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sieht man sofort in ihm einen Plagiarius, wie z. B. Weichert Poett. Latt. p. 382, also wenn auch nicht einen literarischen Dieb, doch wenigstens einen groben Peccanten, dem der strenge Schulmeister oder Recensent einen beschämenden Verweis gibt. Ich denke zarter von Horaz, und dieser dachte milder von Celsus. Der junge Dichter übertrieb nur das, was bei den griechischen und römischen Dichtern weit häufiger vorkömmt als in der modernen Literatur, die Reminiscenzen oder auch bewusste Anspielungen auf frühere Dichter, und unverkennbare Nachahmungen schöner und bekannter Stellen. Diese wurden als eine Ehre angesehen, die man den Heroen anthue, und nicht als ein Raub oder als ein Spott. Celsus beging denselben leicht verzeihlichen Fehler, den ein Prediger begeht, wenn er allzuviel biblische Bilder, Redensarten, Sprüche in seine Predigt verwebt. Niemand wird das ein Plagiat nennen oder auf Geistesarmuth deuten, sondern nur als eine Einseitigkeit und übertriebene Verehrung des Bibeltextes tadeln. Wie aber Horaz im allgemeinen über den Werth der Nachahmung, selbst einer übertriebenen, im Vergleich mit einer maasslosen Originalität bei jungen Dichtern denkt, ist aus der ars poetica zu ersehn, z. B. v. 230.

Rectius Iliacum carmen deducis in actus,

Quam si proferres ignota indictaque primus.

Will man aus dieser fehlerhaften Neigung des Celsus auf sein sittliches Wesen schliessen, so ist sie mit der Bescheidenheit sicher näher verwandt als mit dem Hochmuth.

V. 1. Celso gaudere et bene rem gerere Albinovano.

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Dieses bene rem gerere muss der Sprache nach etwas mehr bedeuten als das blosse Wohlbefinden, sv roάrtav, welches schon in gaudere zaíos liegt. Es enthält vielmehr den Wunsch, dass Celsus seine Sache gut mache, d. h. den schwierigen und wichtigen Posten eines Geheimschreibers, den er bei dem Prinzen bekleidete, mit Glück und Geschick zur Zufriedenheit des Prinzen ausfülle.

Was Horaz hier erst als Wunsch ausspricht, wiederholt er V. 13 als Frage: quo pacto rem gerat; er will wissen, ob Celsus bisher zu seiner eigenen Befriedigung und zu allgemeiner Zufriedenheit gearbeitet habe, und ob ihm das Amt nicht zu

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schwer scheine. Dieser Frage nach seinem Amtsverhältniss steht einerseits die nach seinem körperlichen Befinden, ut valeat, andererseits die nach seinem Seelenzustand und seinen Privatbeschäftigungen zur Seite, quo pacto se gerat. Denn Horaz denkt immer auch an das Seelenheil seiner jungen Freunde und macht in dieser Hinsicht bald mehr bald weniger Ansprüche an sie. Wenn Celsus auch auf jene erste Frage mit Ja antworten konnte, so schien sein Glück gesichert; er schien auf der Leiter zur höchsten Macht" zu stehen. In solcher Zeit wäre auch ein ernstes Wort an einen jungen Mann, sich vor Hochmuth und ähnlichem zu hüten (wie es Jacobs fasst), wohl am Ort; zunächst aber, mein' ich, Horaz warnt ihn in mehr humoristischem Ton, wie wenn er ihm in einer Komödie sagte:,, Nun, nun! wo will das hinaus mit dir! noch so jung und schon so hochgestellt. Lass diese deine Erhebung nur deine alten Freunde nicht etwa fühlen und büssen; denn nur wenn du der alte gegen uns bleibst, bleiben auch wir die alten gegen dich."

Dass des Celsus Character oder Naturell eine solche Warnung nöthig machte, dass Horaz seine Neigung zum Hochmuth kannte, wie manche vor und nach Jacobs glaubten, verräth sich nirgend.

