Der Schweden Beispiel weckt einmal 50 In uns viel Andachtsflammen; Der Eifer war mehr Ernst als Schein, 55 Hat etwan auch viel Plagen Des Vaterlands verschlagen. Wie ernstlich war ich dort ein Christ, 60 Persönlich zu umfangen! 65 Wie freudig dacht' ich an den Tod! Mit was vor Liebe, Trost und Treu Wenn etwa blinde Tyrannei Das Stiefkind hart geschlagen! Wir stritten leicht; doch aller Streit 70 War stündliche Versöhnlichkeit, 75 Und von der Eltern Gaben Mußt' jeder etwas haben. Jest lern' ich leider allzu früh Es ist doch nichts, als Wind und Müh, Es gaukeln Reichtum, Stand und Kunst, Die Wollust macht nur blauen Dunst. 80 Muß allzeit Reu gebären. Mein eignes Kreuz ist überhaupt Ein Bündnis aller Schmerzen 49 Karl XII., der 1706 durch Schlesien zog, soll öffentliche Morgenund Abendandachten gehalten haben. 56 verschlagen, ferngehalten; humoristisch. 63 vor = für. Not, Todesnot. 67 vermutlich: Wenn unter den Spielgefährten schlecht behandelte Stiefkinder waren. trügt uns, spiegelt vor. 78 be= Und geht mir, weil es niemand glaubt, 85 Ach, Himmel, mindre meine Qual! und mehre sie zum Sterben. 3. Abendlied. (Gekürzt.) Abermal ein Teil vom Jahre, Herr und Schöpfer aller Dinge! Treuer Vater, deine Güte 25 Nach Vermögen zu erfüllen. Das Verdienst der vielen Wunden, Die mein Heiland scharf gefühlt, 15 nicht einfache (schlichte), sondern große Sünden. Hat in seinen Todesstunden Laß mich an der Brust erwarmen, Gute Nacht, ihr eitlen Sorgen! 4. Zuversicht im Elend. Meines Lebens schwerer Lauf Für den Stern den Donnerstrahl. 29 Sprich das Urteil nicht. 31. 32 Verschone mich in dieser Nacht mit Strafe. Nicht verzweifeln ist ein Werk 20 25 30 Elend stets mit Elend ab. Seufzer sind mein Zeitvertreib, Brot und Trunk mischt Asch und Tränen; Freunde weichen wie das Laub, Ach, wie schrei' ich, ach, wie viel Doch was überfällt mein Herz O, wo ist's denn schon vor Schmerz? 40 Bin ich etwa gar verschieden? 45 Oder gibt ein Traumgesicht Mir nur Schatten für das Licht? Herr, verzeih der Ungeduld, 20 vermischt sich mit. 42 Einbildung statt der Wirklichkeit. 12 Gottsched und seine schweizerischen Gegner Bodmer und Breitinger. Sünden, greift mich grausam an! 50 Sorgen, kränkt mein schwach Gemüte! Feinde, raset! Mißgunst, wüte! Gottsched und seine schweizerischen Gegner Der sogenannte „Streit der Leipziger und Schweizer“ hat den Grund gelegt zu einem tieferen Eindringen in das Verständnis vom Wesen und der Aufgabe der Poesie und der Kunst überhaupt. Lessing hat durch seine kritischen Schriften, im Laokoon und in der Hamburgischen Dramaturgie, beide Parteien abgetan, aber gerade zum Verständnis der Bedeutung Lessingscher Kritik ist ein Einblick in diesen berühmten literarischen Kampf notwendig. Hier seien die wichtigsten Punkte, um die es sich handelte, vorangestellt, die nachfolgenden Stellen aus den wichtigsten Werken der Streitenden sollen die Belegstellen dazu sein. 1. Das beiden Gemeinsame ist die Auffassung der Poesie als Nachahmung der Natur, und zwar als gleichsam redende Malerei. Schön und darstellenswert nach beiden ist nur das Ungewohnte, Neue; dessen höchste Stufe ist das Wunderbare, das Wunderbare muß aber immer wahrscheinlich bleiben. Über den Unterschied der redenden und bildenden Künste, den Lessing im Laokoon bahnbrechend behandelt, haben beide nur unklare und ganz oberflächliche Ansichten. Sie stimmen ferner überein in der Ansicht von der Aufgabe der Poesie: sie soll moralisch bessern und belchren, und dies tut sie in der Form ergößender, angenehmer Unterhaltung. 2. Die Gegensäße zwischen beiden beruhen im leßten Grunde nur darauf, daß Gottsched für die gesamte dichterische Tätigkeit, sowohl hinsicht lich der Naturnachahmung (d. i. des Stoffes) als hinsichtlich der Ergößung, d. h. der dichterischen Einkleidung (der Form) die Vernunft oberste Richterin sein läßt, während die Schweizer der Phantasie den weitesten Spielraum einräumen als einem Reiche für sich mit seinen eigenen Geseyen, nämlich denen des ästhetisch Schönen. So gipfelt schließlich der Gegensah in ihren Lehren vom Wunderbaren und dessen Verhältnis zum Wahrscheinlichen in der Poesie. Dies zu erläutern dienen die unten angezogenen Abschnitte. Damit hängt endlich auch die Aufstellung der Muster zusammen. Gottsched konnte sie nur in der verstandes |