Imágenes de páginas
PDF
EPUB

auf öffentlichen Grasplätzen sorgsam etwas Heu, das sie ein halbes Jahr lang ebenso sorgsam aufbewahrten, um es dann vor das Tor legen zu können.

Selbst Abbilder des alten Gottes Wodan gab und gibt es noch zu Weihnachten, und gerade diese Bilder mögen die Kinder unter dem Christbaume nicht gern vermissen. • Freilich merkt man ihnen jetzt fast nichts mehr an von der strahlenden, lichten Schönheit des alten Gottes; es sind nämlich die Rosinen- und Pflaumenmänner, die noch jetzt auf dem Weihnachtsmarkte von armen Kindern feilgeboten werden und dann unter dem Christbaume ihren Platz finden, nichts anderes, als rohe Abbildungen des alten Gottes. Weil aber die wenigsten Menschen das noch wissen, so ist es nicht zu verwundern, dass 10 der Gott in diesen Pflaumenmännern schliefslich zu einem mit Leiter und Besen ausgerüsteten Essenkehrer geworden ist. Auch die Männer und Reiter aus Pfefferkuchenteig, die jetzt an den Christbaum gehangen werden, sind ursprünglich Abbilder des Wodan gewesen. Der Christbaum selbst ist eine Erinnerung an die altheidnische Zeit. Man suchte nämlich an dem Sonnenwend-Feste, das ja die Aussicht auf den Frühling er15 öffnete, sich die Freuden des Frühlings zu vergegenwärtigen, soweit es der freilich noch immer herrschende Winter gestattete. Das frische, saftige Grün des Frühlings war es, das man vor allem feierte, und wie man an den eigentlichen Frühlingsfesten Birken als Maibäume vor die Türen pflanzte, so pflanzte man zum Feste der Winter-Sonnenwende in Ermangelung anderer grüner Bäume die immergrünen Tannenbäume vor die Häuser, 20 beliung sie mit bunten Bändern und besteckte sie mit Lichtern.

Hatte man schon in der Heidenzeit sich nicht damit begnügt, von dem Umzuge und Einzuge der Götter in den Sagen zu erzählen, sondern hatte man diesen Einzug in den verschiedensten Weisen versinnbildlicht dargestellt, so begnügte sich das deutsche Volk, als es zum Christentume bekehrt war, auch bald nicht mehr damit, die liebliche Erzählung 85 von der Geburt des Weltheilandes von seinen Predigern vorlesen zu hören oder selbst zu lesen, sondern es machte sich auch daran, diese Erzählung selbst darzustellen. Schon die fromme Kaiserin Helena, Konstantins des Grofsen Mutter, hatte in der Kirche, die zu Bethlehem über der Höhle errichtet war, welche als die Geburtsstätte des Heilandes bezeichnet wurde, eine kostbare Krippe aus weifsem Marmor errichten lassen. So liefs 30 auch der heilige Franciscus von Assisi im Jahre 1221 mit Erlaubnis des Papstes in seiner Kirche eine kostbare Krippe aufrichten, und um den Stall der Geburt anzudeuten, stellte man einen Ochsen und Esel daneben. Bald gab es fast keine Kirche mehr, in der nicht eine mehr oder weniger kostbare Krippe oder Wiege, manchmal sogar mit einem Bilde des göttlichen Kindes, während der Weihnachtsfeiertage aufgestellt wurde. Später 25 safsen sogar an den Seiten desselben zwei Personen, Joseph und Maria darstellend. Joseph wiegte das in der Krippe liegende Kind, während Maria ein liebliches Wiegenlied sang. Zuweilen sang auch die ganze Gemeinde das Wiegenlied mit, oder es trat nur eine Schar Kindlein singend an die Wiege heran. Als nach der Reformation die Aufstellung von Krippen in den Kirchen seltener wurde, fing man an, diesen Gebrauch in 40 den Wohnhäusern nachzuahmen. Diese in den Familien aufgestellten Krippen waren wohl manchmal die gröfste Weihnachtsfreude der jubelnden Kinderschar, und nicht selten waren dieselben sogar mit wahrer Pracht ausgestattet. So liefs sich der Bürger Moser in Bozen eine solche für den Preis von 10000 Gulden herstellen. Aber auch mit geringem Aufwande war es möglich, eine Kinder wie Erwachsene in gleicher Weise er45 freuende Darstellung der Geburtsgeschichte des Herrn herzustellen, und an mancher mochte wohl ein geschickter Bürger oder Landmann das meiste selbst geschnitzt und zusammengestellt haben. Konnte man ja doch ein hohles Häuschen im Spielwarenladen schon für wenige Groschen, ein hölzernes Ochslein oder Eselein, oder ein Männchen, das einen Hirten vorstellen kann, gar schon für einige Pfennige kaufen. Ein Berg aus Pappe se und mit aufgeleimtem Sande war leicht herzustellen, und das Moos, das die grünen Wiesen andeuten sollte, lieferte der freigebige Wald umsonst.

