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Mensch nur leben kann und noch dazu gesund ist, so darf er nicht klagen: die Welt (d. h. die Welt der Gedanken) steht ihm dann offen; und wenn du, gleichviel ob instinctmässig oder aus Selbstbeherrschung, den rein sinnlichen Genüssen abhold bist, so kann kein Capitalreichthum dich glücklicher machen als du schon bist. Eine gesicherte und auskömmliche Jahres einnahme genügt, so wie auch ich mir (nach Ep. XVII, 109) nur provisae frugis in annum copiam wünsche.

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,Diesen über das Gemeine erhabenen Seelenzustand das einzig wahre Glück - hast du dadurch schon bewiesen, dass du in deinen jezigen Verhältnissen doch geistig nicht untergegangen und für die höheren Interessen Sinn behalten hast. Was willst du also noch mehr?"

Darauf folgt die Empfehlung des Grosphus nebst den politischen Nachrichten.

Nach dieser Zusammenstellung kann ich auch Horkels Ansicht von des Iccius Charakter nicht theilen, p. 89. Fuit ex eo hominum genere, quorum non una et constans est natura, sed varia et secum ipsa discors, ita ut incerti inter se diversissima quaeque fluctuent et plerumque aut sperent nimis aut desperent; und p. 90. Non dubitabimus quin magna ridendi materies in Iccio fuerit. Diese leztere Behauptung kann ich nach dem Grundsaz (oder Vorurtheil) nicht zugeben, dass Horaz keinen seiner Freunde, an die er eine Epistel richtete, bei der Nachwelt in einem ungünstigen Licht hat zeigen, weder dem Hass noch der Verachtung noch dem Gelächter, ja nicht einmal einem vorübergehenden Tadel hat Preis geben wollen. War Iccius wirklich eine lächerliche Person, nicht blos in den Augen der gewürfelten Lebemenschen, denen jedes ideale Streben mit unpraktischem Wesen gepaart lächerlich erscheint, dann ist es schon entweder ein moralischer oder ein poetischer Fehler des Horaz, wenn diese Lächerlichkeit des sonst völlig unbekannten Iccius aus Horazens zwei Gedichten auch nur errathen und durchgefühlt werden kann. Lieber will ich Herrn Horkel den andern Vorwurf der inconstantia zugeben; etwa so wie ein geistvoller Jüngling, welcher Drang, aber kein Vermögen zum Studiren hat, darum erst Kaufmann, dann Soldat, dann Schreiber und endlich doch noch Student wird, allerdings ein abwechselndes, un

stätes Leben führt, aber dadurch mehr Mitleid und Hochachtung als Lachen verdient.

V. 1. Fructibus Agrippae Siculis, quos colligis, Icci,

Si recte frueris.

Recte, d. h. so wie die Philosophie es vorschreibt, mit zufriedenem Sinn; denn laetus sorte tua vives sapienter nach Ep. I, 10, 44. In gleichem Sinn enthält I, 8, 4. Vivere nec recte nec suaviter, einen Gegensaz der moralischen Pflicht gegen das Wohlbehagen. Ganz anders fasst es Horkel Anall. p. 90: non per furtum atque fraudem. Sollte diese Auffassung auch nur sprachlich Wahrscheinlichkeit haben? Bei dem Lob eines Beamten: provinciam recte administravit, dachte gewiss kein Römer zunächst an die gemeine Ehrlichkeit.

V. 4. Pauper enim non est, cui rerum suppetit usus.

Dieser Vers will gewiss etwas anderes ausdrücken, als die Trivialität, die ihm Orelli beilegt:,,was zu seinen Bedürfnissen ausreicht". Das durfte Horaz am wenigsten an einen Mann schreiben, wie Iccius in diesem Brief erscheint.

