Imágenes de páginas
PDF
EPUB
[merged small][merged small][merged small][ocr errors]

Von A. Knapp. Herbstblüten. Stuttgart 1869. 6. 217.

1. Zwölf Kinder hatte sie geboren, Die schöne Tochter Scipios; Bon einem Konsul auserkoren, 10 Fiel ihr ein würdevolles Los, Das friedlich sie mit hohem Sinnen, Seweiht dem Dienst der Charitinnen, In unbefleckten Händen trug. Ins Frau'ngemach zurückgezogen, 15 Fand, von der Prahlsucht unbetrogen, Ihr Geist der Arbeit stets genug.

2. Zu König Ptolemäus' Werben Sprach ohne Stolz die Witwe "nein", Sie konnt' Ägyptens Thron ererben 20 Und wollte nichts als Mutter sein. Neun sanken früh in Todesschatten Von ihrer Zwölfzahl samt dem Gatten; Zwei Söhn' und eine Tochter nur Berblieben ihr als edle Reste, 25 Und diesen weihte sie aufs beste Der Mutter innige Natur.

3. Als einst viel' Perlen und Juwelen Auslegte die Campanerin,

Um ihren Reichtum herzuzählen, 30 Trat sanft die Gracchenmutter hin, Mit füßem Glück die beiden Söhne In ihrer jugendlichen Schöne Zu zeigen als ihr Perlenpaar, Bon welchen, traun, der jüngre Sprößling 85 Gleich seinem ältern Palmenschößling Hellblühend anzuschauen war.

4. Tiberius und Cajus schmiegten Sich liebend an die Mutterbrust; In ihrem frischen Herzen wiegten 40 Biel' Träume sich der Tatenlust. So schwebt der erste Tag des Maien Mit goldbesounten Wolkenreihen Sanft durch die blaue Himmelsluft Und ahnet nicht, wie bald in Wetter 46 Mit Blitz und donnerndem Geschmetter Sich wandeln wird sein Morgendust.

5. Cornelia doch, mild, besonnen, Hielt fest im Zügel ihren Geist, Da selbst das Königsheer der Sonnen 50 In festgesteckten Bahnen kreist, Damit fie, gleich den Scipionen,

Den Lenkern stolzer Legionen,
Bewahreten das rechte Maß,
Des Überschreitung manchen Starken
Zurüdwarf von des Sieges Marken,
Wenn Selbstbesiegung er vergaß.

6. Doch was ersieht, als nun erwachsen
Die Söhne sind, der Mutter Blid?
Des goldnen Siegeswagens Achsen
Verkünden knarrend Roms Geschick.
Schon taucht im großen Völkerreiche
Weitum der Hunger auf, der bleiche,
Schon seufzt als vielgeschornes Schaf
Der Landmann unterm Druck der Ritter;
Schon ist der Sämann und der Schnitter
Nur stolzer Senatoren Sklav'.

7. So fand Tiberius verwundet
Bon Geiz und Trug sein Vaterland,
Als er den nahen Sieg erkundet
In Spaniens Belag'rungsstand.
Da sprach mit lauter Zeugenstimme
Er, troß dem Unterdrückergrimme:
"Frei sei das römische Geschlecht!
Gebieten wir den Nationen,
So soll das eigne Volk nicht fronen;
Der Sieger sei kein Bürgerknecht!"

8. Er rief's als hochgemuter Streiter
Bei tausendfachem Hindernis: -
Weh, daß durch Widerstände weiter
Der Eifer ihn zum Zorne riß!
Warum, ach, war ihm nicht beschieden
Das rechte Gleichmaß, das den Frieden
Mit Aufruhr nicht erkämpfen darf?
Ach sieh, wie mit dreihundert Männern,
Der Wahrheit mutigen Bekennern,
Sein Boll ihn in die Tiber warf!

9. Als Bruder nahm der jüngre Gracche
Den Kampf des toten Bruders auf;
Kraftvoll ersproßt für gleiche Sache,
Vermied er nicht den gleichen Lauf!
Er sah sein Volk von einer Meute
Der Stolzen rings zerfleischt als Beute,
Der Unterdrückten Not und Harm;
Doch hört' er nicht der Mutter Warnung
Und fuhr in stürm'schen Wahns Umgarnung
Dahin mit einem Pöbelschwarm.