Ein Bewohner des sächsischen Erzgebirges schildert die in den Bürger- und Bauer

häusern seiner Heimat noch jetzt alle Weihnachten aufgebauten Krippen so: „Sie sind in Holz geschnitzte Darstellungen der Geburtsgeschichte Christi, und manche sind wirklich kunstreich und sehr schön. Da sieht man auf einem Berge die Stadt Bethlehem. Vorn ist ein Stall mit offenen Wänden, in dem man neben Ochs und Esel das Christkind in der Krippe und Maria und Joseph sieht. Auf der andern Seite stehen die Hirten, 5 welche die Schafe hüten, und über ihnen schweben Engel, welche die Geburt Christi verkündigen. Im Hintergrunde kommen auf einem Bergpfade die drei Weisen aus dem Morgenlande auf Rossen und Kamelen, von Dienern begleitet, heran und ziehen nach dem Sterne, der über dem Stalle strahlt. Das ganze Bildwerk hat oft einen bedeutenden Umfang, und wenn es in der Weihnachtszeit in den Familien, die eines solchen Besitzes 10 sich rühmen, aufgebaut, jede Figur an ihren Platz gestellt, und das Ganze durch ringsum angebrachte Lichter erleuchtet ist, so wird das Zimmer von Beschauern nicht leer, ja es kann oft kaum die Menge fassen, und wenn man einen gebirgischen Knaben fragen wollte, was ihm an Weihnachten das Liebste sei, seine Geschenke oder die Anschauung der strahlenden Krippe, er würde wohl meist das letztere nennen."

15

Aufser so grofsen Krippen, wie sie hier beschrieben, findet man freilich auch oft recht kleine, die aber dennoch den Kindern nicht weniger Vergnügen machen. Manchmal ist nur das Brettchen, auf dem der lichterstrahlende Tannenbaum steht, in eine Krippe umgewandelt. Um das Brettchen herum zieht sich, oft von Kinderhand gefertigt, ein zierlicher Lattenzaun, und auf das Brettchen selbst ist eine Moosdecke geleimt. In 20 einer Ecke steht eine Krippe, oft auch von Kindern selbst angefertigt, in ihr, das Christuskind vorstellend, ein kleines Wickelpüppchen, während neben ihr Ochs und Esel ihren Platz gefunden haben. In der andern Ecke des „Gärtchens“, wie es die Kinder auch nennen, ist eine Herde hölzerner Schäfchen aufgestellt, die von den Hirten gehütet werden. Über der Spitze des Baumes aber schwebt ein Englein, das ein Band mit der 25 Inschrift: „Ehre sei Gott in der Höhe!" in den Händen hält.

Ebenfalls im sächsischen Erzgebirge findet man noch eine andere Art von Krippen. Sie bestehen aus hölzernen, mit buntem Papier überzogenen Pyramiden, wie sie anch in Städten zum Verkauf ausgeboten werden, und sind genau in vier Stockwerke abgeteilt. Auf dem untersten Brettchen findet sich eine Darstellung der Geburt Jesu, wie sie schon 30 beschrieben ist. Im zweiten Stockwerke sind gewöhnlich die Christenverfolgungen dargestellt, indem aus flimmernden Steinen kleine Höhlen gebaut sind, in denen kleine, hölzerne Figuren, die ersten Christen vorstellend, stehen. Im dritten Stockwerke stehen Figuren, die Bischöfe, Mönche, Ritter, den Papst, Luther u.s. w. vorstellen und das Mittelalter andeuten sollen, während auf dem obersten Brettchen Soldaten, weltliche und geist- 35 liche Beamte, Handwerker aller Art u.s.w. die neueste Zeit bezeichnen. Die zu diesen Darstellungen gehörigen Figuren liefern die erzgebirgischen Spielwaren-Fabriken. Aber nicht nur in Deutschland war und ist die Aufstellung von Krippen üblich. Man findet diese Gewohnheit auch in Italien, Frankreich und England. In Polen trägt ein verkleideter Schulknabe eine Krippe durch das Dorf und singt bei der Vorzeigung derselben 40 ein Weihnachtsliedchen.