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Man löse den kurzen Ausdruck auf in den ethischen Saz: pauper non est qui artem rebus utendi satis callet, oder: ovx ἔστι πένης, ὃς ἂν εὖ θέσθαι εἰδῇ τὰ παρόντα. Diese Kunst besteht eben darin, das Geld und was dazu gehört nur als Mittel zum Zweck zu benüzen, zunächst nur als Bedingniss zur Fristung des Lebens, weder zum leichtsinnigen Wohlleben, noch zur unsinnigen Aufhäufung. Deutlicher bezeichnet diese Kunst Horaz Ep. I, 4, 7. Di tibi divitias dederunt artemque fruendi, und I, 10, 41. Serviet aeternum qui parvo nesciet uti, und am deutlichsten Carm. IV, 9, 48. Mit rerum ist also nicht das Vermögen, sondern die Aussenwelt mit ihren fördernden und hemmenden Verhältnissen gemeint, wie Ep. I, 1, 19.

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V. 7. Si forte in medio positorum abstemius herbis

Vivis et urtica.

Dieses forte hat gar keine Beziehung, wenn man es nicht durch zum Beispiel erklärt, als Rest einer Parenthese: hoc forte exemplo utor; so wie πολλάκις vielleicht durch ὃ πολλάnis ríyveraι zu verdeutlichen ist. Die nämliche Bedeutung wird

aus Gaius und Ulpian angeführt: si duplum forte ad virum pervenerit. Indess wünschte ich, es fände sich eine gut beglaubigte Variante: Si sponte in medio.

V. 15. Nil parvum sapias et adhuc sublimia cures.

Iccius war durch seinen financiellen Beruf als Procurator angewiesen oder wenigstens versucht, einen grossen Theil der sapientia in Gelderwerb und Geldersparung zu suchen. Dass er für diese Art Weisheit, die industrielle, keinen Sinn hatte und keine Fortschritte im Rechnungswesen und dessen Ausbeutung (zum eigenen oder zu Agrippa's Vortheil) machte, dass er vielleicht auch in andern ähnlichen Dingen unpraktisch war, das nennt Horaz nil parvum sapere; denn er weiss zugleich, dass ein Mann der den bessern Schaz im Herzen trägt", solchen Tadel sich leicht gefallen lässt, so leicht wie der rein Industrielle den umgekehrten Vorwurf, von den idealen Interessen nichts zu verstehn. Natürlich bedeutet adhuc nicht: überdiess, sondern: immer noch wie früher.

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V. 21. Verum seu pisces seu porrum et caepe trucidas.

Zur richtigen Auffassung dieser Stelle muss man die beiden Sazglieder durch Partikeln ergänzen: sive tantummodo pisces, sive etiam porrum et caepe trucidas, und muss zugleich pisces als Repräsentanten des gesamten Thierreichs, porrum et caepe als Repräsentanten des gesamten Pflanzenreichs fassen. Welchem der verschiedenen Systeme du huldigst, sagt Horaz, weiss ich nicht, aber magst du nun mit Stertinius und den Stoikern nur in dem Thierreich wirkliches Leben anerkennen, oder mit Empedocles und den Pythagoreern auch in den Pflanzen, so dass das Abschneiden von Lauch und Zwiebel eben so gut ein Mord ist, wie das Schlachten eines Fisches, jedenfalls sei des Grosphus Freund."

V. 27.

Jus imperiumque Phraates
Caesaris accepit genibus minor.

Nach der einfachsten sprachlichen Auffassung dieser Worte empfing Phraates sein Zepter von Cäsar, mag man dabei an den Kaiser selbst, oder an dessen Vertreter Tiberius Cäsar denken. Jus imperiumque ist eine Hendiadys für jus imperandi, und

Caesaris hängt von genibus ab. Wenn Phraates vor des Cäsar Thron sass oder stand, so reichte er auch ohne selbst zu knieen, doch mit seiner Grösse nicht bis zu den Knieen des thronenden Cäsar. Diess besagen die Worte; wie viel historische Wahrheit oder Hyperbel oder Symbolik in der Notiz selbst liegt, ist für die Uebersezung gleichgültig. Jedenfalls ist das Factum gemeint, das Augustus im Mon. Ancyr. erwähnt: Parthos.. supplices amicitiam populi Romani petere coegi. Oder was wird gewonnen, wenn man Caesaris von ius imperiumque abhängig macht?

