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die, wenn auch an sich nicht sehr bedeutend, doch, weil sie in unsere Zeit fallen, ein vorübergehendes Interesse haben, bekannt zu werden und zu erfahren, was etwa für ein längeres Studium auszuwählen und anzuschaffen sei. Das Lesen vieler Zeitschriften aber raubt unendlich viel Zeit und verslacht den Geist notwendig. Und 6 wenn man nichts weiter tut, als Zeitblätter lesen, so ist der Prozeß der eigentlichen Fortbildung gehemmt. Hauptschriften seien die tägliche gesunde Hausmannskost, Zeitschriften und Ähnliches die Beigabe für Sonn- und Feiertage. Es taugt nicht, wenn man alle Tage feiert.

2. Zu derselben Zeit studiere nur ein Fach! Wie es eine sehr wichtige, 10 leider noch nicht gehörig beachtete, aber auch bei der Ausführung mit vielen Schwierigfeiten fämpfende didaktische Regel ist, die Lehrgegenstände der Schule mehr nach als nebeneinander zu treiben, so halte man es bei der Lösung der Aufgabe der Selbstbildung. Das Vielerlei und Durcheinander verdirbt und verwüstet Leib und Seele. Jener gedeiht, wenn man sich an einer gesunden Speise sättigt; diese erstarkt, 16 wenn man zu derselben Zeit seine Kraft auf einen Punkt richtet. Was man etwa noch gleichzeitig treibt, muß daneben geschehen, Neben- und Beiwerk bleiben, etwa um der erfrischenden Abwechselung willen.

3. Suche schon beim ersten Studieren eines Buches alle einzelnen Teile, alle einzelnen Säße, ja alle einzelnen Begriffe und Vorstellungen vollständig zu begreifen 20 und zu verstehen; gehe erst dann, wenn dieses gelungen ist, oder wenn du vergebens das rechte Verständnis gesucht hast, weiter; merke dir aber gleich, was dir etwa dunkel geblieben sein sollte, richte beim Fortgang deine Aufmerksamkeit besonders auf die dunkeln Stellen, dringe demnächst, wenn die einzelnen Teile gehörig erfaßt sind, in den Zusammenhang des Ganzen ein und suche die Übersicht desselben zu gewinnen!

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b. Suche den Anterricht interessant zu machen. (S. 148.)

Was unsere Teilnahme, unsere Aufmerksamkeit in vorzüglichem Grade in Anspruch nimmt, was unser Lebensspiel auf eine naturgemäße Weise erregt und erhöht, nennen wir interessant. Es ist natürlich, daß wir uns mit dem Interessanten gern beschäftigen. Denn die Lustgefühle des Menschen lieben Steigerung des inneren Lebensspieles. Will 3 man sich daher der ungeteilten Aufmerksamkeit einer versammelten Menge bemächtigen, fie fesseln, so muß man danach trachten, ihr durch unsere Persönlichkeit oder durch die Art und Weise, wie wir einen Gegenstand behandeln, was dann wieder ein Ausfluß der Bersönlichkeit ist, reines Interesse einzuflößen oder interessant zu werden. Das Interessante erregt nicht ein gemeines, sondern ein höheres, ein freies oder reines 35 Interesse, das nur der Mensch, der gebildete Mensch, kennt, und das selbst wieder schon an und für sich zur Bildung beiträgt. Für den Lehrer aber hat die Fähigkeit, den Unterricht interessant zu machen, noch ein höheres Interesse, weil sie den Erfolg hat, daß der Schüler ein freies Wohlgefallen an dem Wahren, Schönen und Guten bekommt und sich mit diesen großen Dingen gern beschäftigt. Wir fragen daher: Wodurch wird 40 der Unterricht interessant? und antworten: 1) durch den Wechsel, 2) durch die Lebendigkeit des Lehrers, 3) durch seine ganze übrige Persönlichkeit. Der Wechsel ist die Würze des Lebens", sagt ein bekanntes Sprichwort. Wie sollte es nicht ein Bedürfnis für die Jugend sein, denselben (meist an sich trockenen und toten, in seiner Wichtigkeit fürs Leben 2c. von der Jugend nicht erkennbaren) Lehrstoff in mannigfaltigen Formen 45 und Gestalten erscheinen zu sehen? Denn in der Mannigfaltigkeit der Stoffe kann der Lehrer die Abwechselung in der Regel nicht suchen, sondern in der Form der Behandlung, in der Manier. Ehe das Kind den einfachsten Buchstaben gut schreiben kann, muß es ihn tausendmal schreiben. Bedenket, Lehrer, was dazu erfordert wird! Darum denket auf Mannigfaltigkeit, Veränderung und Wechsel! Aber der Wechsel tut nicht so alles, nicht einmal das meiste; mehr schon die Lebendigkeit, die Erregtheit, die Frische des Lehrers, seine natürliche (also natürlich-sichtbare, nicht gemachte) Lust zu lehren

