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V. 30. Debes hoc etiam rescribere, sit tibi curae

Quantae convenial Munacius? An male sarta etc.

Die indirecte Frage endet mit Munacius; daran schliesst sich (wie die Indicative coit, rescinditur bezeugen) eine directe Frage. Es sind demnach zwar zwei Fragen vorhanden, ohne jedoch eine eigentliche Doppelfrage zu bilden; passender, feiner: denn bei einer Doppelfrage würde Horaz die beiden. Möglichkeiten, wirkliche Liebe zwischen den zwei Freunden, und eine fortdauernde Spannung zwischen denselben, auf gleiche Stufe stellen; so aber, wie er sich ausgedrückt hat, hält er das wünschenswerthere für das wahrscheinlichere und verlangt nur eine ausdrückliche Bestätigung seiner Hoffnung; und nur weil das unerwünschte doch auch wenigstens möglich ist, fügt er die zweite Frage als Nachtrag bei:,,oder wäre dem vielleicht doch nicht so?" Daher musste ich in der Interpunction von Meineke und Haupt abweichen; dagegen habe ich mit ihnen sit für si aufgenommen, und es, seiner Stellung am Anfang des Sazes entsprechend, emphatisch durch wirklich sei übersezt, im Gegensaz eines äusserlichen, blos scheinbaren Friedens.

Gleich darauf ist das Comma nach vivitis getilgt und der Saz mit foedus geschlossen. Demnach steht ubicunque locorum adverbialisch wie Ovid. Am. III, 10, 5. Te dea munificam gentes ubicunque loquuntur, und das energischere vivitis indigni ist von dem einfacheren estis nicht verschiedener als V. 29 in vivere cari. Vgl. Sat. I, 6, 70. II, 2, 135.

V. 33. Seu calidus sanguis seu rerum inscitia vexat.

Mit dem lezteren bezeichnet Horaz jenen Mangel an Welterfahrung, den die Prosa bestimmter rerum imperitia nennt, ein Fehler, der vom idealen und moralischen Standpuncte aus zugleich (wie rudis) ein Vorzug ist, in sofern er mit einem um so grösseren candor animi verbunden bleibt. Beide Freunde haben sich entzweit, Horaz weiss nicht ob in Folge ihres Temperamentes oder aus Weltunkenntniss: im ersteren Fall hätten sie nachsichtiger gegen einander, im lezteren vorsichti ger im Verkehr mit einander sein sollen. Ein,, Missverständniss" aber kann rerum inscitia (jedenfalls eine habituelle Eigenschaft) nicht bedeuten.

Pauly hat aus den Mss. wieder heu heu statt des herrschen

den seu-seu in den Text gesezt

hoffentlich blos vom diplo

matischen Standpunct aus.

EPISTOLA IV.

Der Gedankengang dieses Briefes ist anfangs einfach und klar.

,,Was treibst du auf dem Lande, Tibull? Schriftstellerei für die Welt? oder Studien nur für dich? [Eines von beiden gewisslich; denn] du kannst unmöglich blos vegetiren in reinem Nichtsthun oder sinnlichen Genüssen; [denn] die Götter gaben dir mit den äusseren Gütern auch das innere Gut der Weisheit, die dich den Reichthum richtig geniessen lehrt: d. h. mittelst seiner ein wahrhaft freies und unabhängiges Dasein zu führen und ausschliesslich den geistigen Interessen leben zu können. Ja, du bist in jeder Hinsicht ein glücklicher Mensch!"

So weit ist alles klarer, als Horkel glauben machen will. Wodurch ist aber nach dieser Vorrede die nun folgende Ermahnung motivirt:,,in jeglicher Seelenstimmung den Tod vor Augen zu haben?" Doch nicht etwa durch den christlichen Gedanken, dass der Mensch um so öfter zum Grab hintreten soll, je glücklicher er sich fühlt, um nicht allzusicher zu werden und Gott zu vergessen? So könnte ein frommer Römer allenfalls zu einem hochgestiegenen Herrscher sprechen, um ihn vor Uebermuth zu warnen, aber nicht Horaz zu Tibull, der ohnehin zu den Stillen im Lande gehörte.