V. 10. Cur me funesto properent arcere veterno.

Mit funestus veternus ist die Todesruhe gemeint. Horaz in seiner hypochondrischen Laune sehnt sich nach dem Tod und zürnt den Aerzten, die ihn durch Arznei zu curiren, den Freunden, die ihn durch Zuspruch mit dem Leben zu versöhnen suchen, und ihn dadurch von dem funestus veternus, der Schlafsucht im Grabe, als einer Erlösung von dem eigentlich so genannten veternus, einem halben Tod oder Scheintod, in welchem er sich befindet, abhalten. Alle Ausleger verstehen. darunter lieber die geistige Erschlaffung, torporem; allein es wäre unbegreiflich, warum von dieser Horaz sich nicht gern wollte heilen lassen, während er gerade über sie klagt. Und, sprachlich betrachtet: wenn veternus jene Krankheit bedeuten sollte, an welcher Horaz eben litt, so wäre ja arcere ein durchaus unzulässiger Ausdruck, statt liberare! Auch bebedeutet funestus niemals das blos Traurige, Todesähn

liche, sondern steht immer in Bezug zu dem wirklichen Tod und Grab.

V. 11.

EPISTOLA IX.

Frontis ad urbanae descendi praemia.

Unbedenklich erkläre ich diess gegen Orelli durch: descendi in arenam ad reportandum in certamine impudentiae praemium.. Die Hyperbel kann nicht stark genug sein, wenn Horazens Entschuldigung als ein halber Scherz und nicht als eine ernstgemeinte und übertriebene Demuth erscheinen soll. Ernstgemeint würde sie aber allerdings lauten, wenn er seine Empfehlung blos als eine einfache Unverschämtheit bezeichnete; zum Scherz wird sie erst, wenn er sich den Preisträger im Wettkampf um die Unverschämtheit nennt.

V. 13. Scribe tui gregis hunc, et fortem crede bonumque. Diese Structur lässt sich nur durch eine eigenthümliche Prolepsis erklären: adscribe Septimium gregi tuo ut sit unus gregis tui. Die blose Ergänzung von unum erläutert nichts.

Es liegt nahe, bei grex nicht sowohl an den Kreis der Hausfreunde, die Tiberius in Rom um sich hatte, zu denken, als vielmehr an die cohors praetoria im Heere dieses Prinzen, in welche Septimius einzutreten wünschte, um den Tiberius nach Armenien zu begleiten. Dann fällt dieser Brief in ein Jahr mit dem dritten und achten Brief, die Horaz an Florus und Celsus Albinovanus im Lager des Tiberius schrieb.

Der Ausdruck v. 4 dignum mente do moque darf am wenigsten Bedenken gegen diese Beziehung erregen; denn die cohors praetoria gehörte gleichsam zum Haushalt des Oberbefehlshabers, und wenn es in Tac. Agr. 5 heisst: Suetonio Paulino Agricola electus quem contubernio aestimaret, so ist damit nichts weiter gemeint als dass er ihn in seine cohors praetoria aufnahm.

Orelli nennt die Verbindung von fortis bonusque,, eine übliche Formel wie fortis ac strenuus". Hätte er lieber den grossen Unterschied zwischen beiden Verbindungsarten bemerklich

gemacht! Nämlich fortis ac strenuus ist eine Verknüpfung von zwei fast gleichbedeutenden Begriffen, und die Conjunction ac (oder atque) bezeichnet eben, dass sie als Synonyma gedacht sind und gedacht werden sollen; dagegen in fortis bonusque sind zwei entgegengesezte Begriffe verbunden, und que soll sie als Opposita fühlbar machen; und wenn z. B. mit terra marique die Antithese blos angedeutet wird, so soll sie durch das ausführliche und kräftigere et mari et terra nur noch besonders hervorgehoben werden.