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und sich mit Kindern zu beschäftigen, seine Freude an dem Gelingen schwacher Versuche ic. Wir haben aber gesehen, daß die Unterrichtskunst nicht eine Kunst, mitzuteilen, sondern zu erregen, zu wecken, zu beleben sei. Aber wie willst du ohne Erregtheit erregen, ohne Selbsttätigkeit das Schlafende wecken, ohne Leben beleben können? Nur das Leben erzeugt Leben; von dem Tode aber geht der Tod aus. 5 Darum eigne dir möglichst frische Lebendigkeit an! Diese besteht nicht in äußerer Hast, unruhigem Fechten mit den Händen, nicht in Mienen und Grimassen; sondern sie ist das Leben des Geistes, das sich freilich auch in dem Gesichte, in der Haltung des Leibes und in der Bewegung der Glieder kundtut. Manche Menschen sind in dieser Beziehung ungemein vor anderen von der Natur begünstigt. Die Erziehung 10 tut aber auch viel dazu, wie man an den Kindern bewegter Eltern, an den Schülern bewegter Lehrer sehen kann. Darum kann auch jeder Lehrer, der sich die Bildungsfähigkeit erhalten hat, viel dazu beitragen, daß er die rechte Lebendigkeit gewinne; z. B. durch den Umgang und die Anschauung erregter Menschen und Lehrer; durch nüchterne, naturgemäße Lebensweise (denn vieles hängt dabei vom Körper ab), 16 der es nicht an belebendem Wechsel fehlt; durch die Vorstellung von dem Werte und der Bedeutung des Lebens, in Tätigkeit zugebracht, indem wir doch nur soviel gelebt haben, als wir tätig gewesen sind; durch die Anschauung der unendlichen Tätigkeit in dem Naturleben, besonders wenn der Frühling die Erre besucht; durch den Ümgang mit der Welt der Kinder und durch höhere, religiöse Verständigung über den 20 Zweck des Daseins und den Gedanken an eine Vorsehung, die den Menschen berufen hat, daß er wirke, solange es Tag ist. Kurz, durch deine ganze Persönlichkeit suche den Unterricht interessant zu machen. Gehört man in dieser Beziehung nicht zu den von der Natur hoch Begünstigten, nun, so eigne man sich an, was und wieviel man kann! Der redliche Wille und das freudige Wirken vermögen nicht alles, aber sehr viel! 25

B. Beschreibende Naturkunde.

1) Aus der Naturkunde.

Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den füßen Früblingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen genieße. Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen so ift, wie die meine. Ich bin so glücklich, so ganz in dem Gefühl von rubigem Dasein versunken, das meine Kunst darunter leidet. Ich fonnte jegt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein größerer Maler gewesen, als in diefen Augenblicken. Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die bobe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und 35 nur einzelne Strablen sich in das innere Heiligtum steblen, ich dann im boben Grase am fallenden Bache liege. und nåber an der Erde tausend mannigfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzäbligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mudchen, nåber an meinem Herzen fühle, und füble die Gegenwart des Al. 40 mächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Alliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erbålt - mein Freund! wenn's dann um meine Augen dåmmert, und die Welt um nich ber und der Himmel gang in meiner Seele rubn, wie die Gestalt einer Geliebten: dann sehne ich mich oft und denke: ach, lönntest du das wieder ausdrücken, tönntest dem Papiere 45 das einbauchen, was so warm und voll in dir lebt, das es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes!" W. v. Goethe („Werthers Leiden").

5. Das Leben in der Schöpfung.

Von A. v. Humboldt.

Ansichten der Natur. Stuttgart 1849. Bd. II, S. 3.

Wenn der Mensch mit regsamem Sinne die Natur durchforscht, oder in seiner Phantasie die weiten Räume der organischen Schöpfung mißt, so wirkt unter den

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vielfacher Eindrücken, die er empfängt, feiner so tief und mächtig als der, welchen die allverbreitete Fülle des Lebens erzeugt. Überall, selbst nahe an den beeisten Polen, ertönt die Luft von dem Gesange der Vögel, wie von dem Summen schwirrender Insekten. Nicht die unteren Schichten allein, in welchen die verdichteten Dünste 5 schweben, auch die oberen ätherisch reinen sind belebt. Denn so oft man den Rücken der peruanischen Kordilleren, oder, südlich vom Leman - See, den Gipfel des Weißen Berges bestieg, hat man selbst in diesen Einöden noch Tiere entdeckt. Am Chimborasso, fast 8000 Fuß höher als der Ätna, sahen wir Schmetterlinge und andere geflügelte Insekten. Wenn auch, von senkrechten Luftströmen getrieben, sie sich dahin 10 als Fremdlinge verirrten, wohin unruhige Forschbegier des Menschen sorgsame Schritte leitet, so beweist ihr Dasein doch, daß die biegsamere animalische Schöpfung ausdauert, wo die vegetabilische längst ihre Grenze erreicht hat. Höher als der Kegelberg von Teneriffa auf den schneebedeckten Rücken der Pyrenäen getürmt, höher als alle Gipfel der Andesfette schwebte oft über uns der Kondor, der Riese unter den 15 Geiern. Raubsucht und Nachstellung der zartwolligen Vikunas, welche gemsenartig und herdenweise in den beschneiten Grasebenen schwärmen, locken den mächtigen Bogel in diese Region.

Zeigt nun schon das unbewaffnete Auge den ganzen Luftkreis belebt, so enthüllt noch größere Wunder das bewaffnete Auge. Rädertiere, Brachionen und eine Schar 20 mikroskopischer Geschöpfe heben die Winde aus den trocknenden Gewässern empor. Unbeweglich und in Scheintod versenkt schweben sie in den Lüften, bis der Tau fie zur nährenden Erde zurückführt, die Hülle löst, die ihren durchsichtigen, wirbelnden Körper einschließt und (wahrscheinlich durch den Lebensstoff, welchen alles Wasser enthält) den Organen neue Erregbarkeit einhaucht.

25 Neben den entwickelten Geschöpfen trägt der Luftkreis auch zahllose Keime künftiger Bildungen, Insekteneier und Eier der Pflanzen, die durch Haar- und Federkronen zur langen Herbstreise geschickt sind. Selbst den belebenden Staub, welchen, bei getrennten Geschlechtern, die männlichen Blüten ausstreuen, tragen Winde und geflügelte Insekten über Meer und Land den einsamen weiblichen zu. Wohin der 30 Blick des Naturforschers dringt, ist Leben oder Keim zum Leben verbreitet.

