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mer noch frappirt, ungeachtet es bereits im reifen Jünglingsalter steht, und nicht blos bei strengen Puristen zu finden ist. Darum rieth mir ein Freund dessen Entfernung aus I, 16:

Stürze mich bald, ein geschäftiger Mann, in das staatliche Leben dringend an und wünschte dafür ins politische Leben gesezt. Ich gab jedoch nicht nach, weniger wegen der prosodischen Härte als aus dem triftigeren Grunde, weil Horaz gerade in diesen zwei Versen sich scherzhaft in die Brust wirft und, hätte er deutsch geschrieben, lieber und passender nach einem ungewöhnlichen, anspruchsvolleren Ausdruck gegriffen haben würde als nach dem einfachsten und eigentlichsten. Und sollte Kraftmann XV, 43 ein auffälliger Ausdruck sein, so stimmt er um so besser zu dem komischen Pathos dieser Stelle und des ganzen Briefes.

Eins hab' ich keck gewagt, indem ich: premat extra limen iniquus XIX, 36 durch beschweiget wiedergab, eine ganz regelrechte Nebenbildung des transitiven verschweigen, deren Existenz ich freilich nur und allein aus dem Privatbrief eines gelehrten und geistreichen Freundes kenne. Fände die glückliche Neubildung Anklang, so könnte sie auch oft das hässliche Fremdwort ignoriren entbehrlich machen. Ich fand für premat durchaus kein irgend entsprechendes Wort, als diesen Gegensaz von besprechen, bereden.

Was mir wie Provinzialismus oder auch wie blose Volkssprache, sermo vulgaris, klang, blieb mit pedantischer Strenge ausgeschlossen. Dass mir dorten und niemalen, so oft es sich auch bei deutschen Klassikern vorfindet, dennoch als Provinzialismus erscheint, hat mir viel Mühe gemacht.

Auch selber war mir nicht vornehm genug, und nicht einmal zurücke oder gerne, welches sich doch auf das unverfängliche ferne reimt*). Dagegen erkenne ich die Form

*) Schädliche Schaam v o m Thoren XVI, 24. Den Hals vom Vater 37 H. Wahr sprach Telemach dorten VII, 40 N.

Lasse die Trugansicht V, 8 N.

Da gar zu gefällig du fehlest und tölpelst XIII, 5 P.

kömmt statt der gebräuchlicheren, ja vornehmeren aber anomalen kommt als einen Provinzialismus nicht an.

Die Fremdwörter widerstreben der epischen und lyrischen Poesie, aber der didactischen so wenig als der edlen Conversation; nur muss dem allgemeinen Anspruch auf Purismus Rechnung getragen werden. Prosaiker und Dichter sollen Puristen sein bis an die Gränze der Affectation; eine andere Norm gibt es nicht. Der deutschredende Horaz fällt keineswegs aus dem Ton, wenn er Millionär I, 93 Credit und Rednertalent VI, 36 und 38 Sandalen XIII, 15 Manier und Pensum und Magister XVIII, 6 und 13 oder ähnliches sagt.

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In einer anderen weniger heitern Epistel würde ich allzusolid V, 13 für nimium severus nicht gewagt haben.

Doch konnte ich mich nicht entschliessen scriba in VIII, 2 durch Secretär zu übersezen, obgleich Schreiber gegenwärtig mehr den librarius bedeutet. Das passendere Geheimschreiber aber kann auch der weitherzigste Prosodiker nicht brauchen.

Vor manchem andern hat mich ein mehr oder weniger bewusster Instinct gewarnt. Die Anrede durch Freundchen in XVII, 3 A. oder Gewinnstchen XVIII, 102 J. macht einen andern Eindruck als amiculus und lucellum. Das süddeutsche Deminutiv -lein hat dem norddeutschen -chen an poetischer Geltung den Rang abgelaufen. Doch beider Formen kann die Poesie nicht entbehren; mit -chen bezeichnet sie das Kleine lieber indifferent oder insofern es kleinlich ist, mit -lein aber insofern es niedlich ist. Darum sezt' ich neben einander Kindlein und Geschichtchen Ep. VII, 17 und 34. Wörter wie Wizbold und verhunzen klangen mir nicht edel genug.

