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Geßler. Nein, Tell, die Antwort lass' ich dir nicht gelten, Es wird was anders wohl bedeutet haben. Sag mir die Wahrheit frisch und fröhlich, Tell, Was es auch sei, dein Leben sichr' ich dir. Wozu der zweite Pfeil?

Tell.

Wohlan, o Herr,

Weil Ihr mich meines Lebens habt gesichert, So will ich Euch die Wahrheit gründlich sagen. (Er zieht den Pfeil aus dem Roller und fiebt den Land. vogt mit einem furchtbaren Blicke an.) Mit diesem zweiten Pfeil durchschoß ich Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte. wahrlich! hätt' ich nicht gefehlt. Geßler.

Und Gurer

Euch,

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Wohl, Tell! Des Lebens hab' ich dich gesichert, Bezwinge sich, wer meinen Schmerz gefühlt!

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242. Aus „Minna von Barnhelm“. (1763.)

Bon G. Leffing.

Eämtl. Echriften, herausgeg. von K. Lachmann. Berlin 1838. Bd. I. S. 560.

Erster Aufzug. 8. Auftritt. (Just, v. Tellheim.)

v. Tellheim. Bist du da?

Iust (indem er sich die Augen wischt). Ja!

v. Tellheim. Du hast geweint?

Just. Ich habe in der Küche meine Rechnung geschrieben, und die Küche ist voll Rauch.

Hier ist sie, mein Herr!

v. Tellheim. Gib her!

Just. Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr. Ich weiß wohl, daß die Menschen mit Ihnen keine haben; aber

v. Tellheim. Was willst du?

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Just. Ich hätte mir eher den Tod als meinen Abschied vermutet.

v. Tellheim. Ich kann dich nicht länger brauchen; ich muß mich ohne Bedienten behelfen lernen. (Schlägt die Rechnung auf und lieft :),,Was der Herr Major mir schuldig: Drei und einen halben Monat Lohn, den Monat 6 Taler, macht 21 Taler. Seit dem ersten dieses, 6 an Kleinigkeiten ausgelegt, 1 Tlr. 7 Gr. 9 Pf. Summa Summarum 22 Taler 7 Gr. 9 Pf." Gut, und es ist billig, daß ich diesen Monat ganz bezahle.

Just: Die andere Seite, Herr Major

v. Tellheim. Noch mehr? (lieft:),,Was dem Herrn Major ich schuldig: An den Feldscher für mich bezahlt 25 Taler. Für Wartung und Pflege während meiner Kur für 10 mich bezahlt 39 Taler. Meinem abgebrannten und geplünderten Vater auf meine Bitte vorgeschoffen, ohne die zwei Beutepferde zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Taler. Summa Summarum 114 Taler. Davon abgezogen vorstehende 22 Taler 7 Gr. 9 Pf., bleibe dem Herrn Major schuldig 91 Tlr. 16 Gr. 3 Pf." Kerl, du bist toll.

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Just. Ich glaube es gern, daß ich Ihnen weit mehr koste. Aber es wäre verlorene 15 Tinte, es dazu zu schreiben. Ich kann Ihnen das nicht bezahlen; und wenn Sie mir vollends die Liverei nehmen, die ich auch noch nicht verdient habe, - so wollte ich lieber, Sie hätten mich in dem Lazarette krepieren lassen.

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v. Tellheim. Wofür siehst du mich an? Du bist mir nichts schuldig, und ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei dem du es besser haben sollst, als bei mir. Just. Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich verstoßen.

v. Tellheim. Weil ich dir nichts schuldig werden will.

-

Just. Darum? nur darum? So gewiß ich Ihnen schuldig bin, so gewiß Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich nicht verstoßen. Machen Sie, was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bei Ihnen; ich muß bei Ihnen bleiben.

v. Tellheim. Und deine Hartnäckigkeit, dein Troß, dein wildes, ungestümes Wesen gegen alle, von denen du meinst, daß sie dir nichts zu sagen haben, deine tückische Schadenfreude, deine Rachsucht