10.,,Wer huldigt", ruft der alte Dichter,
,,Den Gracchen, wenn im Klageton
3hr ungestümer Geist als Richter
Verdammt die Revolution ?"
Aus ungeduld'gen Zorns Empörung
Kommt nie des Bürgerzwists Beschwörung,
Noch Freiheit für den niedern Mann.
Der beste Plan wirb stets zunichte,
Wenn sich ein Geist im Selbstgerichte
Nicht mehr der Ordnung fügen kann.

11. Warst du der Mutter nicht als Knabe
Ein unvergleichliches Juwel? -
Doch, Cajus, an des Bruders Grabe
Geht auch dein Flammenauge fehl!
Dreihundert Männer mußten sterben

| Mit ihm, der Scipionen Erben,
Weil er sein Volksgesetz vergaß;
Dreitausend wurden mit erschlagen,
Als du's noch einmal wolltest wagen!
Dein Lob war das verfehlte Maß.

12. Ihr Gracchen, holde Geistesfunken,
Einst eurer Heldenmutter Schmuck:
Wie seid ihr schnell in Nacht versunken
Durch eures Weltgeschlechtes Druck!
Das Schönste wolltet ihr, das Rechte
Berlangtet ihr im Sturmgefechte;
Doch nur die Friedensfrucht gerät, -
Und trauernd, wie's der Götter Wille,
Steht eure Mutter da, die stille
Ihr Sohnespaar beweinen geht.

154. Das Negerweib. (1841.)

Bon E. v. Geibel.

Desammelte Werke. Stuttgart 1883. Bd. I (Jugendgedichte und Zeitslimmen), S. 200.

10

15

[blocks in formation]

1. Wo am großen Strom die Sicheln durch das hohe Rohrfeld klirren
Und im Laub des Zuckerahorns farb'ge Papageien schwirren,
Sißt das Negerweib, den Nacken bunt geziert mit Glasforallen,
Und dem Knäblein auf dem Schoße läßt ein Schlummerlied fie schallen.

2. Schlaf, o schlaf, mein schwarzer Knabe, du zum Jammer mir geboren,

Eh zu leben du beginnest, ist dein Leben schon verloren.
Schlaf, o schlaf, verhüllt im Dunkel ruh' dir noch der Zukunft Schrecken,
Nur zu früh aus deinen Träumen wird der Grimm des Herrn dich wecken.
3. Was die Menschen Freude heißen, wirst du nimmermehr empfinden,
Dort nur fühlt sich's, wo des Nigers Wellen durch die Flur sich winden.
Nie den Tiger wirst du fällen mit dem Wurf der scharfen Lanzen,
Nie den Reigen deiner Väter zu dem Schlag der Bauke tanzen.

4. Nein, dein Tag wird sein voll Tränen, deine Nacht wird sein voll Klagen,
Wie das Tier des Feldes wirst du stumm das Joch der Weißen tragen,
Wirst das Holz den Weißen fällen und das Rohr den Weißen schneiden,
Die von unserm Marke prassen und in unsern Schweiß sich kleiden.

5. Kluge Männer sind die Weißen, sie durchfahren fühn die Meere;
Blitzesglut und Schall des Donners schläft in ihrem Jagdgewehre;
Ihre Mühlen, dampfgetrieben, regen sich mit tausend Armen,
Aber ach, bei ihrer Klugheit wohnt im Herzen kein Erbarmen.

6. Oftmals hört ich auch die Stolzen sich mit ihrer Freiheit brüsten, Wie sie fühn vom Mutterlande losgerissen diese Küsten,

Aber über jenen Edeln, der mit Mut das Wort gesprochen,
Daß die Schwarzen Menschen wären, haben sie den Stab gebrochen.

7. Süß erklinget ihre Predigt, wie ein Gott für sie gestorben
Und durch solches Liebesopfer sich das Heil der Welt erworben;
Doch wie soll das Wort ich glauben, wohnt es nicht in ihren Seelen?
Ist denn das der Sinn der Liebe, daß sie uns zu Tode quälen?

30

$5

60

5

10

8. O du großer Geist, was taten meines armen Stamms Genossen, Daß du über uns die Schalen deines Zornes ausgegossen!

Sprich, wann wirst du mild dein Auge aus den Wolfen zu uns wenden?
Sprich, o sprich, wann wird der Jammer deiner schwarzen Kinder enden?
9. Ach, das mag geschehen, wenn der Mississippi rückwärts fließet,
Wenn an hoher Baumwollstaude dunkelblau die Blüte sprießet,
Wenn der Alligator friedlich schlummert bei den Büffelherden,

Wenn die weißen, freien Pflanzer, wenn die Christen Menschen werden.

