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belebten Städten vorbei, denen sie reiche Lasten zuführen. Hohe Waldgebirge winken lang aus blauer Ferne,' spiegeln sich dann in dem herrlichen Strom, bis er die weite, schrankenlose Ebene3 betritt, und nun dem Schooße des Meeres zueilt, ihm mächtige Wasserspenden zu bringen, und sich dafür in seinem Gebiet ein neues Land zu erbauen.4

Wo

An den Wiegen des Rheins erklingen die Gesånge armer, aber freier und froher Hirten; an seinen Mündungen zimmert ein eben so freies, dabei reiches, kunstsinniges, gewerbfleißiges, unternehmendes Volk seine schwimmenden Häuser, welche die fernsten Lånder und Meere beschiffen, und einst beherrscht haben. ist der Strom, der eine Schweiz an seinen Quellen, ein Holland an seinen Mündungen håtte? den seine Bahn so durch lauter fruchtbare, freie, gebildete Landschaften führte? Haben andere weit größere Wasserfülle und Breite, so hat der Rhein klare, immer volle, sich fast gleich bleibende Fluten, so ist seine Breite gerade die rechte, hinreichend für Floß und Schiff, für allen Verkehr der Völker, und doch nicht so groß, daß sie die beiden Ufer von einander schiede, daß nicht der erkennende Blick, der laute Ruf ungehindert hinüber reichte. Mächtig und ehrfurchtgebietend erscheint er als ein bewegter Wasserspiegel in den heitersten Rahmen gefaßt, nicht als eine wåsserige Dede mit nebligen Ufern.

Der Rheinstrom ist recht eigentlich der Strom des mittlern Europas. An seinen alpinischen Quellen begegnen sich Burgund, Italien, das südliche Deutschland. Seine oceanische Niederung schiebt sich zwischen den Norden Frankreichs und die

1 In dem obern Laufe von Basel bis Bingen.

2 Im mittlern Laufe von Bingen bis Bonn.

3

Im untern Laufe von Bonn bis zum Ausflusse.

4 An den Mündungen des Rheines ist die Küste künstlich hinausgerückt, indem die seichten Stellen (Watten genannt), wenn sie eine gewisse Hdhe erreicht haben, durch hohe, starke Wålle gegen die Flut geschüßt, durch Kanåle entwåssert, und so in fruchtbare Polder verwandelt werden.

Ebenen des alten Sachsenlandes ein, und führt zu den britischen Inseln hinüber. Aus der schönen Stromebene des mittlern Rheins, einem bergummauerten Centralgebiet, führen natürliche Wasserstraßen durch lange, enge Felsenthore zu reichen, herrlichen Landschaften, tief in das innerste Deutschland und Frankreich hinein. Die Mosel auf der linken, der Main auf der rechten Seite verbinden Franken und Lothringen. Der Rheinstrom selber aber und seine Ufer sind die große Handels- und Reisestraße zwischen Süden und Norden, zwischen Holland und der Schweiz, England und Italien, die eine immer größere Bedeutung erhålt, je inniger und lebendiger die Berührungen aller Art zwischen den verschiedenen Gliedern des europäischen Staatensystems werden.

3-Venedig.

Es ist wahr, daß Venedig an einem schönen Morgen, wenn man sich ihm auf den majeståtischen Lagunen von Fusina oder Mestre her in der Barke nåhert, nachdem man die palaståhnlichen Landhåuser långs der Brenta, und besonders bei Mestre gleichsam als Vorspiel zu dem einzigen Schauspiel, das einen erwartet, passirt hat, einen ganz unbeschreiblichen Anblick gewährt. Wenn die Sonne aus dem reinsten Himmel ihre goldenen Strahlen auf das wundervoll und unerklårbar über dem unabsehbaren, glånzenden Wasserspiegel auftauchende Venedig herabsendet; wenn man diese große tragische Stadt, so ganz vom Lande abgeschnitten, tief in der unergründlichen Meeresfläche begraben sieht, und es aus weiter Ferne scheint, als wenn sie die Beute jeder hohen Welle werden müsse, da ergreift den staunenden Wanderer jenes unbeschreibliche Gefühl, dessen man sich nur beim Anhören wunderbarer Måhrchen oder unbegreiflicher, kaum zu ahnender Dinge bewußt ist. Kein Punkt der Erde ist dann mit diesem kleinen Fleck zu vergleichen, und mit Erstaunen sucht das noch ungläubige Auge seine Wunder unter der Erde, oder vielmehr unter dem Meere, da jede Spanne Bodens, auf welchem hier kaum ein Menschenfuß