Dient aber auch das bewegliche Luftmeer, in das wir getaucht sind, und über deffen Oberfläche wir uns nicht zu erheben vermögen, vielen organischen Geschöpfen zur notwendigsten Nahrung, so bedürfen dieselben dabei doch noch einer gröberen Speise, welche nur der Boden dieses gasförmigen Ozeans darbietet. Dieser Boden 35 ist zweifacher Art. Den kleineren Teil bildet die trockene Erde, unmittelbar von Luft umflossen; den größeren Teil bildet das Wasser, vielleicht einft vor Jahrtausenden durch elektrisches Feuer aus luftförmigen Stoffen zusammengeronnen und jezt unaufhörlich in der Werkstatt der Wolken, wie in den pulsierenden Gefäßen der Tiere und Pflanzen, zersetzt.

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Unentschieden ist es, wo größere Lebensfülle verbreitet sei, ob auf dem Kontinent, oder in dem unergründeten Meere. In diesem erscheinen gallertartige Seegewürme, bald lebendig, bald abgestorben, als leuchtende Sterne. 3hr Phosphorlicht wandelt die grünliche Fläche des unermeßlichen Ozeans in ein Feuermeer um. Unauslöschlich wird mir der Eindruck jener stillen Tropennächte der Südsee bleiben, 45 wenn aus der duftigen Himmelsbläue das hohe Sternbild des Schiffes und das gesenkt untergehende Krenz ihr mildes planetarisches Licht ausgoffen, und wenn zugleich in der schäumenden Meeresflut die Delphine ihre leuchtenden Furchen zogen.

Aber nicht der Ozean allein, auch die Sumpfwasser verbergen zahllose Gewürme von wunderbarer Gestalt. Unserem Auge fast unerkennbar sind die Cyklidien, die so Euglenen und das Heer der Naiden, teilbar durch Äste, wie die Lemna, deren Schatten sie suchen. Von mannigfaltigen Luftgemengen umgeben und mit dem Lichte unbekannt, atmen die gefleckte Askaris, welche die Haut des Regenwurmes,

die filberglänzende Leukophra, welche das Innere der Ufernaide, und ein Pentastoma, welches die weitzellige Lunge der tropischen Klapperschlange bewohnt. So sind auch die verborgensten Räume der Schöpfung mit Leben erfüllt. Wir wollen hier bei den Geschlechtern der Pflanzen verweilen: denn auf ihrem Dasein beruht das Dasein der tierischen Schöpfung. Unablässig sind sie bemüht, den rohen Stoff der Erde orgas s nisch aneinanderzureihen und vorbereitend durch lebendige Kraft zu mischen, was nach tausend Umwandelungen zur regsamen Nervenfaser veredelt wird. Denselben Blick, den wir auf die Verbreitung der Pflanzendecke heften, enthüllt uns die Fülle des tierischen Lebens, das von jener genährt und erhalten wird.

