5 Ging kurz nach der vollbrachten Reise Mit seinem Vater über Land. Frih, der im Gehn recht Zeit zum Lügen fand, Zu seinem Unglück kam ein großer Hund gerannt. 10 Ja, Vater," rief der unverschämte Knabe, " Ihr mögt mir's glauben oder nicht, So sag' ich's euch und jedem ins Gesicht, Daß ich einst einen Hund bei - Haag gesehen habe, Hart an dem Weg, wo man nach Frankreich fährt, 15 Der ja, ich bin nicht ehrenwert, Wenn er nicht größer war als euer größtes Pferd.“ „Das," sprach der Vater, „nimmt mich wunder; 20 Und werden keine Stunde gehn, (Denn überhaupt soll's dort nicht gar zu richtig sein). 25 Auf dieser Brücke liegt ein Stein, An den stößt man, wenn man denselben Tag gelogen, Der Bub' erschrak, sobald er dies vernommen. „Ach,“ sprach er, „lauft doch nicht so sehr! 30 Doch wieder auf den Hund zu kommen, Wie groß sagt' ich, daß er gewesen wär'? Wie euer großes Pferd? Dazu will viel gehören. Der Hund, jezt fällt mir's ein, war erst ein halbes Jahr; Allein, das wollt' ich wohl beschwören, 35 Daß er so groß als mancher Ochse war." Sie gingen noch ein gutes Stücke; Doch Frizen schlug das Herz. Wie konnt' es anders sein? Denn niemand bricht doch gern ein Bein. Er sah nunmehr die richterische Brücke 40 Und fühlte schon den Beinbruch halb. " „Ja, Vater," fing er an, der Hund, von dem ich red'te, War groß, und wenn ich ihn auch was vergrößert hätte, So war er doch viel größer als ein Kalb." Die Brücke kömmt. Frit! Friz! wie wird dir's gehen! 45 Der Vater geht voran; doch Friz hält ihn geschwind. ,,Ach Vater," spricht er, seid kein Kind 50 Und glaubt, daß ich dergleichen Hund gesehen; Der Hund war nur so groß, wie alle Hunde find.“ Du mußt es nicht gleich übelnehmen, Wenn hie und da ein Geck zu lügen sich erkühnt. Lüg auch, und mehr als er, und such' ihn zu beschämen, So machst du dich um ihn und um die Welt verdient. 13. Der Freigeist. Ihr, die ihr nach der Tugend strebet, Jhr, die ihr dem gehorsam seid, Was die Vernunft und was die Schrift gebeut, Ein Freigeist lacht euch aus, daß ihr so sklavisch lebet. 5 Was sucht ihr? fragt er euch; nicht die Zufriedenheit? Ist's möglich, sich so zu betrügen? Um euch vergnügt zu sehn, raubt ihr euch das Vergnügen? Haßt, was ihr liebt, und liebet, was ihr haßt. 10 Habt ihr Vernunft? Ich zweifle fast. Die Freiheit in der Tugend finden, Das heißt, um frei zu sein, sich erst an Ketten binden. Dringt durch des Aberglaubens Nacht, Die euch zu finstern Köpfen macht; 16 Folgt der Natur, genießt, was sie euch schenket; Sucht nichts, als was ihr wünscht; flieht nichts, als was Denkt frei und lebet, wie ihr denket, Und gebt nicht auf die Toren acht. Der Pöbel ist der größte Hauf' auf Erden, euch kränket; 20 Von diesem reißt euch los. Er weiß nicht, was er glaubt, Hält seinen Trieb für unerlaubt Und sieht nicht, daß er sich sein Glück aus Milzsucht raubt; Drum faßt den kurzen Unterricht: 25 Was viele glauben, glaubet nicht. Sie glauben es aus Trägheit, nichts zu prüfen; Ein traurig Leben, reich an Müh', Folgt der Natur. Sie ruft; was kann sie anders wollen, Als daß wir ihr gehorchen sollen? Die Furcht erdachte Recht und Pflicht 40 Und schuf den Himmel und die Hölle. Seht die Vernunft an ihre Stelle: Was seht ihr da? den Himmel und die Hölle? nein, ein weibisches Gedicht. Laßt doch der Welt ihr kindisches Geschwäße. 45 Was jeden ruhig macht, ist jedes sein Geseze; Mehr glaubt und braucht ein Kluger nicht." Dies war der Wig, mit dem in seinem Leben Ein Freigeist sein System erwies, Die Tugend von dem Throne stieß, 50 Um nur sein Lafter drauf zu heben. Sein böses Herz war ihm Vernunft und Gott, 55 Der Schrecken einer Ewigkeit, Ein Richter, der als Gott ihm fluchte, Ein Abgrund, welcher ihn schon zu verschlingen suchte, 45 jedes Genetiv. Und ließ von seiner frommen Magd, " Zu der er tausendmal du christlich Tier" gesagt, 65 So start sind eines Freigeists Lehren. 10 14. Der Jüngling. Ein Jüngling, welcher viel von einer Stadt gehört, Entschloß sich, daß er da sich niederlassen wollte. " Gottlob!" fing unser Jüngling an, Daß ich die Stadt schon sehen kann. Allein der Berg ist steil; o, wär' er schon erstiegen!" Ein fruchtbar Tal stieß an des Berges Fuß. Die größte Menge schöner Früchte Fiel unserm Jüngling ins Gesichte. , dacht' er, weil ich doch sehr lange steigen muß, So will ich, meinen Durst zu stillen, 16 Den Reisesack mit solchen Früchten füllen. Er aß und fand die Frucht vortrefflich vom Geschmack Er stieg den Berg hinan und fiel den Augenblick 20, Freund," rief einer von den Höhen, „Der Weg zu uns ist nicht so leicht zu gehen. Der Berg ist steil, und mühsam jeder Schritt; Und du nimmst dir noch eine Bürde mit? Vergiß das Obst, das du zu dir genommen, 25 Sonst wirst du nicht auf diesen Gipfel kommen. Steig leer, und steig beherzt, und gib dir alle Müh'; Denn unser Glück verdienet sie." Er stieg und sah empor, wie weit er steigen müßte. Ach, Himmel! ach, es war noch weit. 30 Er ruht' und aß zu gleicher Zeit Von seiner Frucht, damit er sich die Müh' versüßte. Er sah bald in das Tal und bald den Berg hinan; 35 Steig, sagt ihm sein Verstand, bemüh' dich um dein Glück! Nein, sprach sein Herz, kehr' in das Tal zurück; Du steigst sonst über dein Vermögen. Ruh' etwas aus und iß dich satt, Und warte, bis dein Fuß die rechten Kräfte hat! 40 Dies tat er auch. Er pflegte sich im Tale, Entschloß sich oft zu gehn und schien sich stets zu matt. 45 Sie wagen auf der Bahn der Tugend einen Schritt Vergessen sie die Müh' um ein unendlich Glück. 15. Das Pferd und der Esel. Ein Pferd, dem Geist und Mut recht aus den Augen sahn, Ging, stolz auf sich und seinen Mann, Und stieß (wie leicht ist nicht ein falscher Schritt getan!) 5 Ein träger Esel sah's und lachte: „Wer," sprach er, würd' es mir verzeihn, " Wenn ich dergleichen Fehler machte? Ich geh' den ganzen Tag und stoß an keinen Stein.“ ,,Schweig!" rief das Pferd, „du bist zu meinem Unbedachte, 10 Zu meinen Fehlern viel zu klein." |