Weiter als in den Krippen ging man mit der Darstellung der heiligen Weihnachtsgeschichte in den sogenannten, Weihnachtsspielen". Leute eines Ortes vereinigten sich, entweder auf einer eigens dazu errichteten Bühne oder in den Wohnstuben ihrer Nachbarn, die Geschichte der Geburt Jesu aufzuführen. Der Text dieser volkstümlichen 45 Schauspiele ward meistens nur von Mund zu Mund fortgepflanzt. Zuweilen hatte einer im Dorfe eine Abschrift desselben, dann leitete dieser die Vorbereitungen und Aufführungen. Ähnlich also wie bei dem berühmten Oberammergauer Passionsspiel. Jetzt sind die Weihnachtsaufführungen immer seltener geworden; die Gelehrten aber haben dafür gesorgt, dass die den Leuten noch erinnerlichen Texte aufgeschrieben worden sind, 50 und so besitzen wir jetzt Weihnachtsspiele aus Sachsen, Böhmen, Schlesien, Thüringen, den Rheinlanden, Kärnten, Salzburg, Mähren und aus Deutsch-Ungarn. Wenn sich der

Kehru. Kriebißsch, Deutsches Lesebuch. II. 16. Aufl.

16

Text derselben auch meistens an die Worte der Heiligen Schrift anlehnt, so ist doch auch mancherlei hinzugedichtet worden und oft, wie es des Volkes Weise ist, recht Gemütliches und Naives. So besonders in den Scenen, wo die Hirten auf dem Felde die Verkündigung hören und sich dann mit ihren Geschenken (z. B. Wolle, Milch, einem Lamm, 5 einem Apfel u. dgl.) nach Bethlehem aufmachen. In einem erzgebirgischen Weihnachtsspiel kommt ein junger Hirt mit zu dem neugeborenen Kindlein, der nichts als ein altes, hartes Brotrindchen in seinem Korbe hat und dieses mit den Worten: „Da, Alter, ifs du's!" dem Joseph gibt, weil es das Kindlein doch nicht erbeissen könnte. Auch in der Scene, wo der Engel erscheint, machen die Weihnachtsspiele gern ihre Späfse. Da weckt 10 ein Hirt einen andern sehr fest schlafenden mit den Worten: „Steh auf, uns ist ein Kind geboren". Dieser aber antwortet schlaftrunken: „Was, ein Kind ist erfroren?" Ebenso wird in der Scene, als Joseph und Maria nach Bethlehem kommen und keine Herberge finden können, mancher Spafs gemacht. Da tritt in einem Spiele ein geiziger Wirt auf, bei dem der Knecht für die Fremden bittet, im andern ein gutmütiger Wirt, der die 15 Fremden gern aufnähme, wenn er es vor seiner bösen Frau, unter deren Herrschaft er steht, wagen dürfte. In einem andern Spiele bringt eine mitleidige Magd der Maria Zutat zu einem Brei für das Kindlein. Dem einfachen Sinne des Volkes waren solche Erweiterungen der heiligen Geschichte durchaus nicht anstöfsig, und jung und alt hörte mit der grössten Ehrfurcht und Andacht zu. Tritt doch in einem ungarischen Weihnachts20 spiele, das auch den bethlehemitischen Kindermord mitbehandelt, sogar der Teufel, der den gottlosen Herodes holt, in fürchterlicher Gestalt auf.

Im Gefolge der Aufführungen war, wenn sie in ein Haus traten, gewöhnlich auch Ruprecht. Vor der Aufführung stellte derselbe mit den Kindern und mit dem Gesinde des Hauses ein Examen an, das, wenn es übel ablief, wohl auch Schläge zur Folge hatte. 25 An manchen Orten hat die Stelle des Ruprecht der Apostel Petrus eingenommen. Wieder an anderen Orten tritt das Christuskindlein mit einem Engel auf und fragt vor der Aufführung nach dem Betragen der Kinder und des Gesindes. Er lobt dann die Braven, ermahnt die, über welche geklagt wird, und verteilt Geschenke. Dieses sogenannte „Christkindelspiel" ist an vielen Orten das einzige, was sich von den Weihnachtsspielen 30 noch erhalten hat.

