielleicht in demselben Grunde wurzelt, aus dem er als Staatsmann die urwüchsige, sieghafte Kraft des Willens und Gedankens geschöpft hat. Auch in seinem Park läßt er wachsen, was wachsen will. Das Wohnhaus, ursprünglich in seinem Grundriß ein längliches Rechteck, ist jest an seiner der Eisenbahn zugewandten Schmalseite durch den Anbau eines Flügels vergrößert; an der anderen Schmalseite steht, dem Park zugekehrt, der Altan, vor dem sich in den lezten Wochen ein erhebendes Stück Zeitgeschichte abgespielt hat.

Jenseits der Bahn, dem Schloß gegenüber, winkte uns beim Austritt aus dem Bahnhof auf einer kleinen Erhebung die von den Bewohnern Anhalts gewidmete Hirschgruppe, ein mächtiges Bronzestück, zur Besichtigung heran. Die stolze Haltung des edlen Tieres, das soeben einen von der kläffenden Meute, der sich zu nahe herangewagt hatte, niedergestreckt hat und dadurch einen zweiten zurückscheucht, soll dem Fürsten beim ersten Anblick die Bemerkung entlockt haben, er glaube nicht, daß er in der Zeit seiner politischen Kämpfe jemals so siegesbewußt vor seinen Gegnern gestanden habe. Von der Terrasse, auf der die Gruppe

steht, öffnete sich ein Ausblick auf das wellenförmige Gelände des Sachsenwaldes und mahnte zu einem Morgengang. Aber bald trieb ein Regen uns zur Rückkehr nach dem Bahnhof, wo unterdessen mit jedem Zuge neue Festgefährten angelangt waren. Herzliche Scenen der Begrüßung und freudige Rufe des Wiedererkennens belebten das Bild, denn an jenem Morgen fand wohl ein jeder auf dem kleinen Bahnhof in Friedrichsruh einen Freund, dem er vor Jahren beim Abschied von der Alma mater zum letzten Male die Hand gedrückt hatte. Als sodann gegen 12 Uhr noch zwei Sonderzüge mit Gästen aus Berlin eingelaufen waren, belief sich die Zahl der Anwesenden auf mehr als neunhundert.

Der Zeiger der Bahnhofsuhr rückte auf halb eins, und schon erwarteten wir das Zeichen zur Aufstellung, da bringt Herr Dr. Chrysander die Meldung, daß der Fürst wegen der Ungunst des Wetters uns nicht vor dem Schloß empfangen könne; er werde auf den Bahnhof kommen und wolle dort in der großen Halle, die aus Anlaß der jüngsten Feierlichkeiten erbaut worden war, die ihm zugedachte Huldigung entgegennehmen. Bei dieser Nachricht gab es viele enttäuschte und betrübte Gesichter. Dann aber begann in der Halle, wo in der Eile für den Fürsten eine Art Podium hergestellt wurde, ein Wogen und Drängen, das bei dem allgemeinen Verlangen, den Fürsten in möglichster Nähe zu sehen und zu hören, zwar unvermeidlich war, im übrigen aber doch die Besorgnis aufkommen ließ, daß der Feier in ihrer äußern Würde vielleicht eine Einbuße drohe. Zum Glück aber kam es anders: Die Sonne hatte für eine Weile das neidische Gewölk verscheucht, und jezt kam eine zweite Meldung, die uns vor das Schloß rief.

Kurz nach 1 Uhr sehte sich der stattliche Zug, dem eine Kapelle voranschritt, vom Bahnhof aus in Bewegung. Als er sich vor dem Schlosse aufgestellt hatte, erschien der Fürst, in Mantel und Schlapphut, in der Mitte der Seinigen auf dem Altan, und während er unsern begeisterten Hochruf nach allen Seiten mit freundlichem Gruß erwiderte, wurde uns Gott sei es gedankt — eins zur Gewißheit: daß er noch immer der alte war, der eiserne, dem die Last von achtzig Jahren und die Arbeit, die er für Jahrhunderte gethan, das blizende Auge noch nicht getrübt, Haupt und Schulter noch nicht gebeugt haben.

Als der Sturm des Jubels sich gelegt hatte, trat Gymnasialdirektor Jäger aus Köln an der Spize des Komitees auf den Fürsten zu und richtete an ihn die folgende Ansprache:

,,Im Namen der hier versammelten Lehrer der preußischen höheren Schulen, im Namen vieler Tausende von Berufsgenossen aus allen Gauen Deutschlands, im Namen endlich der heranreifenden

Jugend, deren ungezählte Massen einmütig hinter uns stehen, bitte ich um die Erlaubnis, an Ew. Durchlaucht einige Worte zu richten.

Nachdem an Ew. Durchlaucht in den lezten Tagen so vielfach begeisterte Kundgebungen gerichtet worden sind, würde es auffällig erscheinen, wenn die Lehrer der höheren Lehranstalten fehlen würden. Ew. Durchlaucht würden freilich wenig entbehren bei dem allgemeinen überwältigenden Zuruf aus allen Gauen unsres Landes, aber wir und die Jugend, die wir vertreten, die würden für ihr Leben etwas entbehren, wenn sie nicht auch unter denen wären, die vor Ihrem Angesichte ihre Glückwünsche niederlegen dürfen, und aus vollem Herzen danken wir Ew. Durchlaucht, daß Sie uns gestattet haben, persönlich unsre Wünsche darzubringen. Alle Kreise unsrer Nation, an der Spize unser kaiserlicher und königlicher Herr, das Heer, die Staatsmänner und Diplomaten, der Handel, die Industrie, die Landwirtschaft, ungezählte Städte und Korporationen, die Universitäten, fie alle suchen heute Ew. Durchlaucht in einem besonderen Sinne den Ihrigen zu nennen. Ew. Durchlaucht müssen es sich wohl gefallen lassen, daß auch wir Lehrer ein wenig den Anspruch erheben, Sie den unsern zu nennen, und wenn in unserem Idealstaate etwas derart möglich wäre, würden wir Sie bitten, das Ehrenbürgerrecht unserer Gemeinschaft zu übernehmen. Ich rede nicht von den Lehren, den gewaltigen und großen, die Ihr Leben und Ihre unsterblichen Thaten unserer Nation gegeben haben, und aus denen sie hoffentlich Weisheit schöpfen wird. Aber auch in den letzten Tagen noch haben Ew. Durchlaucht sich als Lehrer unserer Nation bewährt und bewiesen, indem Sie allen, die das Glück hatten, Ihnen nahe zu treten, Worte tiefsten Lebensgehaltes in die Seele gesprochen haben, und indem Sie allen diesen Kreisen und dadurch unsrer Nation das Vertrauen in die Zukunft unsres Volkes gestärkt haben, jenes Vertrauen in die Zukunft unsres Volkes, das die schönste Kraft unsres Berufes bildet. Wir haben die Empfindungen, die uns an diesem Tage Ew. Durchlaucht gegenüber erfüllen, niederzulegen uns erlaubt in einer Adresse, die ich bitte, Ew. Durchlaucht vorlesen zu dürfen."

Als der Fürst durch ein freundliches Nicken des Kopfes seine Zustimmung zu erkennen gab, verlas der Redner folgende Adresse:

"

Durchlauchtigster Fürst! Bei den zahllosen Kundgebungen der Dankbarkeit, welche die Nation Ew. Durchlaucht heute darbringt, wollen und können auch wir, die Lehrer der vaterländischen höheren Schulen, nicht zurückbleiben. Wir wissen es und sind stolz darauf,

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