EPISTOLA XIII.

Diese epistola will nicht als Brief, sondern als mündliche Ansprache an Asella betrachtet sein, mit welcher Horaz seinen Boten im Augenblick der Abreise entlässt, nachdem er ihm während seiner Vorbereitungen zur Abreise und in den Stunden vor derselben ähnliche Vorschriften wiederholt und ausführlich schon vorher gegeben haben will. Denn man darf doch, denk' ich, das Präsens proficiscenti auf den ganzen Abschiedstag beziehn.

Eine reine Fiction ohne alle historische Grundlage und Veranlassung kann dieses Gedicht nicht wohl sein, sonst hätte Horaz, wie ein fader Comödienschreiber, v. 8 die unverzeihliche Plattheit begangen, seinem Boten den Namen Asella erst selbst zu geben, um dann eben diesen Namen zu einem Scherz zu benüzen.

Historisch scheint, dass Horaz auf seinem Gut einem Freunde und Gast, Vinius Asella, der zugleich am kaiserlichen Hofe Zutritt hatte, seine Gedichtsammlung wie einem Boten zur Ueberreichung an Augustus nach Rom mitgab.

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Poetisch ist, dass er dessen Namen Asella benüzte, den Besteller wie ein Lastthier zu behandeln. Je ebenbürtiger und angesehener dieser Vinius war, desto mehr gewinnt diese Allegorie, und je derber und rücksichtsloser der Dichter sie durchführt, desto weniger konnte sie den Träger des Namens

verlezen, besonders da der Esel im Alterthum kein so verachtetes Thier war wie jezt, und da seine Geduld, sich Lasten aufbürden zu lassen, weit mehr in den Vordergrund trat, als seine Dummheit; wie auch jezt noch die italienischen Esel einen. ganz andern Eindruck machen als die deutschen.

Der bekannteste Vinius ist der Consul und Freund des Kaisers Galba, e familia praetoria nach Tac. Hist. I, 48, und einen Asellus erwähnt Cic. Orat. II, 64, 258, mit dessen Namen Scipio gleichfalls scherzte. Göthe's Gefühl, dass der Familienname ein heiliges, unantastbares Besizthum sei, dessen Benüzung zu irgend einem Scherz (wie sich's bekanntlich Herder mit Göthe's Namen erlaubt hatte) etwas Verlezendes für seinen Träger habe, theilten die Alten nicht, und Aper in Tac. Dial. 23 tadelt Cicero's ähnlichen Wiz: jus verrinum (aus Verr. II, 1, 46) nur als geschmacklos, nicht als frivol.

V. 8. Clitellas ferus impingas.

Der Esel soll bei seinem Einzug in den Kaiserpalast nicht etwa an den Wänden rechts oder links mit dem Saumsattel, auf dem das Päcklein befestigt ist, unmanierlich anstossen, sondern vorsichtig überall mitten hindurch gehn. Vom Abwerfen des Saumsattels auf den Boden, so wie manche Ausleger es fassen, kann nicht die Rede sein; weder sprachlich: denn impingere heisst niemals zat' oz auf den Boden werfen; kaum wird es je mit solo, humi, terrae verknüpft gefunden; noch sachlich denn der Dichter fiele dann ganz aus dem Bild; ein Mensch zwar kann seinen Tragkorb im Unmuth auf den Boden schmeissen; ein Es el kann auch allenfalls eine Last vom Sattel abschütteln, aber er kann nicht den festgebundenen. Sattel, clitellas, auf den Boden schmeissen.

V. 12. Sic positum şervabis onus; ne forte.

Auch hier hängt so wenig als Ep. I, 6, 21 ne von dem vorhergehenden Verbum oder von sic ab. Dieses sic steht dεintinos; Horaz macht es dem Asella mit Gebärden vor, wie er am Ort seiner endlichen Bestimmung, im kaiserlichen Audienzsal, das Päcklein bis zur Einhändigung an den Kaiser halten solle, nämlich im Arm, etwa auf die linke Hand oder auf den linken Unterarm gestüzt, wie der Prediger seine Bibel trägt;

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