Ungleich ist der Teppich gewebt, welchen die blütenreiche Flora über den nackten 10 Erdkörper ausbreitet; dichter, wo die Sonne höher an dem nie bewölkten Himmel emporsteigt; lockerer gegen die trägen Pole hin, wo der wiederkehrende Frost bald bie entwickelte Knospe tötet, bald die reifende Frucht erhascht. Doch überall darf der Mensch sich der nährenden Pflanzen erfreuen. Trennt im Meeresboden ein Vulkan die kochende Flut und schiebt plöglich, wie einst zwischen den griechischen Inseln, 15 einen schlackigen Fels empor, oder erheben, um an eine friedlichere Naturerscheinung zu erinnern, die einträchtigen Lithophyten ihre zelligen Wohnungen, bis sie nach Jahrtausenden, über den Wasserspiegel hervorragend, absterben und ein flaches Koralleneiland bilden, so sind die organischen Kräfte sogleich bereit, den toten Fels zu beleben. Was den Samen so plößlich herbeiführt, ob wandernde Vögel oder Winde, 2 oder die Wogen des Meeres, ist bei der großen Entfernung der Küsten schwer zu entscheiden. Aber auf dem nackten Steine, sobald ihn zuerst die Luft berührt, bildet fich in den nordischen Ländern ein Gewebe sammetartiger Fasern, welche dem unbewaffneten Auge als farbige Flecken erscheinen. Einige sind durch hervorragende Linien bald einfach, bald doppelt begrenzt; andere sind in Furchen durchschnitten und in 25Fächer geteilt. Mit zunehmendem Alter verdunkelt sich ihre lichte Farbe. Das fernleuchtende Gelb wird braun, und das bläuliche Grau der Leprarien verwandelt sich nach und nach in ein staubartiges Schwarz. Die Grenzen der alternden Decke fließen ineinander, und auf dem dunklen Grunde bilden sich neue, zirkelrunde Flechten von blendender Weiße. So lagert sich schichtenweise ein organisches Gewebe auf das 30andere, und wie das sich ansiedelnde Menschengeschlecht bestimmte Stufen der sittlichen Kultur durchlaufen muß, so ist die allmähliche Verbreitung der Pflanzen an bestimmte physische Geseze gebunden. Wo jezt hohe Waldbäume ihre Gipfel lustig erheben, da überzogen einst zarte Flechten das erdenlose Gestein. Laubmoose, Gräser, krautartige Gewächse und Sträucher füllen die Kluft der langen, aber ungemessenen 36Zwischenzeit aus. Was im Norden Flechten und Moose, das bewirken in den Tropen Bortulaca, Gomphrenen und andere fette, niedrige Uferpflanzen. Die Geschichte der Bflanzendecke und ihre allmähliche Ausbreitung über die öde Erdrinde hat ihre Epochen, wie die Geschichte der wandernden Tierwelt.

76. Die Alpenrose, die Königin der Alpenblumen.

Bon F. v. Tschudi.

Das Tierleben der Alpenwelt. Leipzig 1854.

S. 250.

Ein Blümchen blübt in Lieblichkeit
Auf bober Alpen Rücken;
Es weiß der Morte dunkles Kleid
Mit Rosenrot zu schmücken.

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Als Königin der Alpenpflanzen ist längst schon mit vollem Rechte die herrliche Alpenrose bezeichnet worden. Sie gewährt einen wahrhaft bezaubernden Anblick, wenn ihre Sträucher ganze Felsen- oder Rasenpartieen mit den buchsartigen, saftgrünen Blättern bekleiden, aus denen die zierlich gebildeten, karminrot leuchtenden Glocken- s0 sträußchen und braunen Knospenzapfen sich so freundlich abheben. Mit welcher Wonne begrüßt der müde, feuchende Wanderer den ersten Alpenrosen- Strauch und eilt trog

aller Erschöpfung im Fluge zu dem Felsen empor, von dem die Röschen ihm die lächelnden Grüße der Alpennatur zuwinken; wie oft begleiten sie mit ihrer ewigen Anmut ihn mitleidig durch lange Felsenlabyrinthe und verkünden ihm Leben und volles Genüge in ihrer öden Welt von grausenhaften Steintrümmern! Überall