155. Das Schloß am Meere. (1805.)

Bon L. Uhland.

Gedichte und Dramen. Stuttgart 1863. Bb. II, S. 25.

1. Hast du das Schloß gesehen,

Das hohe Schloß am Meer?
Golden und rosig wehen

15 Die Wolken drüber her.

20

2. Es möchte sich niederneigen
In die spiegelflare Flut,
Es möchte streben und steigen
In der Abendwolken Glut.

"

3. Wohl hab' ich es gesehen,
Das hohe Schloß am Meer,
Und den Mond darüber stehen
Und Nebel weitumber."

4. Der Wind und des Meeres Wallen,

25 Gaben sie frischen Klang?

30

Vernahmst du aus hohen Hallen
Saiten und Festgesang?

5.,, Die Winde, die Wogen alle
Lagen in tiefer Ruh';

Einem Klagelied aus der Halle
Hört' ich mit Tränen zu.

6. Sahest du oben gehen
Den König und sein Gemahl,
Der roten Mäntel Wehen,
Der goldnen Kronen Strahl?

7. Führten sie nicht mit Wonne
Eine schöne Jungfrau dar,
Herrlich wie eine Sonne,
Strahlend im goldnen Haar?

8.,,Wohl sah ich die Eltern beide
Ohne der Kronen Licht,

Im schwarzen Trauerkleide;

Die Jungfrau sah ich nicht."

156. Der blinde König. (1804 u. 1814.)

Bon L. Uhland.

Gedichte und Dramen. Stuttgart 1863. Bd. II, S. 17.

[blocks in formation]
[merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small]

Gesammelte Dichtungen. Stuttgart 1877. Bd. I, S. 151.

1. Wüstenkönig ist der Löwe; will er sein Gebiet durchfliegen,
Wandelt er nach der Lagune, in dem hohen Schilf zu liegen.
Wo Gazellen und Giraffen trinken, fauert er im Rohre;
Zitternd über dem Gewalt'gen rauscht das Laub der Sykomore.

2. Abends, wenn die hellen Feuer glühn im Hottentottenkraale,
Wenn des jähen Tafelberges bunte, wechselnde Signale
Nicht mehr glänzen, wenn der Kaffer einsam schweift durch die Karoo,
Wenn im Busch die Antilope schlummert und am Strom das Gnu:

3. Sieh, dann schreitet majestätisch durch die Wüste die Giraffe,
Daß mit der Lagune trüben Fluten sie die heiße, schlaffe
Zunge kühle; lechzend eilt sie durch der Wüste nackte Strecken,
Knieend schlürft sie langen Halses aus dem schlammgefüllten Becken.

4. Plötzlich regt es sich im Rohre; mit Gebrüll auf ihren Nacken
Springt der Löwe; welch ein Reitpferd! Sah man reichere Schabracken
In den Marstallkammern einer königlichen Hofburg liegen,
Als das bunte Fell des Renners, den der Tiere Fürst bestiegen?

5. In die Muskeln des Genides schlägt er gierig seine Zähne; Um den Bug des Riesenpferdes weht des Reiters gelbe Mähne;

Mit dem dumpfen Schrei des Schmerzes springt es auf und flieht gepeinigt;
Sieh, wie Schnelle des Kameles es mit Pardelhaut vereinigt!

6. Sieh, die mondbestrahlte Fläche schlägt es mit den leichten Füßen!
Starr aus ihrer Höhlung treten seine Augen; rieselnd fließen
An dem braungefleckten Halse nieder schwarzen Blutes Tropfen,
Und das Herz des flücht'gen Tieres hört die stille Wüste klopfen.

7. Gleich der Wolke, deren Leuchten Israel im Lande Yemen
Führte, wie ein Geist der Wüste, wie ein fahler, luft'ger Schemen,
Eine sandgeformte Trombe in der Wüste sand'gem Meer,
Wirbelt eine gelbe Säule Sandes hinter ihnen her.

