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Niemand bemerkte ihre Klagen. Erst einen Monat spåter ward an ihre Zukunft gedacht, wenn man auch zur Ehre der Menschheit annehmen muß, daß früher und bald für ihren Unterhalt gesorgt worden sei. Der Bischof Heinrich von Lüttich, welchen der Kaiser zu ihrem Vorgeseßten ernannt hatte, wies ihnen in den verwüsteten Fluren, die ihnen einst gehört hatten, vier Stellen an, wo sie sich anbauen dürften und anbauen sollten; und vielleicht wurden auch diejenigen Mailänder, welche sich in die Städte Lombardiens zerstreut hatten, genöthigt, sich diesen vier Ortschaften anzuschließen, wenn sie anders keine Fürsprecher hatten, die sich für ihre gute, kaiserliche Gesinnung verbürgen mochten. Auf solche Weise wurde den Mailändern zehnfach vergolten, was sie einst wider Lodi gefrevelt haben mochten; das aber war der Unterschied: das Maß, mit welchem ihnen gemessen ward, hatte eine fremde Hand gefüllt und gerüttelt, und das hårteste Unglück traf diejenigen, die am Wenigsten verschuldet hatten.

6.-Uebersicht des dreißigjährigen Krieges von der

Schlacht bei Leipzig bis zu der bei Lüßen.

Die glorreiche Schlacht Gustav Adolphs bei Leipzig hatte in dem ganzen nachfolgenden Betragen des Monarchen, so wie in der Denkart seiner Feinde und Freunde, eine große Veränderung bewirkt. Er hatte sich jezt mit dem größten Heerführer seiner Zeit gemessen, er hatte die Kraft seiner Taktik und den Muth seiner Schweden an dem Kern der kaiserlichen Truppen, den geübtesten Europens, versucht, und in diesem Wettkampfe überwunden. Von diesem Augenblicke an schöpfte er eine feste Zuversicht zu sich selbst, und Zuversicht ist die Mutter großer Thaten. Man bemerkt fortan in allen Kriegsunternehmungen des schwedischen Königs einen kühnern und sicherern Schritt, mehr Entschlossenheit auch in den mißlichsten Lagen, eine stolzere Sprache gegen seine Feinde, mehr Selbstgefühl gegen seine Bundesgenossen, und in seiner Milde selbst mehr die Herablassung des Gebieters. Seinem

natürlichen Muthe kam der andächtige Schwung seiner Einbildung zu Hülfe; gern verwechselte er seine Sache mit der Sache des Himmels, erblickte in Tilly's Niederlage ein entscheidendes Urtheil Gottes zum Nachtheil seiner Gegner, in sich selbst aber ein Werkzeug der göttlichen Nache. Seine Krone, seinen vater= ländischen Boden weit hinter sich' drang er jegt auf den Flügeln des Sieges in das Innere von Deutschland, das seit Jahrhunderten keinen auswärtigen Eroberer in seinem Schooße gesehen hatte. Der kriegerische Muth seiner Bewohner, die Wachsamkeit seiner zahlreichen Fürsten, der künstliche Zusammenhang seiner Staaten, die Menge seiner festen Schlösser, der Lauf seiner vielen Ströme hatten schon seit undenklichen Zeiten die Låndersucht der Nachbarn in Schranken gehalten: und so oft es2 auch an den Gränzen dieses weitläufigen Staatskörpers gestürmt hatte2, so war doch sein Inneres von jedem fremden Einbruch verschont geblieben. Von jeher genoß dieses Reich das zweideutige Vorrecht, nur sein eigener Feind zu sein, und von außen unüberwunden zu bleiben. Auch jezt war es blos die Uneinigkeit seiner Glieder und ein unduldsamer Glaubenseifer, was dem schwedischen Eroberer die Brücke in seines innersten Staaten baute. Aufgelöst war långst schon das Band unter den Stånden, wodurch allein das Reich unbe= zwinglich war, und von Deutschland selbst entlehnte Gustav Adolph die Kräfte, womit er Deutschland sich unterwürfig machte. Mit so viel Klugheit und Muth benußte er, was ihm die Gunst des Augenblickes darbot, und gleich geschickt im Cabinet wie im Felde, zerriß er die Fallstricke einer hinterlistigen Staatskunst, wie er die Mauern der Städte mit dem Donner seines Geschüßes zu Boden stürzte. Unaufgehalten verfolgte er seine Siege von einer Gränze Deutschlands zur andern, ohne den Ariadnischen Faden zu verlieren, der ihn sicher zurückleiten konnte,