Raum findet, mit unermeßlichen Kosten und den Mühen von Jahrhunderten den tückischen Wellen abgewonnen werden mußte. Auf diesen mit den Schäßen der Welttheile erbauten Erdschollen dictirten die Herrscher der Welt ihre Geseze, und mit dem Gefühle stummer Bewunderung, welche wahre Größe nie einzuflößen verfehlt, nåhert man sich dieser einst so måchtigen, in ihrem Verfalle, in ihren Riesenerinnerungen noch erstaunenswürdigen Stadt, auf deren gigantischen, den tiefsten Meeresgrund durchbohrenden Cederståmmen, die feenartigen Marmorhallen sich aus den Fluten erheben, aus denen die stolzen Aristokraten das Schicksal der Nationen lenkten. Groß und unbeschreiblich ist der Eindruck, den der Anblick des ganzen Venedigs hervorbringt, rührend und schwärmerisch die Gefühle, welche den Gondelführer beschleichen, wenn er in tiefer nåchtlicher Stunde zwischen den hoch aufgethürmten Marmorpalåsten auf schauerlich schwarzem, engem Kanale dahinschifft,—wenn die Bewegung der dumpf durch die schweigende Nacht schallenden Ruderschläge und das einförmige Rufen der Barcajuolen in den echoähnlichen Widerhallungen Stali! hollali! hohl an den Marmorwånden sich brechen, wenn der Mond endlich in dieses düstere Gemålde dringt, und die schwarzen Palåste, die wunderbaren Brücken und die unzähligen Kirchen, und der einem Gespenst ähnlich die stolze Meeresstadt überragende Marcusthurm, und der mit keinem Gebäude auf Erden zu vergleichende Dogenpalast unter seinen silbernen, falben Strahlen, wie riesige Schatten aus einer långst verklungenen Geisterwelt, herüberschauen. Mit Ehrfurcht betritt man diese wunderliebliche Piazzetta, an deren Marmorstufen sich durch Jahrhunderte die Wellen des gehorsamen Meeres brechen, auf deren schlanken Granitsåulen sich kühn und stolz der geflügelte Löwe erhebt, wie er mit den wilden Blicken nach den hohen Fenstern seiner Herrscher hinbligt, und stets auf dem Sprunge scheint, den sich zu nåhern wagenden Feind mit der erhobenen Riesentage zu zermalmen.