8. Ihrem Zuge folgt der Geier; krächzend schwirrt er durch die Lüfte; Ihrer Spur folgt die Hyäne, die Entweiherin der Grüfte;

10

15

20

25

30

35

40

15

Folgt der Panther, der des Kaplands Hürden räuberisch verheerte;
Blut und Schweiß bezeichnen ihres Königs grausenvolle Fährte.

9. Zagend auf Lebend'gem Throne sehn sie den Gebieter sizen
Und mit scharfer Klaue seines Sizes bunte Polster rißen.
Rastlos, bis die Kraft ihr schwindet, muß ihn die Giraffe tragen:
Gegen einen solchen Reiter hilft kein Bäumen und kein Schlagen.

10. Taumelnd an der Wüste Saume stürzt sie hin und röchelt leise.
Tot, bedeckt mit Staub und Schaume, wird das Roß des Reiters Speise.
Über Madagaskar, fern im Osten, sieht man Frühlicht glänzen;
10 So durchsprengt der Tiere König nächtlich seines Reiches Grenzen.

158. Die alte Waschfrau. (1833.)

Bon A. v. Chamisso.

Werke. Leipzig 1856. Bd. III, S. 61.

1. Du siehst geschäftig bei dem Linnen

16 Die Alte dort in weißem Haar,
Die räftigste der Wäscherinnen
Im sechsundsiebenzigsten Jahr.
So hat sie stets mit sauerm Schweiß
Ihr Brot in Ehr' und Zucht gegessen
20 Und ausgefüllt mit treuem Fleiß
Den Kreis, den Gott ihr zugemessen.

2. Sie hat in ihren jungen Tagen
Geliebt, gehofft und sich vermählt;
Sie hat des Weibes Los getragen,
as Die Sorgen haben nie gefehlt;
Sie hat den franken Mann gepflegt;
Sie hat drei Kinder ihm geboren;
Sie hat ihn in das Grab gelegt
Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.
80 3. Da galt's die Kinder zu ernähren;
Sie griff es an mit heiterm Mut,
Sie zog sie auf in Zucht und Ehren,
Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt,

85 Entließ sie segnend ihre Lieben;

40

So stand sie nun allein und alt,
Ihr war ihr heitrer Mut geblieben.

4. Sie hat gespart und hat gesonnen,
Und Flachs gekauft und nachts gewacht,
Den Flachs zu feinem Garn gesponnen,
Das Garn dem Weber hingebracht;
Der hat's gewebt zu Leinewand;
Die Schere brauchte fie, die Nadel,
Und nähte sich mit eigner Hand
Ihr Sterbehembe sonder Tadel.

5. Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schäßt es,
Verwahrt's im Schrein am Ehrenplag;
Es ist ihr erstes und ihr lestes,
Ihr Kleinod, ihr ersparter Schaß.
Sie legt es an, des Herren Wort
Am Sonntag früh sich einzuprägen;
Dann legt fie's wohlgefällig fort,
Bis sie darin zur Ruh' sie legen.

6. Und ich, an meinem Abend, wollte,
Ich hätte, diesem Weibe gleich,
Erfüllt, was ich erfüllen sollte
In meinen Grenzen und Bereich;
Ich wollt', ich hätte so gewußt,
Am Kelch des Lebens mich zu laben,
Und könnt' am Ende gleiche Lust
An meinem Sterbehemde haben.

159. Die drei Indianer. (1832.)

Bon N. Lenau.

Sämtliche Werke. Stuttgart 1880. Bd. I, S. 86.

Aufrecht überragend seine Jahre,
Die zwei andern seine starken Söhne.

1. Mächtig zürnt der Himmel im Gewitter, | Greis der eine, mit ergrautem Haare,
Schmettert manche Rieseneich' in Splitter,
Übertönt des Niagara Stimme,
Und mit seiner Blige Flammenruten

45 Beitscht er schneller die beschäumten Fluten,
Daß sie stürzen mit empörtem Grimme.

2. Indianer stehn am lauten Strande, Lauschen nach dem wilden Wogenbrande, Nach des Waldes bangem Sterbgestöhne;

3. Seine Söhne jezt der Greis betrachtet
Und sein Blick fich dunkler jest umnachtet,
Als die Wolken, die den Himmel schwärzen,
Und sein Aug' versendet wildre Bliße,
Als das Wetter durch die Wolfenrize,
Und er spricht aus tiefempörtem Herzen:

« AnteriorContinuar »