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V. 43. Optat ephippia bos piger optat arare caballus.

Diese Stellung von piger, welche den Zweifel veranlasst hat, ob es zu bos oder zu caballus zu beziehen sei, bezweckt, dass es zu beiden gleichmässig bezogen, mithin doppelt gedacht werden soll. Vgl. Ruhnken zu Vellej. Pat. II, 10. Rumpit interdum um moratur proposita hominum fortuna.

EPISTOLA XV.

Die erste Monsterperiode dieses Briefes hat von jeher Aufsehn erregt und gilt meist als absichtliche Nachlässigkeit und Nachahmung des lucilischen Stils. Nun kennen wir aber die Stilart des Lucilius nicht genug, um in ihr, ohne Gefahr diesem Dichter Unrecht zu thun, das Vorbild eines solchen Ungethüms finden zu dürfen. Denn ihre enorme Länge indem der erste Vers erst in Vs. 25 seinen regierenden Saz findet ist noch ihr geringster Fehler; aber dass sie zweimal durch lange Parenthesen unterbrochen wird, und dass jede dieser Parenthesen aus einer Reihe unabhängiger Säze besteht, das geht über die Gränzen gewöhnlicher Nachlässigkeit hinaus. Vielmehr ist der ganze Brief eine humoristische Selbstironie, nach Form und Stoff.

Der Form nach: Der Dichter besorgt durchaus nicht, dass jemand jene Monsterperiode für sein ächtes Kind halten werde. Sie ist eine Parodie, aber weder auf Lucilius noch sonst eine bestimmte Person; vielmehr stellt sich der wohlgeübte Dichter wie ein ungeschickter Briefsteller, der, halbgebildet und verbildet, weder natürlich und in kurzen Säzen schreiben will, noch kunstgerecht in lichtvollen Perioden schreiben kann, sondern sich selbst verwirrt und vom hundertsten ins tausendste geräth ganz wie jener Erzähler der,, interessante Geschicht" in Franz von Kobells „Gedichten in pfälzischer Mundart“.

Dem Stoff nach: Dass Horaz kein gewöhnlicher Lebemensch war, dass er mit einem liebevollen Gemüth zugleich Sinn für den Ernst des Lebens verband, kurz, dass das sanguinische Element seines Wesens von dem melancholischen weit überwogen wurde, wird immer mehr anerkannt. In dieser Epistel aber

lässt er seine Nachfrage nach den nöthigsten Lebensbedürfnissen übergehn in eine Erkundigung nach den Bedürfnissen eines Gutschmeckers, nach Hasen und Wildschwein, nach Fischen und Secigeln, als sollte deren Vorrath die nähere Wahl des Curorts bestimmen. So unschuldig selbst diese Nachfrage an sich für einen Mann von Horazens Stand ist, so deutet er sie doch selbst scherzhaft als die Frage eines Menschen, dem der Bauch sein Gott ist, wird zum umgekehrten Heuchler, der sich selbst schlechter macht als er ist; ja er stellt sich dem verrufenen Mänius gleich, und bekennt am Ende,,,die Frugalität nur dann zu rühmen und zu üben, wenn ihm die Mittel zum Schwelgen mangelen, aber wann er Geld habe, die höchste Weisheit und das wahre Glück in einem üppigen Leben zu sehen"; implicite: dass er eigentlich und im Herzen ein Schlemmer, und nur mit Heuchelei ein Sittenprediger und Apostel der Einfachheit und Bedürfnisslosigkeit sei. Nur wer das zuversichtliche Bewusstsein hat, allgemein von einer besseren Seite bekannt zu sein und mit einem solchen Selbstgeständniss keinen Glauben zu finden, sondern Lachen zu erregen, darf so von sich sprechen. Uebersicht:

1-2. Wie lebt sichs in Velia und Salernum?

2-4.

5-9.

[das will ich wissen, denn]

ich gehe nicht mehr nach dem Schwefelbad in Bajä wie sonst;

denn Musa räth mir lieber eine Kaltwassercur, zum Aerger von Bajä;

denn Bajä spricht das Monopol der Heilkraft an und verargt allen Kranken jede andere Curart, so wie mir die Kaltwassercur, so andern den Besuch anderer Schwefelbäder ausser Bajä.