Understand: lassend.

2 And how oft soever it had been raging on the frontiers of this extensive state. 3 Its. + States.

und an den Ufern des Rheins wie an der Mündung des Lechs hörte er niemals auf, seinen Erbländern nahe zu bleiben.

Die Bestürzung des Kaisers und der katholischen Ligue über die Niederlage des Tilly bei Leipzig konnte kaum größer sein, als das Erstaunen und die Verlegenheit der schwedischen Bundesgenossen über das unerwartete Glück des Königs. Es war größer, als man berechnet, größer, als man gewünscht hatte. Vernichtet war auf einmal das furchtbare Heer, das seine Fortschritte gehemmt, seinem Ehrgeiz Schranken gesezt, ihn von ihrem guten Willen abhängig gemacht hatte. Einzig, ohne Nebenbuhler, ohne einen ihm gewachsenen Gegner, stand er jegt da in der Mitte von Deutschland; nichts konnte seinen Lauf aufhalten, nichts seine Anmaßungen beschrånken, wenn die Trunkenheit des Glücks ihn zum Mißbrauch versuchen sollte. Hatte man anfangs vor der Uebermacht des Kaisers gezittert, so war jezt nicht viel weniger Grund vorhanden, von dem Ungestům eines fremden Eroberers Alles für die Reichsverfassung, von dem Religionseifer eines protestantischen Königs Ulles für die katholische Kirche Deutschlands zu fürchten. Das Mißtrauen und die Eifersucht einiger von den verbundenen Mächten, durch die größere Furcht vor dem Kaiser auf eine Zeit lang eingeschlåfert, erwachte bald wieder, und kaum hatte Gustav Adolph durch seinen Muth und sein Glück ihr Vertrauen gerechtfertigt, so wurde von ferne schon an dem Umsturz seiner Entwürfe gearbeitet. In beständigem Kampfe mit der Hinterlist der Feinde und dem Mißtrauen seiner eigenen Bundesverwandten mußte er seine Siege erringen; aber sein entschlossener Muth, seine tief dringende Klugheit machte sich durch alle diese Hindernisse Bahn. Indem der glückliche Erfolg seiner Waffen seine mächtigern Alliirten, Frankreich und Sachsen, besorglich machte, belebte er den Muth der Schwächern, die sich jegt erst erdreisteten, mit ihren wahren Gesinnungen an das Licht zu treten, und öffentlich seine Partei zu ergreifen. Sie, welche weder mit Gustav Adolphs Größe wetteifern, noch durch

seine Ehrbegier leiden konnten, erwarteten desto mehr von der Großmuth dieses mächtigen Freundes, der sie mit dem Raub ihrer Feinde bereicherte, und gegen die Unterdrückung der Mächtigen in Schuß nahm. Seine Stärke verbarg ihre Unmacht, und unbedeutend für sich selbst, erlangten sie ein Gewicht durch ihre Vereinigung mit dem schwedischen Helden. Dies war der Fall mit den meisten Reichsstädten und überhaupt mit den schwächern protestantischen Stånden. Sie waren es, die den König in das Innere von Deutschland führten, und die ihm den Rücken deckten, die seine Heere versorgten, seine Truppen in ihre Festungen aufnahmen, in seinen Schlachten ihr Blut für ihn versprigten. Seine staatskluge Schonung des deutschen Stolzes, sein leutseliges Betragen, einige glänzende Handlungen der Gerechtigkeit, seine Achtung für die Geseze waren eben so viele Fesseln, die er dem besorglichen Geiste der deutschen Protestanten anlegte, und die schreienden Barbareien der Kaiserlichen, der Spanier und der Lothringer wirkten kräftig mit, seine und seiner Truppen Måßigung in das günstigste Licht zu segen.