Just. Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen; ich will darum doch nicht schlechter von mir denken, als von meinem Hunde. Vorigen Winter ging ich in der Dämmerung an 30 dem Kanale und hörte etwas winseln. Ich stieg herab, und griff nach der Stimme, und glaubte, ein Kind zu retten, und zog einen Pudel aus dem Wasser. Auch gut, dachte ich. Der Pudel kam mir nach; aber ich bin kein Liebhaber von Pudeln. Ich jagte ihn fort, umsonst; ich prügelte ihn von mir, umsonst. Ich ließ ihn des Nachts nicht in meine Kammer, er blieb vor der Tür auf der Schwelle. Wo er mir zu nahe kam, stieß ich ihn mit dem Fuße; 35 er schrie, sah mich an und wedelte mit dem Schwanze. Noch hat er keinen Bissen Brot aus meiner Hand bekommen; und doch bin ich der einzige, dem er hört und der ihn anrühren darf. Er springt vor mir her und macht mir seine Künfte unbefohlen vor. Es ist ein häßlicher Pudel, aber ein gar zu guter Hund. Wenn er es länger treibt, so höre ich endlich auf, den Pudeln gram zu sein.

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v. Tellheim (beiseite). So wie ich ihm! Nein, es gibt keine völlige Unmenschen; Just, wir bleiben beisammen.

Just. Ganz gewiß! -Sie wollten Sich ohne Bedienten behelfen? Sie vergessen Ihrer Blessuren und daß Sie nur eines Armes mächtig sind. Sie können Sich ja nicht allein ankleiden. Ich bin Ihnen unentbehrlich, und bin, ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major und bin ein Bedienter, der wenn das Schlimmste zum Schlimmen kommt, für seinen Herrn betteln und stehlen kann. v. Tellheim. Just, wir bleiben nicht beisammen. Just. Schon gut!

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9. Auftritt. (Ein Bedienter, v. Tellheim, Juft.)

Der Bediente. Bst! Kamerad!
Just. Was gibt's?

Der Bediente. Kann er mir nicht den Offizier nachweisen, der gestern noch in diesem Zimmer (auf eines an der Selte zeigend, von welcher er herkommt) gewohnt hat?

Just. Das dürfte ich leicht können. Was bringt Er ihm ?

Der Bediente. Was wir immer bringen, wenn wir nichts bringen: ein Kompliment. Meine Herrschaft hört, daß er durch sie verdrängt worden. Meine Herrschaft weiß zu leben, s und ich soll ihn desfalls um Verzeihung bitten.

Just. Nun so bitte Er ihn um Berzeihung; da steht er.

Der Bediente. Was ist er? Wie nennt man ihn?

v. Tellheim. Mein Freund, ich habe Euren Auftrag schon gehört. Es ist eine überflüssige Höflichkeit von Eurer Herrschaft, die ich erkenne, wie ich soll. Macht ihr meinen 1 Empfehl. Wie heißt Eure Herrschaft?

Der Bediente. Wie sie heißt? Sie läßt sich gnädiges Fräulein heißen.

v. Tellheim. Und ihr Familienname?

Der Bediente. Den habe ich noch nicht gehört, und danach zu fragen, ist meine Sache nicht. Ich richte mich so ein, daß ich meistenteils aller sechs Wochen eine neue Herr 15 schaft habe. Der Henker behalte alle ihre Namen!

Just. Bravo, Kamerad!

Der Bediente. Zu dieser bin ich erst vor wenig Tagen in Dresden gekommen. Sie sucht, glaube ich, hier ihren Bräutigam. —

v. Tellheim. Genug, mein Freund. Den Namen Eurer Herrschaft wollte ich wissen, 20 aber nicht ihre Geheimnisse. Geht nur!

Der Bediente. Kamerad, das wäre kein Herr für mich!

10. Auftritt. (v. Tellheim, Just.)

v. Tellheim. Mache, Just, mache, daß wir aus diesem Hause kommen! Die Höflichkeit der fremden Dame ist mir empfindlicher, als die Grobheit des Wirts. Hier nimm 25 diesen Ring, die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist, von der ich nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machen! Verseße ihn! laß dir achtzig Friedrichsdor darauf geben; die Rechnung des Wirts kann keine dreißig betragen. Bezahle ihn, und räume meine Sachen ja, wohin? wohin du willst. Der wohlfeilste Gasthof der beste. Du sollst mich hier nebenan, auf dem Kaffeehause, treffen. Ich gehe; mache deine Sache gut.

Just. Sorgen Sie nicht, Herr Major!