5 gleich reizend, ziert sie tausendfältig das tausendfältig wechselnde Land ihrer Heimat und glüht bald als einzelne Rosenflamme über dem polternden Sturze des Eisbaches, bald überzieht sie die ganze Fläche des Berges, der sich mit seinem Purpurteppich im Spiegel des Alpensees malt, oder streut ihre Blüten gesellig in den vielfarbigen Flor der Alpen. Gleich freundlich wie dem Menschen, dem sie oft, wenn er unauf10 haltsam dem Abgrunde zugleitet, ihre rettenden Stauden entgegenstreckt und dem sie in bitterkalten Sommertagen willig zum Feuerherde folgt, bietet sie im harten Winter dem sanften Volke der Alpenhühner ihre zarten Sprossen und Knospen, um es vor dem nagenden Hunger zu schüßen. Der Gebirgswanderer findet an diesen lieben Stauden so recht einen Maßstab für die stufenweise Entwickelung der Alpenpflanzen. 15 Bei 4000 Fuß Seehöhe findet er die braunen Kapseln mit halbangereiftem Samen! bei 5000 Fuß steht die herrliche Pflanze im höchsten Flor; bei 6000 Fuß beginnt der sonnigste Knospenzapfen die erste Blüte aus der Pyramide zu lösen, und 500 Fuß höher fangen die Knospen erst an sich zu bräunen, ungewiß, ob dieser Sommer ihnen die Entfaltung vergönnen werde. Der Schlag und die Tracht der Alpenrosen ist 2 übrigens in den verschiedenen Gebirgen sehr verschieden; nie haben wir sie üppiger, mit größeren, tiefer gefärbten Glocken und Büscheln gesehen, als in den Gebirgen Graubündens. Die gewimperte, die rostfarbene und die rein weiße Alpenrose sind bes sondere Arten.

Die reizende Königin der Alpenblumen ist von einem glänzenden Hofftaate um, 25 geben, von denen keine es wagt, mit ihr um die Gunst des Menschen zu werben, so bunt, so reich sie auch geschmückt sind. Unter ihnen treten besonders die Gen tianen hervor, die in den verschiedensten Formen und Farben den Alpenrasen schmücken und viele Arten aufweisen. Die hohe Purpur- Gentiane, sowie die punktierte und die gelbe erheben stolz ihre leuchtenden Blumenwirtel aus den niedrigen Kräutern 30 der Nachbarschaft, während die stiellose und die Frühlings - Gentiane millionenfältig ihre purpurblauen Glocken über die feimende Rasendecke hinstreuen.

Schnee sein schmußiges Kleid von den hohen Triften zurückzieht, sprießt ungeduldig oft dicht neben ewigem Gletscher das überaus zierliche Alpenglöcklein mit seinen lilafarbenen, fein ausgezahnten Blumen aus dem feuchten Grunde; die hochgelben, weit 35 duftenden Aurikeln bekleiden mit den niedlichen Steinbrech - Arten ganze Felsenpartieen; die rosenroten Silenen bilden große, weithin leuchtende Rasenpläße; die prächtigen Anemonen-Arten, die blauen und weißen Kugelblumen, die kräftigen Ranunkeln, die weißen Alfinen, die blauen Ehrenpreise, die Schafgarben, Fingerfräuter, der duftige Thymian, die herrliche rotblütige Berg-Hauswurz und die blaue Alpenaster, die zier 40 liche Dryas, die roten Läusekräuter, die scharfriechenden Lauche, die oft ganze Geröllhalden durchwachsen, die herrlichen Veilchenarten, die bunten Orchideen, unter ihnen das stark vanillenduftige Kan mblümlein, die ebenso stark riechenden, schmucken Seidelbaste, die aromatischen Artemisien, die Glockenblumen und Habichtskräuter, die blaue Alpenaklei, die bunten Huflattiche, die vielfarbigen Schmetterlingsblumen, die Alpen45 Sommerröschen und die Polster der Azaleen gehören zu den lieblichsten Kindern der Alpenflora. Jedes von ihnen hat sein eigenes Geschäft, seinen Ort, seine Zeit; die einen verschönern kahle Felsen, die anderen die Rinnsale der Gletscherwasser, die Ufer der Bäche und Hochalpseeen, die Schuttreviere, die Wälder und Buschplätze; andere bewachen die Gletscher- und Schneetälchen, umgeben die fetten Pläge der Alphütten, 60 kleiden die Weiden ein, oder siedeln sich auf der dünnen Dammerde der Flühen an. Jedes findet sein Reich und seine Stelle, wo es die Anmut seiner lieblichen Natur entfaltet. Außer diesen leuchtenden und duftenden Blumen bedecken viele kraftvolle

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