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Er ist ein Wurm, ein Sandkorn in der Welt;

Die Welt ist selbst ein Punkt, wann ich an dir sie messe.
Nur halb gereistes Nichts, seit gestern bin ich kaum,
Und morgen wird ins Nichts mein halbes Wesen kehren;
Mein Lebenslauf ist wie ein Mittagstraum,

Wie hofft er dann, den deinen auszuwähren?

3. Trauerode, beim Absterben seiner geliebten

Mariane.1)

Nov. 1736. (Gekürzt.)

Soll ich von deinem Tode singen?

O Mariane! welch ein Lied,

Wann Seufzer mit den Worten ringen
Und ein Begriff den andern flieht!
Die Lust, die ich an dir empfunden,
Vergrößert jegund meine Not;
Ich öffne meines Herzens Wunden
Und fühle nochmals deinen Tod.

Nicht Reden, die der Wig gebieret,
Nicht Dichterklagen fang' ich an;
Nur Seufzer, die ein Herz verlieret,
Wann es sein Leid nicht fassen kann.
Ja, meine Seele will ich schildern,
Von Lieb' und Traurigkeit verwirrt,
Wie fie, ergözt an Trauerbildern,
In Kummerlabyrinthen irrt!

Wo flieh' ich hin? In diesen Toren
Hat jeder Ort, was mich erschreckt!
Das Haus hier, wo ich dich verloren;
Der Tempel dort, der dich bedeckt;

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Hier Kinder - ach! mein Blut muß lodern
Beim zarten Abdruck deiner Zier,

Wann sie dich stammelnd von mir fordern;
Wo flieh' ich hin? Ach! gern zu dir!

1) Älteste Tochter des Herrn Samuel Wyß, vermählt 1731, gest. 30. Oftober 1736 einen Monat nach der übersiedelung nach Göttingen.

25 soll mein Herz nicht um dich weinen?
Hier ist kein Freund dir nah als ich.
Wer riß dich aus dem Schoß der Deinen?
Du ließest sie und wähltest mich.

Dein Vaterland, dein Recht zum Glücke,
30 Das dein Verdienst und Blut dir gab,
Die find's, wovon ich dich entrücke;
Wohin zu eilen? In dein Grab!

Dort in den bittern Abschiedsstunden,
Wie deine Schwester an dir hing,
35 Wie, mit dem Land gemach verschwunden,
Sie unserm letzten Blick entging;
Sprachst du zu mir mit holder Güte,
Die mit gelaßner Wehmut stritt:
„Ich geh' mit ruhigem Gemüte,
40 Was fehlt mir? Haller kommt ja mit!"
Wie bald verließest du die Jugend
Und floh'st die Welt, um mein zu sein;
Du mied'st den Weg gemeiner Tugend
Und warest schön für mich allein.

45 Dein Herz hing ganz an meinem Herzen
Und sorgte nicht für dein Geschick;

Voll Angst bei meinem kleinsten Schmerzen,
Entzückt auf einen frohen Blick.

Ein nie am Eiteln fester Wille,
50 Der sich nach Gottes Fügung bog,
Vergnüglichkeit und sanfte Stille,
Die weder Glück noch Leid bewog,
Ein Vorbild kluger Zucht an Kindern,
Ein ohne Blindheit zartes Herz,

55 Ein Herz, gemacht, mein Leid zu mindern,
War meine Lust und ist mein Schmerz.

Ach! herzlich hab' ich dich geliebet,
Weit mehr, als ich dir kund gemacht,
Mehr als die Welt mir Glauben gibet,

60 Mehr als ich selbst vorhin gedacht.

35 Die Reise nach Göttingen fing zu Schiff an. (Haller.) 47 Schmerzen, schwache Dekl.

Wie oft, wann ich dich innigst füßte,
Erzitterte mein Herz und sprach:

"

Wie? wann ich sie verlassen müßte!"
Und heimlich folgten Tränen nach.

65 Jm dicksten Wald, bei finstern Buchen,
Wo niemand meine Klagen hört,
Will ich dein holdes Bildnis suchen,
Wo niemand mein Gedächtnis stört.
Ich will dich sehen, wie du gingest,
70 Wie traurig, wann ich Abschied nahm!
Wie zärtlich, wann du mich umfingest,
Wie freudig, wann ich wiederkam!

Auch in des Himmels tiefer Ferne
Will ich im Dunkeln nach dir sehn
75 Und forschen, weiter als die Sterne,
Die unter deinen Füßen drehn.

Dort wird an dir die Unschuld glänzen
Vom Licht verflärter Wissenschaft;
Dort schwingt sich aus den alten Grenzen
80 Der Seele neu entbundne Kraft!

Vollkommenste! die ich auf Erden So stark und doch nicht g'nug geliebt! Wie liebenswürdig wirst du werden, 85 Nun dich ein himmlisch Licht umgibt. Mich überfällt ein brünstigs Hoffen, sprich zu meinem Wunsch nicht nein! halt die Arme für mich offen! Ich eile, ewig dein zu sein!

VI.

Friedrich von Hagedorn.

Geb. zu Hamburg am 23. April 1708, studierte in Jena die Nechte, lebte einige Jahre als Privatsekretär des dänischen Gesandten in London und seit 1733 als Sekretär der englischen Handelsgesellschaft in Hamburg, wo er 1754 starb. Er war mit französischer und englischer Bildung vertraut, liebte besonders die anakreontische Poesie der Alten und verherrlichte in leichter und gefälliger Form den Lebensgenuß. Im Tone anmutiger Unterhaltung sind auch seine Fabeln und Erzählungen geschrieben, mit denen er der Vorliebe der Zeit für diese Dichtung Rechnung strug. Der literarische Streit berührte ihn nicht, aber er war, wie der Leipziger Kreis der „Bremer Beiträger“, der ihn hoch verehrte (vgl. Klopst. „An Giseke“), der Gottschedschen Richtung fremd. „Er war der erste ueuere deutsche Dichter, welcher den Geschmack und die Korrektheit der Minnesänger wieder erreichte und dadurch für unsere Literatur zurückgewann.“ [Scherer.] 1. Griechische Scolien.

Möchten wir doch nur erkennen,
Was ein jeder wirklich ist!
Könnten wir die Brust eröffnen
Und, wann wir ins Herz gesehn,
5 Wiederum die Brust verschließen
Und uns dann erst Freunde wählen,
Die getreu und redlich sind.

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=

1 Nachdichtungen griechischer Strophen (oxóliov sc. μélos gefang). Die Originale bei Athenaeus. V. 8-21 von Alcaeus.

Rund

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Du Rufer zwischen Rohr und Sträuchen, Schrei immer mutig durch den Wald!

So lange deine Stimm erschallt,

Wird weder Gras noch Laub verbleichen.

5 Uns spricht der Scheinfreund, so wie du,
Allein bei gutem Wetter zu.

Auch du verschweigst nicht deine Lieder,
Vielleicht aus edler Ruhmbegier;

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