man gefesselt stehen vor den goldenen

Mit stiller Andacht bleibt

Kuppeln der moscheeåhn

lichen Basilike des heiligen Marcus, von deren Zinnen die goldenen Pferde des Lysippus, die der römischen, osmanischen und frånkisch-» Sieger Triumphe schmückten, herableuchten, in deren regellosen Räumen acht von großen Thaten überströmende Jahrhunderte Alles aufgehäuft haben, was der Stolz übermüthiger Sieger unterjochten Welttheilen geraubt, in deren engen Räumen sich mehr kostbare Marmorsåulen und Mosaikbilder befinden, als in ganz Deutschland zusammen. Wenn aber der Anblick aller dieser Größe, aller dieser Pracht und Herrlichkeit das Gemüth in Begeisterung und Stolz über die Kraft des menschlichen Geistes entflammt, so durchwehen dagegen die Schauer wehmüthiger Erinnerung den Gemüthvollen bei dem Andenken des vielen Gråßlichen und Entseglichen, das auf diesem schmalen Raum Erde vorgegangen, und die furchtbaren Bilder des oligarchischen Uebermuthes treten mit grasser Wahrheit in dem düstern Mondeslichte vor das bewegte Auge. Auf jeder Stelle dieses merkwürdigen Plages, der nicht seines Gleichen auf unserm Erdballe hat, ist vielleicht eine große That, vielleicht eine Unthat verübt worden. Mit Wehmuth betrat ich die Riesentreppe, auf welcher der achtzigjährige Doge Marino Falieri durch Henkershand fallen mußte, weil er es gewagt hatte, aufzuhören Aristɔkrat zu sein, und anfangen wollte Mensch zu werden ;—mit Schaudern betrachtete ich diesen Dogenpalast, mehr Gefängniß als Fürstenwohnung, deren Wände von den größten Malern Italiens zur Verherrlichung der Großthaten dieser stolzen Meerestyrannen bemalt wurden, in deren Sålen Kaiser und Welttheile Geseze empfingen, in deren labyrinthischen Räumen der kleine Ausschuß der furchtbaren Zehner Recht ohne Gerechtigkeit sprach, aus deren furchtbarer Gerichtshöhle die verhångnißvolle Porta fatale hinab leitete in die entseglichsten Schluchten des Unglücks, in die gråßlichsten Marterkammern, die jemals teuflische Einbildungskraft ersonnen, wo noch das Blut der Entgliederten an den feuchten Quadern klebt, und die eisernen Ringe die vermoderten Knochen noch jest krampfhaft

umranken. Und nun diese Bleidåcher, diese schreckliche Ponte dei Sospiri, über die, wie auf Charons Nachen, Keiner mehr zurückkehrte, um zu erzählen, wie es da drüben aussieht. Es ist erschütternd, diese Orte zu sehen, wo der Uebermuth einer Handvoll Menschen das Größte mit dem Scheußlichsten gepaart. Indem ich so sinnend und betåubt da stand, und hier mehr als je erkannte, wie wenig der Mensch wahrer, dauernder Größe würdig und fähig ist, so håtte ich mir den traurigen Eindruck, welchen der sichtliche Verfall aller dieser Pracht und Herrlichkeit, die gråßliche Entartung dieses Heldengeschlechtes in mir erzeugte, doch nicht mit der Unkenntniß ihrer großen Geschichte abkaufen mögen. Es liegt etwas Tröstendes darin, Menschen und Völker zu finden, welche durch die Erhabenheit ihrer Gesinnungen sich ihres Glückes würdig gemacht haben; es stårkt und erhebt den menschlichen Geist, wahre Kraftanstrengungen mit so erstaunlichen und glänzenden Erfolgen gekrönt zu sehen, und man erkennt auf dieser großen Ståtte der Geschichte mehr als auf irgend einem andern Punkte der Erde, daß die Nemesis zwar ehrend wahre Größe schüßt, daß sie aber råchend die entarteten Sprossen großer Vorbilder in den Staub ihrer Unwürdigkeit zurückschleudert. Furchtbar haben die Erinnyen ihr Amt in der herrlichen Venezia geübt, und nichts ist den Nachkommen ihrer Helden geblieben, als der Stolz auf eine Vorzeit, deren sie weder durch persönliche Vorzüge, noch durch Muth im Unglück sich würdig zeigten.

Wo hat die Welt einen ähnlichen Plag, wie den des heiligen Marcus? Und ist es von den Franzosen nicht lächerlich, ihr Palais royal damit vergleichen zu wollen? Diese alten Procuratien mit ihren königlichen Säulengången, in denen noch jest die meisten Nobili wohnen, denen sie sonst als Residenz gedient ; diese neuen Procuratien mit ihren prachtvollen Porticus und der glänzenden Wohnung des Vicekdnigs; dieses römische Mittelgeschoß, welches beide an Schönheit übertrifft, und in welchem

1 Middle story.

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