Ich denke mir die Ideenassociation auf folgende Weise, welche diesem Brief seiner Grundidee nach Aehnlichkeit mit vielen der übrigen Briefe verleiht.

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Um jedoch ein solches Glück ganz und vollkommen zu geniessen, ist noch eines nöthig: Seelenruhe, die über Furcht und Wunsch erhaben ist. Diese ist jedoch bedingt durch Ergebung in alles was uns treffen kann, in jeden Verlust, auch in den grössesten und äussersten, in den des Lebens. Darum mache dich mit dem Tode vertraut, dadurch, dass du ihn mit jedem Tag sicher erwartest. Thust du das, so wird dir nicht sein Eintritt zu einer unangenehmen, sondern sein Ausbleiben zu einer angenehmen Ueberraschung, und jeder da

durch gewonnene weitere Lebenstag zu einen willkommenen lucrum emergens.

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Bei diesen Grundsäzen, die ich auch für mich selbst befolge, bin ich stark und fett geworden; komm und überzeuge dich selbst, wann du einmal Lust hast, deine ernsten Beschäftigungen und Gedanken durch einen komischen Anblick zu unterbrechen.

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In den lezten zwei Versen liegt unverkennbar eine Einladung: vises, si recte facere voles, nicht aber: videbis, quum me conveneris. Diess verlangt schon der Sprachgebrauch; denn visere steht niemals für videre, conspicere, sondern bezeichnet jederzeit einen absichtlichen Besuch, entweder um zu inspiciren, spectandi, introspiciendi causa, oder blos ans Freundschaft und Höflichkeit, salutandi causa.

V. 1. Albi, nostrorum sermonum candide iudex.

Wenn Horaz den Tibull einen candidus iudex nennt, so muss Tibull Horazens Sermones oder Satiren nothwendig getadelt haben. Man kann allerdings auch candide loben, der Gelobte selbst aber kann vernünftiger Weise nur im Tadel eine Aufrichtigkeit des Urtheils erkennen, wenn er nicht etwa jenem Schullehrer gleicht, der „, aufrichtig bekennt“, dass seine neuentdeckte Methode ausgezeichnete Früchte getragen! Dass aber der milde, rein sentimentale Tibull den kaustischen Dichtungen seines Freundes keinen Geschmack abgewinnen konnte, ist so wahrscheinlich als naturgemäss.

V. 3. An tacitum silvas inter reptare salubres.

Tacitus ist keine blosse Ausmalung der gemüthlichen Waldeinsamkeit, sondern enthält den ausdrücklichen Gegensaz des vorangehenden scribere, und stellt das stille Selbststudium einer schriftstellerischen Thätigkeit entgegen. Diess beides ist auch 1, 12 durch condo. et compono bezeichnet.

V. 6. Non tu corpus eras sine pectore; di tibi formam. Ich habe diese Säze nur durch ein Semicolon getrennt: das gewöhnliche Punctum nach pectore würde mit: Di tibi formam asyndetisch eine neue Gedankenreihe beginnen lassen, während doch dieser zweite Saz nur den positiven Gegensaz der voran

gehenden Negation enthält und auf artem fruendi als auf den Hauptbegriff hineilt: Non tu corpus eras sine pectore, sed di tibi una cum forma divitiisque etiam artem dederunt, his bonis externis recte fruendi, nämlich nicht blos auf sinnliche Weise, veluti pecora ventri obedientia. Dass eras einfach für das Präsens stehe, glaubt jezt wohl niemand mehr.

V. 12. Inter spem curamque, timores inter et iras.

Bei cura denkt man allerdings zunächst und gewöhnlich an einen unangenehmen Seelenzustand. So die Ausleger auch hier. Allein dann hätte Horaz das Gesez der Concinnität auf eine auffallende Weise verlezt. Nothwendig muss cura etwas angenehmes bedeuten, um mit spes zusammen dem andern Paar, den leidigen timoribus et iris, gegenüber stehn zu können. Darum bezeichnet hier cura ein lebhaftes Interesse, das den Menschen angenehm beschäftigt, als Mittel gegen Langeweile und Apathie; wie ja auch Arbeiten und Liebschaften curae heissen. Vgl. zu I, 4, 25.