Ein seltener Brauch herrschte im Mittelalter an dem vierten Weihnachtstage, dem sogenannten „Kindeltage", der dem Andenken der zu Bethlehem ermordeten unschul digen Kindlein gewidmet ist. Dieser Tag wurde nämlich zu einem seltsamen Feste für die Schuljugend gemacht, bei dem sie das Recht hatte, einen unter sich zum Bischofe zu #5 wählen. Dieser hiefs der Kinderbischof. In feierlichem Zuge und im bischöflichen Ornate wurde der gewählte Knabe in die Kirche geführt; dort erhielt er einen Ehrenplatz am Altare, auf dem er während des ganzen Gottesdienstes verweilte. Zum Schlusse des Gottesdienstes mufste er selbst eine geistliche Rede halten. Darauf folgte ein feierlicher Umzug durch die Stadt, voran der Kinderbischof zu Pferde und ihm nach die 10 ganze fröhliche Kinderschar in den verschiedensten und lächerlichsten Masken.

Seit Jahrhunderten schon ist diese Sitte aufgehoben worden, da sie gar bald zu Scenen führte, die des Gotteshauses nicht würdig waren. Eine andere Sitte am Kindeltage hat sich aber bis auf unsere Tage erhalten. In Süddeutschland ist es nämlich Brauch, dass an diesem Tage die Kinder mit Ruten aus Wacholder- oder Tannenreisern 45 umherziehen, die Erwachsenen mit diesen Ruten, wie sie sagen, abkehren und dafür kleine Geschenke erhalten, ähnlich wie dies in Norddeutschland zu Fastnacht der Fall ist. In Schwaben nennt man jenen Gebrauch „Fitzeln" oder „Pfeffern".

Zum Schlufs sei noch einer in Norddeutschland üblichen Sitte gedacht, bei welcher sich sogar der alte Name des heidnischen Sonnenwend-Festes, das man auch „Julfest" so nannte, erhalten hat. In Holstein, Mecklenburg und den angrenzenden Ländern wickelt man nämlich Geschenke für Bekannte und Verwandte in eine möglichst grofse Zahl von Umhüllungen, z. B. in zwanzig oder dreifsig Bogen Papier. Während der Bescherung

werden sie dann, ohne dafs man weifs, von wem sie kommen, zur Tür hereingeworfen, und dabei wird der Name dessen gerufen, für den sie bestimmt sind. Zuweilen wird auch der Name des Empfängers auf die Umhüllung geschrieben. Ein solches Geschenk heisst „Julklapp“, und der Ruf, den man bei dem Werfen hören läfst, heifst also ungefähr: Julklapp für den Papa" oder: „Julklapp für Hänschen" u. s. f.

93. Die Religion der alten Germanen.

Bon K. Wernicke.

Geschichte der Welt. Berlin 1863. Bd. I (Altertum), S. 814.

Über die Religion der Germanen finden wir bei den römischen Schriftstellern nur sehr mangelhafte Nachrichten. Dazu kommt, daß in Deutschland selbst bei der Einführung des Christen- 10 tums alles, was an das Heidentum erinnerte, aus mißverstandenem Glaubenseifer vertilgt wurde. Die uns erhaltenen Bruchstücke deutscher Götterlehre aber stehen um so weniger in strengem Zusammenhange miteinander, je mehr die Germanen in Deutschland in verschiedene Stämme gespalten waren, bei denen sich schwerlich ein allen gemeinsames vollständiges System der Götterlehre je ausgebildet hat. Am meisten entwickelt erscheint die germanische Religion in den Sagen der 15 germanischen Bewohner Skandinaviens, bei denen sich auch das Heidentum fast drei Jahrhunderte länger und ungestörter erhielt, als in Deutschland.