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v. Tellheim (tommt wieder zurück). Vor allen Dingen, daß meine Pistolen, die hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden.

Just. Ich will nichts vergessen.

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v. Tellheim (tommt nochmals zurück). Noch eins: nimm mir auch deinen Pudel mit; 35 hörst du, Just!

11. Auftritt. (Just.)

Just. Der Pudel wird nicht zurückbleiben. Dafür lass' ich den Pudel sorgen. — Hm! auch den kostbaren Ring hat der Herr noch gehabt! Und trug ihn in der Tasche, anstatt am Finger? Guter Wirt, wir sind so kahl noch nicht, als wir scheinen. Bei ihm, bei ihm 40 selbst will ich dich verseßen, schönes Ringelchen! Ich weiß, er ärgert sich, daß du in seinem Hause nicht ganz sollst verzehrt werden! - Ah

12. Auftritt. (Paul Werner, Just.)

Juft. Sieh da, Werner! guten Tag, Werner! willkommen in der Stadt!

Werner. Das verwünschte Dorf! Ich kann's unmöglich wieder gewöhnt werden. 45

Luftig, Kinder, luftig; ich bringe frisches Geld! Wo ist der Major?

Just. Er muß dir begegnet sein; er ging eben die Treppe herab.

Werner. Ich komme die Hintertreppe herauf. Nun wie geht's ihm ? Ich wäre schon

vorige Woche bei euch gewesen; aber

Just. Nun, was hat dich abgehalten?

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Werner. Just, hast du von dem Prinzen Heraklius gehört?
Just. Heraklius? Ich wüßte nicht.

Werner. Kennst du den großen Helden im Morgenlande nicht?

Just. Die Weisen aus dem Morgenlande kenn' ich wohl, die ums Neujahr mit dem Sterne herumlaufen.

Werner. Mensch, ich glaube, du liesest ebensowenig die Zeitungen als die Bibel? — Du kennst den Prinz Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Persien weggenommen, und nächster Tage die ottomanische Pforte einsprengen wird? Gott sei Dank, daß doch noch irgendwo in der Welt Krieg ist! Ich habe lange genug gehofft, es sollte hier wiederlosgehen. 10 Aber da fizen sie, und heilen sich die Haut. Nein, Soldat war ich); Soldat muß ich wieder fein. Kurz (indem er fich schüchtern umficht, ob ihn jemand behorcht) im Vertrauen, Just; ich wandere nach Persien, um unter Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen Heraklius, ein paar Feldzüge wider den Türken zu machen.

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Just. Du?

Werner. 3ch, wie du mich hier siehst! Unsere Vorfahren zogen fleißig wider den Türken; und das sollten wir noch tun, wenn wir ehrliche Kerls und gute Christen wären. Freilich begreife ich wohl, daß ein Feldzug wider den Türken nicht halb so lustig sein kann, als einer wider den Franzosen; aber dafür muß er auch desto verdienstlicher sein, in diesem und in jenem Leben. Die Türken haben dir alle Säbels mit Diamanten besettJust. Um mir von so einem Säbel den Kopf spalten zu lassen, reise ich nicht eine Meile. Du wirst doch nicht so toll sein und dein schönes Schulzengericht verlassen ? — Werner. O, das nehme ich mit! Merkst du was? Das Gütchen ist ver

fauft

Just. Verkauft?

-

Werner. St! hier sind hundert Dukaten, die ich gestern auf den Kauf bekommen; die bring' ich dem Major

Just. Und was soll er damit ?

Werner. Was er damit soll? Verzehren soll er sie; verspielen, vertrinken

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er will. Der Mann muß Geld haben, und es ist schlecht genug, daß man ihm das Seinige 80 so sauer macht! Aber ich wüßte schon, was ich täte, wenn ich an seiner Stelle wäre! Ich dächte: Hol' euch hier alle der Henker! und ginge mit Paul Wernern nach Persien! - Blitz!der Prinz Heraklius muß ja wohl von dem Major Tellheim gehört haben; wenn er auch schon seinen gewesenen Wachtmeister, Paul Wernern, nicht kennt. Unsere Affaire bei den Katzenhäusern

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Just. Soll ich dir die erzählen? —
Werner. Du mir?

