EPISTOLA I. AD MAECENATEM. Prima dicte mihi, summa dicende camena, 5 10 Quid verum atque decens curo et rogo, et omnis in hoc sum; Condo et compono quae mox depromere possim. Ac ne forte roges, quo me duce, quo lare tuter: Quo me cunque rapit tempestas, deferor hospes. 15 20 Pupillis, quos dura premit custodia matrum; Sic mihi tarda fluunt ingrataque tempora, quae spem Consiliumque morantur agendi gnaviter id, quod 25 Restat, ut his ego me ipse regam solerque elementis: Non possis oculo quantum contendere Lynceus, Nec, quia desperes invicti membra Glyconis, 30 Erster Brief. An Macenas. Du, Mäcen, den zuerst mein Lied pries, den es zulezt auch Lobpreist, willst noch einmal in die frühere Schule mich sperren? Mich, der genug sich gezeigt, nach rühmlich erhaltenem Abschied? Hin ist Jugend und Jugendlichkeit! An des Hercules Tempel 5 Hängt des Vejanius Schwert; er lebt auf dem Lande, verborgen, Will nicht ewig zum Volk um Begnadigung flehen im Circus. Ist mir doch immer, als hört' ich ins Ohr einen Warner'mir raunen: Hast du Verstand, so schirr bei Zeiten das alternde Ross aus, Eh' es zulezt durch Fehler und Keuchen Gelächter hervorruft.“ 10 Darum leg' ich auch jezt mein Dichten und Spielen bei Seite, Will nur wissen, was wahr und was gut ist, lebe nur darin, Sammle mir, lege zurecht, was dem künftigen eignen Gebrauch dient. Fragst du mich, wen ich zum Führer gewählt und wo ich zu Haus bin: Keinem der Meister ergeb' ich mich ganz, noch bet' ich ein Wort nach, 15 Wo mich der Sturm hin treibt, da land' ich, da kehr' ich als Gast ein; Stürze mich bald, ein geschäftiger Mann, in das staatliche Leben, Gleich einem strengen Beschüzer und Hort der ächtesten Tugend; Sinke verstohlen zurück in die aristippische Weisheit, Suche die Welt mir selbst, nicht mich ihr dienstbar zu machen. 20 So wie dem Mann, dem Liebchen das Wort bricht, ewig die Nacht dünkt. Wie einem Lohnarbeiter die Tagszeit träge dahinstreicht, Oder dem Knaben das Jahr, den die grausame Mutter im Zaum hält, So rinnt mir eine Zeit gar schleichend und ohne Genuss hin, Die mir Hoffnung und Wunsch nach dem einen Besize verzögert, 25 Der dem Reichen so gut wie dem Dürftigen Nuzen und Heil bringt, Der am Greise sich rächt wie am Jüngling, wenn er versäumt wird. Endlich tröst' ich mich selbst mit den Anfangssäzen der Weisheit: Kannst du auch nicht mit dem Blicke so gar weit schauen wie Lynceus, Darfst du's darum verschmähn, dein krankendes Auge zu salben? 30 Oder, gebricht dir die Stärke des riesengewaltigen Glyco, Wirst du dir drum nicht gern den Körper bewahren vor Gichtschmerz? Est quadam prodire tenus, si non datur ultra. 35 40 45 50 55 60 65 Ein Ziel lässt sich erreichen, wenn gleich das Weiter! versagt bleibt. 40 Wenn er dem bildenden Wort nur selbst ein williges Ohr leiht. Wenig an Gut zu besizen, umsonst um Würden zu werben. 45 Rastlos ziehst du zu Schiff an die äusserste Grenze der Inder, Eilst über Felsen und Meer, in die Glut, auf der Flucht vor der Armuth; Willst den Verzicht auf den Tand, den du thöricht achtest und wünschest, Niemals lernen? versagst der besseren Lehre den Glauben? Wer wol mag auf dem Dorf und am Kreuzweg boxen, und drüber 50 Bessere Kränze verschmähn, die grossen olympischen, die er Ohne den lästigen Staub zu erringen die Hoffnung und Macht hat? Weniger Werth hat Silber als Gold, und Gold als die Tugend. ,, Römer, o Römer, nur Geld, nur Geld! das suchet vor allem, Dann erst inneren Werth!" dies Liedlein lehret die Börse 55 Unten am Markt und oben; die Rechentafel, den Beutel 60 Links um die Schulter gehängt, singt Jung und Alt es im Chor nach. Frei im Gewissen zu sein, ob keinerlei Schuld zu erblassen! Sage mir, Freund, was dünkt dir besser: des Roscius Sazung, Oder das kindische Lied, das die Krone dem Würdigsten zuspricht, Das auch der Vorzeit Helden, Camill und Curius sangen? 65 Was ist der bessere Rath: dir Geld nur, Geld zu erwerben, Rechtlich immer, wo möglich; wo nicht, auf jeglichem Wege, Um eines Pupius weinerlich Stück recht nahe zu schauen; Oder der Rath, der kräftig dir zuspricht, der dich geschickt macht, Liberum et erectum praesens hortatur et aptat? Nec sequar aut fugiam quae diligit ipse vel odit, Respondit, referam:,,Quia me vestigia terrent, ,,Omnia te adversum spectantia, nulla retrorsum.“ 75 Bellua multorum es capitum. Nam quid sequar, aut quem? Pars hominum gestit conducere publica; sunt qui Crustis et pomis viduas venentur avaras, Trita subest tunicae, vel si toga dissidet impar,. 95 100 Nec medici credis nec curatoris egere A praetore dati, rerum tutela mearum Cum sis, et prave sectum stomacheris ob unguem 105 90 85 80 |