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Dritter Abschnitt.

Erzählungen.

1. Der hungrige Araber.

Ein Araber war verirret in der Wüste. Zwei Tage fand er nichts zu essen, und er war in Gefahr vor Hunger zu sterben, bis er endlich eine von den Wassergruben antraf, aus denen die Reisenden ihre Kameele trånken, und auf dem Sande einen kleinen ledernen Sack liegen sah. Gott sei gelobt, sagte er, als er ihn aufhob und anfühlte; das sind, glaub' ich, Datteln oder Nüsse; wie will ich mich an ihnen erquicken und laben! In dieser süßen Hoffnung öffnete er den Sack, sah, was er enthielt, und rief voll Traurigkeit aus: Ach! es sind nur Perlen.

2. Der beleidigte Derwisch.

Der Günstling eines Sultans warf einen armen Derwisch, der ihn um ein Almosen bat, mit einem Steine. Der ge= schmähte Geistliche unterstand sich nicht, etwas darüber zu sagen; hob aber den Stein auf, und nahm ihn mit sich. Ueber kurz oder lang, dachte er, werde ich gewiß Gelegenheit bekommen, mich an diesem stolzen und grausamen Menschen, mit dem nämlichen Steine zu rächen." hörte er ein Geschrei auf der Straße; vernahm der Günstling sei in Ungnade gefallen; der Sultan lasse ihn2 eben jezt auf einem Kameele durch die Gassen führen,3

1 Sooner or later.

Einige Tage darauf er erkundigte sich und

2 That the sultan ordered him.

3 To be conducted; after lassen the infinitive stands, in German, always in the active voice.

und allen Beleidigungen des Pöbels Preis geben. Geschwind griff der Derwisch nach seinem Stein; bald aber kam er zu sich, warf ihn in den Brunnen und sagte: „Jegt fühl' ich, daß man sich nie råchen müsse: denn ist unser Feind måchtig, so ist es unklug und thöricht; ist er aber unglücklich, so ist es niedrig und grausam."

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Eine brennende Dürre verheerte schon lange die Gefilde Indiens, als zwei Hirten, Hamet und Raschid, sich auf der Gränze ihrer Felder begegneten. Sie starben beinahe vor Durst, und sahen ihre Heerden gleichfalls verschmachten. Sie hoben die Augen

gen Himmel, und flehten ihn um Hülfe; siehe, da entstand auf einmal eine tiefe Stille; die Vögel hörten auf zu singen; das Blöken und Brüllen der Heerde verstummte, und die beiden Hirten sahen im Thal eine erhabne, überirdische Menschengestalt sich ihnen nåhern. Es war der hohe Geist der Erde, der Glück und Unglück den Sterblichen austheilet: in der einen Hand hielt er die Garbe des Ueberflusses, und in der andern die Sichel der Verwüstung. Sie zitterten vor Schrecken, und suchten sich zu verbergen; aber der Geist rief ihnen mit sanfter Stimme zu, wie der Zephyr lispelt, wenn er sich Abends auf den wohlriechenden Gestråuchen Arabiens wieget.

„Nahet euch," sprach er,,,Söhne des Staubes; fliehet euern Wohlthäter nicht. Ich bin gekommen, euch ein Geschenk anzubieten, das nur durch eure Thorheiten unnüß und verderblich werden kann. Ich will euer Gebet erfüllen, und euch Wasser geben, wenn ihr mir sagt, wie viel ihr zu eurer Befriedigung bedürft. Uebereilt euch aber nicht in eurer Antwort. Bedenkt,

daß in allen menschlichen Bedürfnissen das Uebermaß eben so schädlich ist, als der Mangel. Erkläret euch; und du, Hamet, rede zuerst."

"O gütiger Geist!" antwortete Hamet, wenn du meine

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Kühnheit verzeihen willst, so bitte ich um einen kleinen Bach, der im Sommer nicht vertrocknet, und im Winter_nicht über= schwemmt." Du sollst ihn haben, antwortete der Geist, und schlug mit seiner Sichel, die jezt ein Werkzeug der Wohlthätigkeit wurde, den Boden. Die beiden Hirten sahen zu ihren Füßen eine Quelle hervorsprudeln, und sich über die Felder des Hamet verbreiten. Die Blumen hauchten einen frischen Wohlgeruch, die Bäume schmückten sich mit grünerm Laube, und die Heerden löschten in dem kühlen Strom ihren Durst.

Jeht wendete sich der Geist zu dem zweiten Hirten, und gebot ihm zu reden. Ich bitte dich, sprach Raschid, du wollest den großen Ganges mit allen seinen Wassern und Fischen durch meine Felder leiten. Der gutherzige Hamet bewunderte den muthigen Stolz des Raschid, und zankte heimlich mit sich selbst, daß er diese große Bitte nicht zuerst gewagt habe, so wie Raschid in seinem Herzen sich schon über den Vorzug freute, den er als Besizer und Eigenthümer des Ganges vor dem einfåltigen Hamet haben werde. Schnell aber nahm der Geist eine fürchterliche Gestalt an, und ging auf den Strom zu.

