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15 Doch ist ihm wohl die Not benommen,
Da statt der Schuldner Schmeichler kommen?
So oft er trinkt, so oft er ißt,
Kommt einer, der ihn durstig küßt,
Nach seinem Wohlsein ängstlich fraget
20 Und ihn mit Höflichkeit und List,
Mit Loben und Bewundern plaget

Und doch durch alles nichts, als daß ihn hungert, saget. „O Glücke!" rief Aret, „soll eins von beiden sein, Kann alle Klugheit nicht von Schmeichlern mich befrein: 25 So will ich mich von Schuldnern lieber hassen, Als mich von Schmeichlern lieben lassen.

Vor jenen kann man doch zuweilen sicher sein;
Doch diese Brut schleicht sich zu allen Zeiten ein."

8. Die beiden Hunde.

Daß oft die allerbesten Gaben
Die wenigsten Bewundrer haben,
Und daß der größte Teil der Welt
Das Schlechte für das Gute hält:
5 Dies Übel sieht man alle Tage;
Allein wie wehrt man dieser Pest?
Ich zweifle, daß sich diese Plage
Aus unsrer Welt verdrängen läßt.
Ein einzig Mittel ist auf Erden;
10 Allein es ist unendlich schwer:

Die Narren müssen weise werden,
Und seht, sie werden's nimmermehr.
Nie kennen sie den Wert der Dinge,
Ihr Auge schließt, nicht ihr Verstand;
15 Sie loben ewig das Geringe,

Weil sie das Gute nie gekannt.

Zween Hunde dienten einem Herrn;
Der eine von den beiden Tieren,

Joli, verstand die Kunst, sich lustig aufzuführen, 20 Und wer ihn sah, vertrug ihn gern.

Er holte die verlornen Dinge
Und spielte voller Ungestüm.

Man lobte seinen Scherz, belachte seine Sprünge;
Seht, hieß es, alles lebt an ihm!
25 Oft biß er mitten in dem Streicheln,
So falsch und boshaft war sein Herz;
Gleich fing er wieder an zu schmeicheln,
Dann hieß sein Biß ein feiner Scherz.
Er war verzagt und ungezogen;

30 Doch ob er gleich zur Unzeit bellt' und schrie,
So blieb ihm doch das ganze Haus gewogen,
Er hieß der lustige Joli.

Mit ihm vergnügte sich Lisette,

Er sprang mit ihr zu Tisch und Bette,

35 Und beide teilten ihre Zeit

In Schlaf, in Scherz und Luftbarkeit;
Sie aber übertraf ihn weit.

Fidel, der andre Hund, war von ganz anderm Wesen,
Zum Wiße nicht erseh'n, zum Scherze nicht erlesen,
40 Sehr ernsthaft von Natur, doch wachsam um das Haus,
Ging öfters auf die Jagd mit aus,

War treu und herzhaft in Gefahr

Und bellte nicht, als wenn es nötig war.
Er stirbt. Man hört ihn kaum erwähnen;

45 Man trägt ihn ungerühmt hinaus.

Joli stirbt auch. Da fließen Tränen!
Seht, ihn beklagt das ganze Haus;

Die ganze Nachbarschaft bezeiget ihren Schmerz.

So gilt ein bißchen Wit mehr als ein gutes Herz.

9. Der grüne Esel.

Wie oft weiß nicht ein Narr durch töricht Unternehmen

Viel tausend Toren zu beschämen!

Neran, ein kluger Narr, färbt einen Esel grün,

Am Leibe grün, rot an den Beinen,

5 Fängt an, mit ihm die Gassen durchzuziehen;
Er zieht, und jung und alt erscheinen.
Welch Wunder! rief die ganze Stadt,

Ein Esel, zeisiggrün, der rote Füße hat!

Das muß die Chronik einst den Enkeln noch erzählen, 10 Was es zu unsrer Zeit für Wunderdinge gab! Die Gassen wimmelten von Millionen Seelen,

15

Man hebt die Fenster aus, man deckt die Dächer ab; Denn alles will den grünen Esel sehn,

Und alle konnten doch nicht mit dem Esel gehn.

Man lief die beiden ersten Tage

Dem Esel mit Bewundrung nach.