10-13.

14-15.

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[entweder nach Velia oder nach Salernum].

Wo ist das bessere Brot und 'Wasser?

16-22. (den Wein bringe ich mit)

23-25. Wo gibts mehr Leckerbissen? denn ich will meinen Leib pflegen,

26-30.

ganz wie Mänius der Schmarozer,

31-32. früher ein Schlemmer, nach seiner Verarmung abwech

selnd,

33-37. bald Fanatiker gegen die Schlemmerei, 38-41. bald Enthusiast für die Schlemmerei.

42-46.

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Zwar tret' ich oft als Mässigkeitsapostel auf, aber nur wenn ich ohne Geld bin; sobald ich prassen kann, prasse ich lieber.

V. 3.

et tamen illis

Me facit invisum, gelida cum perluor unda.

Die einfachste Erklärung dieser Adversativpartikel ist durch die Ellipse: et, etsi non aliis, tamen illis; also durch: wenigstens. Tac. Agr. 45. Nero [etsi iussit scelera] tamen subtraxit oculos. Das deutsche doch und das griechische aλλá, selbst avrάo bei Homer, wird bekanntlich eben so elliptisch ge

braucht.

Aus den folgenden Textworten geht nur hervor, dass Musa dem Horaz kalte Bäder auch im Winter (wahrscheinlich in Rom und nicht auf seinem Gut) zu nehmen verordnet, nicht aber, dass er ihn nach Clusium oder Gabii zu einer Badecur geschickt habe. Aber schon das, meint Horaz, gereicht den Bürgern von Bajä zum Verdruss, weil sie auf ein Monopol als Heilort Anspruch machen; sie zürnen ihm, dass er, ihr gewohnter Badegast, seine Cur nicht für die Sommersaison in Bajä aufspare, eben so wie anderen Kranken, welche lieber in dem rauheren Clusium oder Gabii natürliche und künstliche Bäder nehmen als die weltberühmten Schwefelbäder in dem auch durch sein Klima berühm

ten Bajä. Dass es in Gabii natürliche und künstliche Bäder und Badeanstalten gab, erwähnen Strabo und Juvenal; dass selbst Schwefelquellen dort sind, beruht nur auf Fea's Zeugniss.

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Unter deversoria sind hier die Seitenwege zu verstehn, in welche Horaz früher bei seinen Reisen nach Bajä oder Cumä sein Pferd rechts von der via Appia oder deren südlicher Fortsezung eingelenkt hatte, und an denen er nun auf seinem Weg weiter nach Süden vorbei musste. Die übliche Bedeutung ist zwar ein Ort zur Einkehr, aber warum soll nicht deversorium eben so wie deverticulum beide Bedeutungen in sich vereinigen, da devertere jedes Ablenken von der geraden Strasse, sei es in ein Haus oder in einen Weg an der Strasse, bedeutet? Wä9

HOR. EPIST.

ren, wie die Ausleger annehmen, auch hier Wirthshäuser gemeint, so ist nicht einzusehn, warum Horaz darum, weil er auf der südlichen Hauptstrasse weiter reiste als früher, auch den gewohnten an der Hauptstrasse liegenden Einkehrorten ausweichen musste.