Nach dieser nordischen Mythologie war im Anfange der Zeit weder Himmel noch Erde, sondern nur eine gähnende Tiefe. In diese blickte Alfaður (Allvater), der unsichtbare, ewige und unveränderliche Schöpfer des Weltalls, und spaltete sie in zwei Teile, in Norden (Niflheim), von 20 wo Dunkel und grimmige Kälte, und in Süden (Muspellheim), von wo Licht und Wärme ausgeht. Aus einem in der Mitte liegenden Brunnen floffen zwölf Giftströme. Je mehr sich dieselben von ihrer Quelle entfernten, um so mehr erstarrte das in ihnen enthaltene Gift, und so entstand Reif und Eis, welches die Tiefe ausfüllte. Angeweht von der milden Luft des Südens, begann es zu schmelzen und zu triefen, und durch die Kraft dessen, der die Hize sandte, belebte sich der Tropfen, 25 und es entstand daraus der Riese Ymir, von dem das Geschlecht der Riesen ausging. Ebenso entstand daraus die Kuh Audhumbla, von deren Milch Ymir sich nährte. Sie selbst nährte sich dadurch, daß sie die salzigen Eissteine ledte, und dadurch entstand Buri, ein großer, schöner und starker Mann, dessen Enkel Odin, Vile und Ve den Riesen Ymir erschlugen. Als dieser fiel, entströmte seinen Wunden eine so große Menge von Blut, daß alle Riesen bis auf einen, von dem 30 das jüngere Riesengeschlecht stammt, darin ertranken. Buris Enkel schleppten darauf Ymirs Leichnam mitten in die Kluft und erschufen aus seinem Blute die See, aus dem Fleische die Erde, aus den Knochen die Berge, aus den Zähnen und zerbrochenen Knochen die Felsen und Klippen, aus dem Schädel den Himmel, an welchem sie die aus Muspellheim herübergeflogenen Feuerfunken befestigten, so daß alles dadurch erleuchtet wurde. Die Erde war rund und von einem 35 tiefen Meere umgeben, dessen Strand (Jötunheim) die Riesen bewohnen sollten, und um sie gegen dieselben zu schüßen, wurde aus den Augenbrauen Ymirs die Burg Midgard (Mittelfeste) erbaut. Am Strande fanden Odin, Vile und Ve zwei Bäume, aus denen sie zwei Menschen erschufen, Askr und Embla. Odin gab ihnen Seele und Leben, Vile Witz und Gefühl, Ve Sprache, Gehör und Gesicht. Die drei Götterbrüder (Asen) ordneten nun die Welt. Sie seßten an den Himmel 10 die Lenker von Sonne und Mond, welche auf Wagen fahren, von Wölfen verfolgt, die von den Riesen stammen und sie zu verschlingen drohen. Einer vom Geschlechte der Asen vermählte sich mit einer Riesentochter, der schwarzen Nacht, welche Odin mit ihrem Sohne, dem glänzenden Tage, an den Himmel versezte, damit sie auf schnellen Rossen täglich die Erde umritten.

Im Himmel bauten sich die Götter die Burg Asgard. Dort befanden sich zwölf aus Gold 45 und Edelsteinen zusammengeseßte Götterburgen. Auf Idavöllr, einer reizenden Ebene, hatten sie ihre Gastmahle und Kampfspiele. Dort ist Walhalla, ein glänzender Goldpalast, der bis in die Wolken reicht, und vor dessen Eingang sich ein Hain befindet, dessen Bäume goldrote Blätter haben. Dort ist auch Wingolf, das Heiligtum der Göttinnen, dort endlich auch die Gerichtsstätte über Götter und Menschen unter der Esche Ygdrasill. Ringsum sind die Size für die zwölf 50

Götter des hohen Götterrates. Eine Brüde, aus Luft, Feuer und Wasser zusammengeseßt, vers bindet Asgard mit der Erde.