Die Hirten standen in

ångstlicher Erwartung, was er thun werde, als sich in der Ferne ein gewaltiges Brausen erhob, und der Ganges, der seine Dåmme durchbrochen hatte, in reißenden Fluthen herabschloß. Die Wasser überströmten und verheerten in einem Augenblick alle Felder des Raschid. Sie entwurzelten seine Båume, verschlangen seine Heerden ihn selbst riß die Fluth mit sich fort. Der stolze Besizer des Ganges wurde der Raub eines Krokodills, indeß der bescheidene Hamet an seiner Quelle in Frieden wohnte.

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Ein persischer Schach kam einst auf den Einfall,1 inkognito seine Staaten zu durchwandern. An einem schwülen Sommer

1 Once had a fancy.

tage fand er im Schatten eines Baumes einen jungen Hirten, der auf der Flöte blies. Seine Gestalt gefiel dem Beherrscher Ispahans. Er ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein, und fand so viel gesunden Menschenverstand, so viel richtige Beurtheilungskraft-freilich ohne Kultur-daß er beschloß, den jungen Hirten mit sich an seinen Hof zu nehmen, und zu versuchen, was durch Erziehung aus einer solchen Anlage sich bilden lasse.1

Abdallah, so hieß der Jüngling, folgte ungern, erfüllte zwar jede Erwartung seines Fürsten, ward våterlich von ihm geliebt, und vom ganzen Hofe beneidet, sehnte sich aber oft zurück in die stillen Hütten der Ruhe, und blickte seufzend auf die einfache Hirtentracht, die er gegen den purpurnen Kaftan2 und den blißenden Turban vertauscht hatte.

Der Schach hob seinen Liebling von einer Stufe der Ehre zur andern, und machte ihn endlich zum Bewahrer der Reichskleinodien.3 Umsonst bleckte der Neid die Zähne, umsonst kroch die Verlåumdung zum Throne. Abdallah, der Redliche, spottete ihrer Mißgunst; sein Monarch kannte zu gut den Werth von Abdallahs Herzen. Aber endlich starb der gerechte Fürst, und hinterließ einen zwanzigjährigen Sohn, dessen Ohr der Schmeichelei, und also auch sein Herz dem Verderben offen stand. Sogleich hob aus dem Schlamme des Neides die Verlåumdung ihr giftiges Haupt empor, und zischte laut: „Abdallah hat sich auf Kosten der Krone bereichert! er hat den Schaß, welchen dein Vater ihm anvertraute, zu dem Seinigen gemacht; er hat die Reichskleinodien zerstückt, ja er hat in seinem Hause ein verborgenes Gewölbe, mit drei Schlössern verwahrt, wo er oft ganz allein manche Stunde verweilt, und die gestohlnen Reichthümer åberzählt."

Der leichtgläubige junge Monarch traute dem Wort seiner Höflinge. Er überraschte Abdallah eines Morgens, als dieser

1 What might be formed from such a disposition. 2 Caftan, a Persian garment. 3 Keeper of the imperial insignia.

fich eines solchen Besuchs am wenigsten versah. Gieb mir die Schlüssel zu dem verborgenen Gewölbe, das am Ende jener Galerie sich befindet," herrschte er ihm entgegen, wo du so oft und so lange verweilst, wohin der Fuß deiner Freunde noch nie drang."

Abdallah durchschaute das Gewebe der Bosheit. Lächelnd sah er auf seine Anklåger, und überreichte dem Schach die Schlüssel. Das Gewölbe ward geöffnet. man fand einen Schäferstab, eine Hirtentasche und eine Flöte. "Sich hier, Monarch! die Zeichen meines ehemaligen, glückseligen Standes. Ich verwahrte sie hier, und besuchte sie oft, um mich an jene stillen ländlichen Freuden im Kreise der Meinigen zu erinnern. Nimm alles zurück, was dein Vater mir gab, aber laß mir meinen Hirtenstab."

Der junge Fürst, gerührt, wirft einen unwilligen Blick auf seine Höflinge, umarmt Abdallah, und will ihn zum Ersten seines Reichs erheben. Aber Abdallah warf von sich den purpurnen Kaftan, ergriff Schäferstab und Hirtentasche, und floh in die ländlichen Hütten.

5.-Alexander und Diogenes.

Ich lag an einem schönen herbstlichen Tage unter einer Cypresse im Kranion,2 und genoß des Sonnenscheins, der alten Leuten in dieser Jahreszeit so angenehm ist, als ich unvermerkt in den Träumereien, denen ich mich zu überlassen pflege, wenn ich nichts zu denken habe, von einem Unbekannten gestört wurde, der in Begleitung etlicher Underer, welche etwas besser als seine Sklaven, aber doch nicht seines Gleichen schienen, auf mich zuging. Ich gab anfangs nicht darauf Ucht; aber da er mich anredete, fing ich an zu merken, daß jemand zwischen mir und der Sonne stand.- Bist du, sagte er, indem er mich mit einer gewissen 2 Cranion,

i He addressed him in a commanding tone. a grove near Corinth.

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