V. 13. Sed equi frenato est auris in ore.

Dieses adversative Sed ist allerdings auffallend, unlogisch; jeder aufmerksame Tertianer muss sich wundern, dass nicht vielmehr eine Causalpartikel steht, ächt aber ist Sed jedenfalls; man kann nur schwanken, ob es ein zufälliger Verstoss gegen die Logik ist oder ein absichtlicher, aus derselben Ironie hervorgegangen, wie die Gestaltung der ganzen Periode. Horaz will erstens Worte zu seinem Pferde sprechen, dicet, und zweitens es gleichzeitig mit dem Zügel links lenken, laeva stomachosus habena, prägnant für laeva stomachose flectens habena. Dieses zweite und nächste verlangt offenbar ein folgendes enim statt sed; nur wenn blos dicet voranginge, ohne laeva stomachosus habena, nur dann würde logisch folgen können und müssen: Sed equi frenato est auris in ore; quapropter non obedientem laeva stomachosus habena flectam. Allein jeder Sprechende ist sich bisweilen auch gern seiner Freiheit bewusst, will kein Sclave der Logik sein, freut sich, troz ihrer altklugen Weisheit sich verständlich zu machen. Und wer wird den Saz: Vergebens suchte der General seine Leute zum Stehn zu bringen; aber sie waren nicht zu halten; nicht eben so gut verstehn, als wenn es mit Bezug auf vergebens logisch richtiger hiesse: denn sie waren, nicht zu halOder ists einfacher, sich das fragliche Sed durch einen Gedankensprung zu erklären? „Der Reiter spricht dem Ross zu und lässt es zugleich den Zügel fühlen; aber [es versteht nur den Zügel und nicht meine Worte, denn] es hat das Ohr im Maul." Orelli wird schneller fertig, indem er den Zusaz laeva habena ganz ignorirt. Horkel S. 146 will Dicet eques; ut equus gelesen wissen ein prosodisches Wagstück!

ten.

V. 27.

Urbanus coepit haberi

Scurra, vagus, non qui certum praesepe teneret.

Ich habe urbanus, das gewöhnlich als Substantiv gilt, lieber als Epitheton mit scurra verbunden. Es ist damit ein haupt

städtischer, d. h. feinerer, gebildeter, geistreicher Spassmacher bezeichnet, wie ein Hofnarr in den Häusern der Grossen; im Gegensaz des Bajazzo, des gemeinen Possenreissers für Bauern und Pöbel. Denn nach Domitius Marsus oder Cato bei Quintilian VI, 3, 105 urbanus homo erit, cuius multa bene dicta responsaque erunt, et qui in sermonibus, circulis, conviviis, item in concionibus, omni denique loco ridicule commodeque dicet. Diese scurrae urbani theilten sich wieder in zwei Classen; die einen waren ständige Gäste bei einem Vornehmen, eine Art Clienten, zur Anhänglichkeit und zu allerlei Gène verpflichtet, wie es Porcius und Nomentanus bei Nasidienus nach Sat. II, 8 waren, wie es Vultejus bei Philippus wurde nach Ep. I, 7, und wie es Lollius nicht werden sollte nach I, 18, 2. Die andern waren vagi, herrenlose, die bald hier, bald dort für ihre geistreiche Unterhaltung materiellen Unterhalt fanden, ohne eine Verpflichtung dagegen einzugehen, etwa wie jene gentilhommes in Paris, Amphitryons oder remplaçants genannt oder pro quatorze, welche zu jedem Diner als Lückenbüsser zu haben sind, wenn ein leer gebliebener Plaz schnell auszufüllen ist. Zu der lezteren Classe gehörte Mänius, ein freier und unabhängiger Mensch, zugleich im Vertrauen auf seine Genialität und Unentbehrlichkeit ungenirt und frech, wie Rameau's Neffe, quaelibet in quemvis opprobria fingens; und dadurch eben interessant. Und mit einem solchen verdorbenen Kraftgenie vergleicht sich Horaz in seinem Humor, nicht mit einem zahmen und dienstbaren oder pöbelhaften scurra.

Uebrigens ist haberi in seiner eigentlichen Bedeutung zu nehmen: man hatte an ihm einen Lustigmacher, und er wurde als solcher benüzt; nicht aber: er galt dafür; so wie auch Od. III, 4, 3 praesens divus habebitur eben so zu fassen ist.

V. 31. Pernicies et tempestas barathrumque macelli. Nachdem Pauly donarat aus Blandin wiederhergestellt hat für donabat oder donaret, musste die ganze Stelle nur noch anders interpungirt werden als bisher. Mit pernicies v. 31 beginnt ein neuer Saz. Die Verse 26--30 bis zu saevus enthalten eine Schilderung des Mänius, nachdem er scurra geworden. Die folgenden vss. 31 u. 32 pernicies etc. greifen (wie das Tempus donarat kund gibt) in die Zeit vor seiner Verarmung zurück, wo er von

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