Demnach bezeichnet fortis ac strenuus nur Eine Tugend, die Mannhaftigkeit, deren Aeusserungen die Tapferkeit und die Rührigkeit sind; dagegen fortis bonusque nennt die zwei verschiedenen Hauptgattungen der Tugend, die sich häufig einander ausschliessen; erst die starke: Tüchtigkeit und Characterstärke, die eigentliche virtus; dann die milde: Redlichkeit und Herzensgüte, die probitas oder honestas. Erst die Vereinigung von beiden macht den rechten Mann und Menschen, den Horaz hier dem Prinzen empfiehlt. Sat. II, 1, 16. Attamen et iustum poteras et scribere fortem, Scipiadam ut sapiens Lucilius.

EPISTOLA X.

V. 5. Adnuimus pariter. Vetuli notique columbi

Die lezten Worte haben noch Orelli und Dillenburger mit dem vorhergehenden verbunden und dadurch das Doppelgleichniss verwirrt. Denn im ersten Gleichniss vergleicht Horaz seine und des Fuscus Freundschaft mit der Liebe von Zwillingsbrüdern, im zweiten mit der eines Taubenpaares. Noch unschöner würde sich diese Vermengung gestalten, wenn Horaz geschrieben hätte wie Pauly aus dem Blandinus gibt:

Adnuimus pariter vetulis notisque columbis.

V. 16. rabiem canis et momenta leonis.

Unter momenta verstehe ich die Angriffe des Löwen. Nicht anders ist Vellej. Pat. II, 78. Transmarinas provincias magnis momentis Labienus concusserat, wo Ruhnken molimentis vermuthete. Und Quintil. III, 11, 23. Nec corpus ora

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tionis in parva momenta ducendo [d. h. diducendo] consumet. Demnach hat hier momentum wie gewöhnlich transitive Bedeutung, insofern die Hundstagshize die Gesundheit der Menschen erschüttert. Die Ausleger fassen es lieber intransitiv oder reflexiv, für motus oder circuitus coelestes, was sonst meatus heisst, und vergleichen nicht ganz passend Manil. III, 288. Jedenfalls bildet die Wirkung des Löwen ein natürlicheres Object zu leniat aura, als sein Lauf am Himmel.

V. 18. Est ubi divellat somnos minus invida cura?

Mit invida cura meint Horaz hier nicht seine Neider und Feinde, die seine Schritte und Tritte sorgsam beobachteten, sondern allgemeiner die Sorge überhaupt, die dem Menschen den Lebensgenuss missgönnt und vergällt. So Düntzer.

V. 25. Et mala perrumpet furtim fastidia victrix.

Fastidia ist in objectivem Sinne zu fassen als Werke und Aeusserungen des fastidium facilium oder jener Hoffarth, die im Ueberdruss am Natürlichen besteht. Diese Werke, wie kunstvolle Hallen und Mosaikböden u. a., stellt der Dichter als Verschanzungen gegen die Natur dar, welche diese dennoch durchbricht, und Naturschönheiten wie grüne Bäume mitten in den Pallast einschmuggelt. Etwas anders Düntzer: , sie wird den falschen Ekel siegreich überwinden."

V. 31. Mutatae quatient.

Man hüte sich, dieses quatient blos durch concutient zu erklären wie Sat. II, 3, 295. Quone malo mentem concussa? Timore deorum. Denn der Begriff der blosen Erschütterung ist für den Geist obiger Stelle viel zu schwach. Vielmehr bedeutet es ganz ausser sich bringen, wie exлlýtτev und das intransitive mente excidere, ganz wie in Od. III, 3, 4. Mente quatit solida. Vgl. Appul. Met. VIII, a. fr.

V. 37. Sed postquam victor violens discessit ab hoste.

Ich kann an dem fast aufgegebenen violens noch nicht verzweifeln. Es ist, wie etymologisch durch vim olens, so in diesem Zusammenhange durch ultro aggressus, als der angreifende Theil, zu erklären. Früher hatte der Hirsch Gewalt für

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