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Fünfter Abschnitt.

Beschreibungen von Gegenständen der Natur und Kunst.

1-Die Königsschlange.

Wenn die Seeschlange, welche man neulich an den Küsten von Nord-Amerika gesehen haben will,' nicht zu den erdichteten Meerungeheuern gehört, so dürfte sie allerdings der Königsschlange den Vorrang der Größe streitig machen. So lange indessen das Dasein der ersteren noch nicht mit völliger Sicherheit ausgemittelt ist, so lange wird wohl auch die lettere als die größte betrachtet werden müssen. Diese, auch die Abgottschlange genannt, wird zwanzig bis vierzig Fuß lang, und dicker als der Leib eines Mannes. Sie bewohnt Ostindien und Afrika, und hålt sich meistens auf Bäumen und an Flüssen auf. Folgende Nachrichten von ihr theilt ein holländischer Officier mit, der sich auf Befehl seiner Obern nach Ceylon begab. Ich wohnte am Ende der vornehmsten Stadt dieser Insel und hatte die Aussicht auf einen nahliegenden Wald. Nicht weit von meiner Wohnung war ein kleiner Hügel, auf welchem drei bis vier große Bäume standen, deren Anblick mir alle Morgen sehr viel Vergnügen machte. Als ich einmal des Morgens meine Augen auf sie gerichtet hatte, schien mir ein dicker Zweig auf denselben allerhand wunderliche Bewegungen zu machen; er drehte sich von einer Seite auf die andere, neigte sich auf die Erde herab, hob sich wieder in die Hdhe, und verlor sich wieder unter den übrigen Zweigen. Die Luft war gänzlich still, kein Wind wehete, und ich hatte allerhand Gedanken über diese Erscheinung, als mich ein Ceyloneser besuchte. Pretends to have seen.

Ich zeigte ihm, was mich in Verwunderung sehte. Er sah nach den Bäumen hin, ward ganz blaß im Gesichte, und wollte vor Schrecken zur Erde sinken. Er bat mich, daß ich den Augenblick alle meine Thüren und Fenster verriegeln, und mich verwahren möchte; denn, was ich für den Zweig eines Baumes halte, fei eine ungeheure Schlange, die sich an solchen Bewegungen belustige, und auf die Erde schieße, um Beute zu machen.

Ich erkannte bald, daß er Recht hatte; denn nicht lange darauf sah ich, daß sie ein kleines Thier auf der Erde haschte und mit sich unter die Zweige des Baumes nahm. Als ich mich nun bei dem Ceyloneser nåher nach dem Ungeheuer erkundigte, sagte er mir, daß man es auf der Insel nur allzuwohl kenne, daß es sich sonst gewöhnlich in der Mitte der Wälder aufhalte, und aus dick bewachsenen Bäumen auf die vorbeigehenden Menschen und Thiere herabstürze, und sie lebendig verzehre.

Wir versammelten uns hierauf, zwölf Personen an der Zahl, und ritten, wohl bewaffnet, hinter ein dichtes Gebüsch, wo wir die Schlange mit unsern Flinten erreichen konnten. Als wir sie nun in der Nähe betrachteten, und ihre ungeheure Größe, welche in der Ferne weniger wahrnehmbar war, bemerkten, ergriff uns alle ein Schauder, und Keiner wagte, einen Schuß zu thun, weil man sie zu verfehlen fürchtete. Alle Ceyloneser, die bei mir waren, gestanden, daß fie alle Schlangen, die sie jemals gesehen håtten, an Größe übertråfe. Sie war dicker als der Leib eines magern Menschen, schien aber nicht fett zu sein, und war in Verhältniß ihrer Dicke sehr lang. einem der obersten Zweige reichte sie bis zur Erde. Sie war außerordentlich geschwind, und machte in einem Augenblicke tausend Wendungen mit ihrem Körper. Sie kam herab, wickelte den Schwanz um den Stamm des Baumes, legte sich der Långe nach auf die Erde, und in einem Augenblicke hatte sie sich wieder unter den Westen des Baumes verloren. Mitten unter diesen Luftsprüngen sahen wir, daß sie

Mit ihrem Schwanze hing fie an des Baumes, und mit dem Kopfe

sich mit ungemeiner Schnelligkeit zurückzog, und sich unter die Zweige still hinlegte. Wir merkten bald die Ursache davon; ein kleiner Fuchs, den sie unstreitig gesehen hatte, wollte vor dem Baume vorbeigehen; allein die Schlange schoß auf ihn herab, und hatte ihn in einigen Minuten ausgesogen. Mit einer breiten schwärzlichen Zunge leckte sie an seinem Fleische herum, und legte sich auf die Erde gemächlich nieder; doch blieb der Schwanz immer um den Stamm des Baumes gewickelt.

Wir betrachteten sie genau, und als wir uns an ihrem Anblicke satt gesehen hatten, schossen wir ihr nach dem Kopfe; allein ich weiß nicht, ob sie denselben in dem Augenblicke bewegte, oder ob wir nicht recht sahen, kurz wir trafen sie nicht, und sie verrieth auch nicht die geringste Furcht, sondern blieb auf der Erde liegen. Da es Abend zu werden anfing, so beschlossen wir, nach Hause zu gehen, und den andern Tag in größerer Anzahl wieder zu kommen. Die Ceyloneser sagten, daß wenn diese Schlange einmal einen Baum zu ihrem Aufenthalte erwählt habe, sie denselben nicht sobald wieder verlasse.