Wenn Gustav Adolph seinem eigenen Genie das Meiste zu danken hatte, so darf man doch nicht in Abrede sein, daß das Glück und die Lage der Umstände ihn nicht wenig begünstigten. Er hatte zwei große Vortheile auf seiner Seite, die ihm ein entscheidendes Uebergewicht über den Feind verschafften. Indem er den Schauplatz des Krieges in die liguistischen Lånder versezte, die junge Mannschaft derselben an sich zog, sich mit Beute bereicherte, und über die Einkünfte der geflüchteten Fürsten als über sein Eigenthum schaltete, entzog er dem Feinde alle Hülfsmittel, ihm mit Nachdruck zu widerstehen, und sich selbst machte er › dadurch möglich, einen kostbaren Krieg mit wenigem Aufwande zu unterhalten. Wenn ferner seine Gegner, die Fürsten der Ligue, unter sich selbst getheilt, von ganz verschiedenem, oft_streitendem Interesse geleitet, ohne Einstimmigkeit und eben darum auch ohne Nachdruck handelten; wenn es ihren Feldherren an

Vollmacht, ihren Truppen an Gehorsam, ihren zerstreuten Heeren an Zusammenhang fehlte; wenn der Heerführer von dem Geseßgeber und Staatsmann getrennt war: so war hingegen in Gustav Adolph Beides vereinigt, er die einzige Quelle, aus welcher alle Autoritåt floß, das einzige Ziel, auf welches der handelnde Krieger die Augen richtete, er allein die Seele seiner ganzen Partei, der Schöpfer des Kriegsplans und zugleich der Voll- · strecker desselben. In ihm erhielt also die Sache der Protestanten eine Einheit und Harmonie, welche durchaus der Gegenpartei mangelte. Kein Wunder, daß von solchen Vortheilen begünstigt, an der Spiße einer solchen Armee, mit einem solchen Genie begabt, sie zu gebrauchen, und von einer solchen politischen Klugheit geleitet, Gustav Adolph unwiderstehlich war.

In der einen Hand das Schwert, in der andern die Gnade, sieht man ihn jest in Deutschland, von einem Ende zum andern als Eroberer, Gesezgeber und Richter durchschreiten, in nicht viel mehr Zeit durchschreiten, als ein Anderer gebraucht hätte, es auf einer Lustreise zu besehen; gleich dem gebornen Landesherrn werden ihm von Städten und Festungen die Schlüssel entgegen getragen. Kein Schloß ist ihm unersteiglich, kein Strom hemmr seine siegreiche Bahn, oft siegt er schon durch seinen gefürchteten Namen. Långs dem ganzen Mainstrom sieht man die schwedischen Fahnen aufgepflanzt, die untere Pfalz ist frei, die Spanier und Lothringer sind über den Rhein und die Mosel gewichen. Ueber die kurmainzischen, würzburgischen und bambergischen Lande haben sich Schweden und Hessen wie eine reißende Flut ergossen, und drei flüchtige Bischöfe büßen, ferne von ihren Sißen, ihre unglückliche Ergebenheit gegen den Kaiser. Die Reihe trifft endlich auch den Anführer1 der Ligue, Marimilian, auf seinem eigenen Boden das Elend zu erfahren, das er Andern bereitet hatte. Weder das abschreckende Schicksal seiner Bundesgenossen, noch die gütlichen Unerbietungen Gustavs, der mitten im Laufe 1 It was at last also the turn of the chief.

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