EPISTOLA V.

V. 2. Nec modica coenare times olus omne patella.

Mit olus omne meint Horaz olus et caeteros omnes cibos oder omnia fercula, nicht wie Orelli sagt, tò лitvzóv, brassicam, betam, cichorea, legumina; und modica patella bezieht sich nicht auf die Grösse der Schüsseln, sondern auf deren Qualität und Pracht, eben so wie modici canthari in Od. I, 20, 1. An beiden Stellen bezeichnet modicus eine anständige Mitte: die bürgerliche Wohlhäbigkeit zwischen fürstlicher Pracht und plebejischer Aermlichkeit, zwischen goldenen und grob-irdenen Gefässen; ganz so, wie man sich Horazens Haushalt und Leben zu denken hat. Oder sollte wirklich Horaz den hochgestellten Torquatus auf allerlei Gemüse und noch dazu aus kleinen Schüsseln eingeladen haben? auf schlecht, aber wenig?

V. 8. Mitte leves spes et certamina divitiarum.

Divitiarum ist als subjectiver Genitiv zu fassen und bezeichnet (wenn man nicht etwa eine Veränderung in divitiorum

vorzieht) den Stand der Reichen. Mit dem ganzen Verse sind die Aussichten auf Staatswürden und Bemühungen um dieselben gemeint, welche das Leben der Reichen vorzugsweise beschäftigen. Dieses Streben nennt Horaz hier in seiner Weinlaune ein leichtes, unbedeutendes, werthloses.

Lange Zeit hat man divitiarum als objectiven Genitiv gefasst und darauf die Annahme gegründet, dass Torquatus erwerb- und habsüchtig gewesen sei, und, wie auch sonst oft, dem Horaz die Tactlosigkeit zugetraut, dass er seinen hochgestellten Freund vor unzeitigem und übertriebenem Gelderwerbe warne. Noch mehr Nahrung erhielt dieses Vorurtheil durch V. 13. Parcus ob haeredis curam nimiumque severus.

Fr. Jacobs selbst weiss den Torquatus nach dieser Aeusserung nicht ganz von übertriebener Sparsamkeit frei zu sprechen. Aber nach meinem Vorurtheil für Horaz, nach welchem er ebensowenig indiscret als boshaft ist, muss ich ihn auch hier in Schuz nehmen. Denn nach dem Gefühle aller gebildeten Völker und Zeiten ist ein edler Mensch gegen keinen Vorwurf so empfindlich, als gegen den des Geizes; diess ist ein absolut unedler Fehler, und Horaz selbst bezeugt so oft seine Antipathie gerade gegen den Geiz, dass er sich nimmermehr als Freund eines Geizigen geriren konnte. Man fasse den Gedanken so:,, der Hochgestellte, der aus übertriebenem Anstandsgefühl den Lebensgenuss seiner Stellung und seinem Geschäftsberuf aufopfert, was du zu thun versucht bist, der ist ein gleich grosser Thor als ein Geizhals, der dem Lebensgenuss zu Gunsten seiner Erben entsagt, was du nicht thust, und was dir selbst als Raserei erscheint." Also weit entfernt, dass Torquatus hiemit als Geizhals bezeichnet werden soll, wird vielmehr seine Erhabenheit über den Geiz als notorisch vorausgesezt. Es ist mithin einer der hundert Fälle, wo der Dichter und Redner das Vergleichungsglied, das Bild, parcus, mit seinem Gegenbild, nimium severus, para tactisch verbindet und coordinirt, statt syntactisch und subordinirt.

V. 11. Aestivam sermone benigno tendere noctem.

Jedenfalls ist tendere durch extendere zu erklären. Wer eine Nacht durchwacht, der macht sie länger, denn der verschlafene Theil der Nacht ist für das Bewusstsein

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