Der Kranke selbst vergaß der Krankheit Plage,
Wenn man vom grünen Esel sprach.

Die Kinder in den Schlaf zu bringen,

20 Sang keine Wärterin mehr von dem schwarzen Schaf; Vom grünen Esel hört man singen,

Und so gerät das Kind in Schlaf.

Drei Tage waren kaum vergangen,

So war es um den Wert des armen Tiers geschehn; 25 Das Volk bezeigte kein Verlangen,

Den grünen Esel mehr zu sehn;

Und so bewundernswert er anfangs allen schien,

So dacht' jest doch kein Mensch mit einer Silb' an ihn.

Ein Ding mag noch so närrisch sein,

30 Es sei nur neu, so nimmt's den Pöbel ein:

Er sieht, und er erstaunt; kein Kluger darf ihm wehren.
Drauf kömmt die Zeit und denkt an ihre Pflicht;
Denn sie versteht die Kunst, die Narren zu bekehren,
Sie mögen wollen oder nicht.

10. Der Maler.

Ein kluger Maler in Athen,

Der minder, weil man ihn bezahlte,

Als weil er Ehre suchte, malte,

Ließ einen Kenner einst den Mars im Bilde sehn

Denkmäler älterer deutscher Literatur. IV, 2. 2. Auflage.

5

5 Und bat sich seine Meinung aus.
Der Kenner sagt' ihm frei heraus,

Daß ihm das Bild nicht ganz gefallen wollte,
Und daß es, um recht schön zu sein,
Weit minder Kunst verraten sollte.

10 Der Maler wandte vieles ein;

Der Kenner stritt mit ihm aus Gründen
Und konnt' ihn doch nicht überwinden.

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25

Der Maler ward beschämt, gerühret
Und sah den Kenner kläglich an.
„Nun," sprach er, bin ich überführet!
Ihr habt mir nicht zu viel getan."
Der junge Ged war kaum hinaus,
So strich er seinen Kriegsgott aus.

Wenn deine Schrift dem Kenner nicht gefällt,

30 So ist es schon ein böses Zeichen;

Doch wenn sie gar des Narren Lob erhält,
So ist es Zeit, sie auszustreichen.

11. Die beiden Wächter.

Zween Wächter, die schon manche Nacht
Die liebe Stadt getreu bewacht,

Verfolgten sich aus aller Macht

Auf allen Bier- und Branntweinbänken

5 Und ruhten nicht, mit pöbelhaften Ränken Einander bis aufs Blut zu kränken;

Denn keiner brannte von dem Span,

Woran der andre sich den Tabak angezündet,
Aus Haß den seinen jemals an.

10 Kurz, jeden Schimpf, den nur die Rach' erfindet,
Den Feinde noch den Feinden angetan,

15

Den taten sie einander an.

Und jeder wollte bloß den andern überleben,
Um noch im Sarg ihm einen Stoß zu geben.

Man riet und wußte lange nicht,
Warum sie solche Feinde waren;

Doch endlich kam die Sache vor Gericht,
Da mußte sich's denn offenbaren,
Warum sie seit so vielen Jahren
20 So heidnisch unversöhnlich waren.
Was war der Grund?

Der Brotneid? War er's nicht?

Nein. Dieser sang: „Verwahrt das Feuer und das Licht!“ Allein so sang der andre nicht;

Er fang: Bewahrt das Feuer und das Licht!"

25 Aus dieser so verschiednen Art,

An die sich beid' im Singen zänkisch banden,

Aus dem verwahrt und dem bewahrt

War Spott, Verachtung, Haß und Rach' und Wut entstanden.

Die Wächter, hör' ich viele schrei'n,

30 Verfolgten sich um solche Kleinigkeiten?

Das mußten große Narren sein.

Ihr Herren! stellt die Reden ein,

Ihr könntet sonst unglücklich sein!

Wißt ihr denn nichts von so viel großen Leuten,

35 Die in gelehrten Streitigkeiten

Um Silben, die gleichviel bedeuten,

Sich mit der größten Wut entzweiten ?

12. Der Bauer und sein Sohn.

Ein guter, dummer Bauerknabe,

Den Junker Hans einst mit auf Reisen nahm,
Und der, trok seinem Herrn, mit einer guten Gabe,
Recht dreist zu lügen, wiederkam,

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