An der Spike der zwölf oberen Götter steht Odin (deutsch Wuotan), der Vater der Götter und Menschen, einäugig und mit einem grauen, breiten Hute. Er ist der weise Lenker der Welt, 6 der Lehrer der Menschen in kunstreichen Erfindungen, der Ordner der Kriege und Schlachten. Er entsendet die jungfräulichen Göttinnen des Heldentodes, die Walküren, daß sie ihm die Einherier crlesen, die Helden, welche sie durch einen Kuß in der Schlacht zum Göttermahle in Walhalla laden, wo dieselben an den Kampfspielen der Götter teilnehmen und nach dem Mahle auf immergrünen Gefilden am Arme der Walküren lustwandeln. Ihm war der Mittwoch heilig. Odins 10 Gemahlin ist Frigg, die Mutter der Götter und Beschüßerin der Ehen. Odins und der Frigg Sohn ist Thor (Donar), der Donnerer, der auf einem Wagen durch den Himmel fährt und einen gewaltigen Hammer führt; ihm war der Donnerstag heilig. Odins zweiter Sohn ist Baldr (Baldur), der Gott des Lichts und der Schönheit. Der vierte der Asen ist Niord, der Beherricher des Meeres und der Flüsse; der fünfte ist Niords Sohn Freyr (Herr), der Gott der 15 Sonne, des Friedens und der Fruchtbarkeit. Seine Schwester Freya ist die Göttin der Liebe und des Mondes, in deren Gefolge sich Snotra, die Göttin der Schamhaftigkeit, und Gefion, die jungfräuliche Göttin der Unschuld, befinden. Ihr war der Freitag geweiht. Der sechste der hohen Götter ist der einhändige Tyr, Odins Sohn, der weise und tapfere Gott der Krieger; der siebente ist Bragi, der Gott der Dichtkunst, mit einer goldenen Harfe, dessen Gemahlin Jdun, die 20 Göttin der Unsterblichkeit, die goldenen Äpfel bewahrt, deren Genuß Unsterblichkeit verleiht. Der achte ist Heimdall, der Wächter der Himmelsbrüde; der neunte der schweigende Gott Widar, der stärkste nach Thor; der zehnte Wali, ein trefflicher Bogenschüße; der elfte, Thors Stiefsohn, Uller; der zwölfte endlich Forsete, Baldrs Sohn, der Gott des Friedens.

Zu den niederen Göttinnen gehörten außer den Walküren noch die drei Nornen, die 25 Schicksalsgöttinnen, welche Vergangenheit und Zukunft kennen und über Leben und Tod der Sterblichen entscheiden.

Nicht zum Geschlechte der Afen gehörig, aber mit Odin befreundet ist Lote, schön, aber boshaft und schadenfroh, das Sinnbild des Feuers in seinen verderblichen Wirkungen. Mit einem Riesenweibe erzeugte er drei Ungeheuer: die scheußliche, halb schwarze, halb menschenfarbige Todes30 göttin Hel, den Wolf Fenris und die Midgardschlange. Die Götter wußten, daß ihnen diese drei Wesen großes Unheil bringen würden. Sie schleuderten deshalb die Schlange in das Weltmeer, wo sie so wuchs, daß sie mit ihrem Leibe die ganze Erde umschlingt, indem sie sich selbst in den Schwanz beißt. Hel warfen sie nach Niflheim; den Wolf aber fesselten sie mit einem Zauberbande, das die im Innern der Erde wohnenden Zwerge (Schwarzelfen genannt, im Gegensaz gegen 85 die Lichtelfen) verfertigt hatten, an einen Felsen. Auch Lote wurde an Felsen gefesselt, weil durch seine Arglist Baldr, der weiseste, beredteste und beste der Asen, den Tod fand.

Die Asen sind nicht ewig, sie sind sogar dem Alter unterworfen und nur durch den Genuß der Äpfel Jduns schüßen sie sich gegen dasselbe; endlich aber naht ihrer Herrschaft der Unter gang. Furchtbare Zeiten brechen dann herein, voll Frevel, Krieg und Blutvergießen; drei Jahre 40 dauert der Winter. Dann verschlingen die beiden Wölfe Sonne und Mond; Loke und seine Kinder werden befreit und vereinigen sich mit Surtur, dem Beherrscher von Muspellheim, gegen die Asen. Der Fenriswolf verschlingt Odin und wird dann selbst getötet; Thor erlegt die Midgardschlange, stirbt aber von ihrem Gifte; die Erde sinkt ins Meer zurück, und die Welt geht in Feuer aus der Südwelt unter. Dann aber schafft Allvater einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen 45 kein Übel mehr ist. Auch die Götter kehren, zu vollendeterem Dasein erhoben, nach Jdavöllr zurüď. Nur Odin und Thor fehlen unter ihnen; aber an die Stelle des ersteren tritt der wiedergelehrte Baldr, an die des leßteren treten seine beiden Söhne, Mut und Stärke; die Riesen und Ungeheuer haben für immer ihren Untergang gefunden.

In der nordischen Religion findet sich auch, wie schon aus dem oben Bemerkten hervorgeht, 50 der Glaube an eine Fortdauer der Seele nach dem Tode, nur freilich so, daß der Zustand und der Aufenthalt der Seele durch die Todesart bestimmt wird. Nur wer den Heldentod in der Schlacht gestorben ist, wird des Aufenthaltes und der Seligkeit in Walhalla teilhaftig. Wer nicht im Kampfe

« AnteriorContinuar »