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Ich merke wohl, daß eine schöne Disposition über deinen Verstand geht. Ich will meine Perlen nicht vor die Säue werfen. Da, nimm die hundert Dukaten; gib sie dem Major. Sage ihm: er soll mir auch die aufheben. Ich muß jezt auf den Markt; ich habe zwei Wispel Roggen hereingeschickt; was ich daraus löse, kann er gleich40 falls haben.

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Just. Werner, du meinst es herzlich gut; aber wir mögen dein Geld nicht. Behalte deine Dukaten, und deine hundert Pistolen kannst du auch unversehrt wiederbekommen, sobald als du willst.

Werner. So? hat denn der Major noch Geld?

Just. Nein.

Werner. Hat er sich wo welches geborgt?
Just. Nein.

Werner. Und wovon lebt ihr denn?

Just. Wir lassen anschreiben, und wenn man nicht mehr anschreiben will und uns so zum Hause herauswirst, so versehen wir, was wir noch haben, und ziehen weiter. — Höre nur, Paul, dem Wirte hier müssen wir einen Possen spielen.

Werner. Hat er dem Major was in den Weg gelegt? — Ich bin dabei!

Just. Wie wär's, wenn wir ihm des Abends, wenn er aus der Tabagie kommt, aufpaßten und ihn brav durchprügelten?

Werner. Des Abends?aufpaßten?

ihrer zwei, einem? — Das ist nichts.

Just. Oder, wenn wir ihm das Haus über dem Kopf ansteckten ?

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Werner. Sengen und brennen? - Kerl, man hört's, daß du Packknecht gewesen s bist, und nicht Soldat; - pfui!.... Aber was hast du denn? Was gibt's denn?

Just. Komm nur, du sollst dein Wunder hören!

Werner. So ist der Teufel wohl hier gar los ?
Just. Jawahl, fomm nur!

Werner. Desto besser! Nach Persien also, nach Persien!

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Anhang.
Pädagogische Ährenlese.

Motto: Nur eine Weisheit führt zum Stele,
Doch ihrer Sprüche gibt es viele."
Fr. Bodenstedt.

(Lieber bes Mirza-Schaffy (Berlin 1878),

e. 158.)

15

Niebuhr (Lebensnachrichten über B. G. Niebuhr aus Briefen desselben (Hamburg 1838], Bb. II, S. 208): „Lernen, gewissenhaft lernen, immerfort seine Kenntnisse zu prüfen und zu vermehren, das ist unser theoretischer Beruf für das Leben und ist es am allermeisten für die 20 Jugend, die das Glück hat, sich dem Reiche der neuen intellektuellen Welt, die ihr die Bücher eröffnen, ungehindert überlassen zu können."

Martial (Epigramme XII, 51, 2): „Ein Meister lernt immer."

Horaz (Sat. I, 9, 59): „Das Leben hat dem Menschen nichts ohne große Anstrengung verliehen."

Hesiod (Werke und Lage, V. 287): „Vor die Tugend haben die Götter den Schweiß geseßt." Drbal (Empirische Psychologie [Wien 1868], S. 245): „Arbeit und Erholung müssen miteinander abwechseln. Glücklich zu preisen ist, wer durch sittliche Selbstbeherrschung es dahin gebracht hat, die Arbeit in Erholung und umgekehrt diese in jene zu verwandeln.“

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Rousseau (Emil, übersezt von Große, S. 84): „Wer in der Kindheit nicht zum Lernen so angehalten wird, verliert die Fähigkeit dazu fürs ganze Leben."

Rabanus Maurus (R. M., herausgeg. von Kunstmann [Mainz 1841], S. 40): „In der Jugend sollen unsere Kinder lernen, damit sie im Alter lehren können.“

Seneca (Brief an Lucilius XVI, 4): „Lang ist der Weg durch Lehren, kurz und wirksam durch Beispiele.“

Seneca (ebendas. 106): „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.“ Schleiermacher (Predigten über die christliche Kinderzucht, Bd. I, S. 618): „Wir haben danach zu streben, daß die Jugend lerne, sowohl Trägheit und Zerstreuung zu überwinden, als vor leidenschaftlicher Vertiefung in etwas Einzelnes sich zu bewahren."

35

Phädrus (Fab. IV, 21, 1): „Gin gebildeter Mann trägt seinen Reichtum immer in 40 sich selbst."

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