15 Doch ist ihm wohl die Not benommen, Und doch durch alles nichts, als daß ihn hungert, saget. „O Glücke!" rief Aret, „soll eins von beiden sein, Kann alle Klugheit nicht von Schmeichlern mich befrein: 25 So will ich mich von Schuldnern lieber hassen, Als mich von Schmeichlern lieben lassen. Vor jenen kann man doch zuweilen sicher sein; 8. Die beiden Hunde. Daß oft die allerbesten Gaben Die Narren müssen weise werden, Weil sie das Gute nie gekannt. Zween Hunde dienten einem Herrn; Joli, verstand die Kunst, sich lustig aufzuführen, 20 Und wer ihn sah, vertrug ihn gern. Er holte die verlornen Dinge Man lobte seinen Scherz, belachte seine Sprünge; 30 Doch ob er gleich zur Unzeit bellt' und schrie, Mit ihm vergnügte sich Lisette, Er sprang mit ihr zu Tisch und Bette, 35 Und beide teilten ihre Zeit In Schlaf, in Scherz und Luftbarkeit; Fidel, der andre Hund, war von ganz anderm Wesen, War treu und herzhaft in Gefahr Und bellte nicht, als wenn es nötig war. 45 Man trägt ihn ungerühmt hinaus. Joli stirbt auch. Da fließen Tränen! Die ganze Nachbarschaft bezeiget ihren Schmerz. So gilt ein bißchen Wit mehr als ein gutes Herz. 9. Der grüne Esel. Wie oft weiß nicht ein Narr durch töricht Unternehmen Viel tausend Toren zu beschämen! Neran, ein kluger Narr, färbt einen Esel grün, Am Leibe grün, rot an den Beinen, 5 Fängt an, mit ihm die Gassen durchzuziehen; Ein Esel, zeisiggrün, der rote Füße hat! Das muß die Chronik einst den Enkeln noch erzählen, 10 Was es zu unsrer Zeit für Wunderdinge gab! Die Gassen wimmelten von Millionen Seelen, 15 Man hebt die Fenster aus, man deckt die Dächer ab; Denn alles will den grünen Esel sehn, Und alle konnten doch nicht mit dem Esel gehn. Man lief die beiden ersten Tage Dem Esel mit Bewundrung nach. Der Kranke selbst vergaß der Krankheit Plage, Die Kinder in den Schlaf zu bringen, 20 Sang keine Wärterin mehr von dem schwarzen Schaf; Vom grünen Esel hört man singen, Und so gerät das Kind in Schlaf. Drei Tage waren kaum vergangen, So war es um den Wert des armen Tiers geschehn; 25 Das Volk bezeigte kein Verlangen, Den grünen Esel mehr zu sehn; Und so bewundernswert er anfangs allen schien, So dacht' jest doch kein Mensch mit einer Silb' an ihn. Ein Ding mag noch so närrisch sein, 30 Es sei nur neu, so nimmt's den Pöbel ein: Er sieht, und er erstaunt; kein Kluger darf ihm wehren. 10. Der Maler. Ein kluger Maler in Athen, Der minder, weil man ihn bezahlte, Als weil er Ehre suchte, malte, Ließ einen Kenner einst den Mars im Bilde sehn Denkmäler älterer deutscher Literatur. IV, 2. 2. Auflage. 5 5 Und bat sich seine Meinung aus. Daß ihm das Bild nicht ganz gefallen wollte, 10 Der Maler wandte vieles ein; Der Kenner stritt mit ihm aus Gründen 25 Der Maler ward beschämt, gerühret Wenn deine Schrift dem Kenner nicht gefällt, 30 So ist es schon ein böses Zeichen; Doch wenn sie gar des Narren Lob erhält, 11. Die beiden Wächter. Zween Wächter, die schon manche Nacht Verfolgten sich aus aller Macht Auf allen Bier- und Branntweinbänken 5 Und ruhten nicht, mit pöbelhaften Ränken Einander bis aufs Blut zu kränken; Denn keiner brannte von dem Span, Woran der andre sich den Tabak angezündet, 10 Kurz, jeden Schimpf, den nur die Rach' erfindet, 15 Den taten sie einander an. Und jeder wollte bloß den andern überleben, Man riet und wußte lange nicht, Doch endlich kam die Sache vor Gericht, Der Brotneid? War er's nicht? Nein. Dieser sang: „Verwahrt das Feuer und das Licht!“ Allein so sang der andre nicht; Er fang: Bewahrt das Feuer und das Licht!" 25 Aus dieser so verschiednen Art, An die sich beid' im Singen zänkisch banden, Aus dem verwahrt und dem bewahrt War Spott, Verachtung, Haß und Rach' und Wut entstanden. Die Wächter, hör' ich viele schrei'n, 30 Verfolgten sich um solche Kleinigkeiten? Das mußten große Narren sein. Ihr Herren! stellt die Reden ein, Ihr könntet sonst unglücklich sein! Wißt ihr denn nichts von so viel großen Leuten, 35 Die in gelehrten Streitigkeiten Um Silben, die gleichviel bedeuten, Sich mit der größten Wut entzweiten ? 12. Der Bauer und sein Sohn. Ein guter, dummer Bauerknabe, Den Junker Hans einst mit auf Reisen nahm, |