Den andern Morgen stellten wir uns wieder hinter dem Gebüsche, aber in weit größerer Anzahl, ein, und wir trafen die Schlange noch an demselben Orte an. Sie schien sehr hungrig zu sein, und wir bekamen bald etwas zu sehen, was uns alle in Erstaunen seßte.

Ein Tiger, der nicht viel kleiner als eine Kuh war, kam unter den Baum, auf dem sie sich befand. Sogleich vernahmen wir in den Westen des Baumes ein schreckliches Geräusch. Die Schlange schoß auf den Tiger herab, und fiel ihm auf den Rücken, aus welchem sie ein Stück riß, welches größer als ein Menschenkopf Der Tiger brüllte heftig und wollte mit seinem Feinde fortlaufen; allein als leßterer dies merkte, wickelte er sich drei- bis viermal um den Tiger, und zog die Schlingen so fest an, daß er bald in Todesångsten niederstürzte. Als die Schlange ihn auf diese Art gefesselt hatte, ließ sie den Rücken fahren, zog sich weiter

war.

nach dem Kopfe hinauf, öffnete ihren Rachen, so weit sie konnte, und umschloß damit das ganze Gesicht des Tigers, das sie auf eine entsegliche Art zerfleischte, und ihm dadurch zugleich die Luft benahm. Der Tiger hob sich wieder in die Hdhe, kehrte sich von einer Seite zur andern, und brüllte auf eine schreckliche Weise in dem Rachen der Schlange.

Er war sehr stark und muthig, und, ob er der Schlange gleich nicht los werden konnte, so machte er ihr doch genug zu schaffen. Bald richtete er sich auf, lief ein paar Schritte fort, fiel aber wegen der festgezogenen Schlingen der Schlange wieder nieder. Nach einigen Stunden schien er völlig entkräftet und todt zu sein. Die Schlange versuchte durch engeres Zusammenziehen ihres um den Körper des Tigers gewickelten Leibes seine Rippen und Knochen zu zerbrechen; allein es wollte nicht gehen. Sie machte sich daher von dem Tiger los, wickelte bloß ihren Schwanz um seinen Hals, und schleppte ihn, obschon mit vieler Mühe, nach dem Baume hin. Jest sahen wir recht einleuchtend, wozu ihr der Baum diene.

Da der Tiger nicht mehr aufrecht stehen konnte, so richtete sie ihn an dem Stamme des Baumes auf den Füßen in die Höhe. Als dies geschehen war, flocht sie sogleich ihren Leib sowohl um den Tiger, als um den Baum, und zog sich mit aller Macht zusammen, bis eine Rippe nach der andern, ein Knochen nach dem andern mit lautem Krachen zerbrach. Als sie nun mit dem Leibe fertig war, machte sie sich an die Beine, die sie auf gleiche Weise an vier bis fünf Orten zerbrach. Auch am Hirnschådel versuchte sie ihre Kråfte; nach vielen vergeblichen Versuchen aber ließ sie davon ab, und begab sich unter die Zweige des Baumes zurück, da ihr der Tiger nicht mehr entlaufen konnte.

Den dritten Tag sahen wir hinter dem Gebüsch hervor Nichts mehr vom Tiger als rothes Aas, das ohne Gestalt und mit gelbem Kleister überzogen war. Es lag in einiger Entfernung vom Baume, und die Schlange beschäftigte sich damit, Sie schlürfte hierauf

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erst den Hirnschädel und alsdann nach und nach den übrigen Körper hinein. Dies kostete ihr aber nicht wenig Mühe, und es wurde Abend, ehe sie den Tiger ganz verzehrt hatte.

Den vierten Morgen begleiteten uns viele Weiber und Kinder dahin, weil, wie sie sagten, nun keine Gefahr mehr zu besorgen sei. Ich fand, daß dies wirklich der Fall war; denn die Schlange hatte sich überladen, und konnte sich weder zur Wehre sehen, noch fortlaufen. Bei unserer Annäherung suchte sie sich zwar auf den Baum zu schwingen, allein alle ihre Mühe war vergeblich. Die Ceyloneser schlugen sie todt, bereiteten ihr Fleisch, das wie Kalbfleisch aussah, zu, und verzehrten es mit großem Appetite.

2. Der Rheinstrom.

Der Deutsche mag wohl auf seinen Rheinstrom stolz sein! Nicht auf seine Größe; viele andere Strôme, selbst europåische, übertreffen ihn weit an Långe, Breite, Wasserfülle, an koloffaler Ausdehnung ihres Gebiets; nicht einem aber ist ein so edles Ebenmaß beschieden, so richtige Verhältnisse, so vollständige Entwickelung; nicht einer sieht an seinen Ufern auf gleiche Weise Kunst und Natur, geschichtliche Erinnerung und lebendige Gegenwart vereint.

In dem erhabensten und herrlichsten eentraten Gebiete des mächtigen Alpengürtels hangen an himmelhohen Felsgipfeln mehr als dreihundert Gletscher, welche dem Rhein ihre vollen tobenden Gewässer zusenden. Wo sie aus dem Gebirg hervortreten, da beruhigen und läutern sich diese ungestümen Alpensöhne in etwa fünfzehn der größten und schönsten Seen ; — unergründlichen, smaragdnen Becken, hier von unerklimmbaren Felsen eingeengt, dort von Rebenhügeln und grünen Matten umkränzt; einer fast, wie das Meer, unabsehbar. Krystallhelle Fluten entströmen diesen Seen in raschem, doch schon ruhigerem Lauf. Bald in einem Bette vermischt, wogen sie mächtig und friedlich dahin durch lachende Fluren, an stattlichen Schlössern, hohen Domen, kunstreichen,

1 Nah dem Einflusse der Aar.

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