Hienieden und auf Erden sind exclusiv christliche Ausdrücke, welche beide den Himmel als die künftige Heimath zum Gegensaz haben, und desshalb bei der Uebersezung

Ich bin Narre mir selbst, du bist es dem Volke XVII, 19 N.
Weil du zu jach es betreibst XIII, 5 D.

eines alten Griechen oder Römers ganz unbrauchbar. Nach demselben Prinzip wird mir vielleicht auch der Gebrauch von Weltsinn, Weltlust Ep. VI, 30 als ein allzuchristlicher Begriff zur Last gelegt; doch passt er dort auch zu Horazens halbchristlicher Ansicht und Stimmung. Vollends Reineke I, 74 und Neidhard II, 57 zu gebrauchen schien mir nicht im Widerspruch mit diesem Grundsaz.

Von der eigentlichen wissenschaftlichen Prosa muss sich jedoch der horazische sermo eben so fern halten wie von dem Schwung und Pathos, ausser wo der Dichter selbst absichtlich und parodisch dialectische Trockenheit affectirt, wie in dem logischen Kettenschluss XVI, 65, wo ich ihm treulich gefolgt bin. Jener Prosa ist die sogenannte Einschachtelung gestattet, welche im Curialstil ihren Höhepunct erreicht hat: das die den das Rentamt verwesenden N. N. befallen habende Augenkrankheit betreffende Zeugniss. Von dieser Caricatur abgesehn würde selbst:

Dass ich des Arztes bedarf, des vom Prätor bestellten

Vormunds I, 102 F.

der ächten Prosa weit besser anstehn als dem horazischen Vers; aber vollends:

Wein vorsez' ich dir bei Minturnä's Sümpfen, da Taurus Wiederum Consul, und bei Sinuessa's Petrinus gefassten V, 4 H.

kann niemand schön nennen, abgesehen von der höchst zudringlichen Versuchung bei Minturnä's Sümpfen mit dem nahen vorsez' ich dir komischer Weise zu verbinden! Der Caricatur noch näher steht:

Ein um die Pflege der Haut zu arg sich bemühendes
Völklein II, 29 N.

Diese grundsäzliche Abneigung gegen alles Aussergewöhnliche, was der Sprache einen poetischen, schwunghaften, kühnen, im schlimmeren Fall einen steifen und anspruchsvollen Character geben könnte, wird mir vielleicht den Vorwurf einbringen in einen allzu verständlichen, trivialen Ton

verfallen zu sein und den sermo pedestris nicht genug von dem sermo quotidianus -unterschieden zu haben; denn: Repit humi tutus nimium timidusque procellae. Diess muss ich um so eher fürchten, als so mancher Leser sich allmählich an die kühne oder willkührliche Behandlung der deutschen Sprache durch die deutsche Uebersezungskunst hat gewöhnen lassen, und für eine edle Sprache sie eher verlangt als blos gestattet. Die rechte Mitte zwischen dem was ich trivial und was ich gespreizt nenne, wird nun freilich zum grossen Theil Gefühlssache bleiben, und die Gränzlinie zwischen schlicht und gemein liegt oft je nach der Individualität der Urtheilenden an sehr verschiedenen Stellen. Jedenfalls aber darf ich hoffen mich da, wo ich des Guten in meinem Sinne zu viel gethan, nur in das Gebiet des Allzugewöhnlichen, niemals aber in das des Gemeinen verirrt zu haben.

2. Prosodie.

Mein zweites Bestreben war, wohllautende Verse zu liefern in Hinsicht auf Prosodie und Versbau.

In der Prosodie hab' ich mir manche Fessel neu angelegt, andere abgeschüttelt, in allen Fällen aber mehr Mund und Ohr gefragt als die Tradition; den Mund, was er ohne Anstrengung als Kürze auszusprechen vermöge, das Ohr was es als kurze oder lange Silbe vernehme. Autoritäten habe ich dabei keineswegs ignorirt, ich suchte sie jedoch mehr und lieber unter den klassischen Nationaldichtern als unter meinen Vorgängern. Wenn ich aber meine Ansichten mit denen der Theoretiker, z. B. Minkwitzens, nicht ausdrücklich vergleiche, so folgt daraus so wenig, dass ich sie missachte als dass ich sie nicht kenne.

Als Grundregel galt mir dabei die Forderung, dass der Vers sich selbst scandiren müsse, auf den ersten Blick, mit Nothwendigkeit. Denn unangenehm ist's, wenn der Leser z. B. in dem Vers:

Mena kauft sich das Gut;

dass ich durch längeren Umschweif VII, 82 F.

um sie

nach den Worten dass ich wieder umkehren muss, als zwei Längen zu lesen, während seine Zunge sie instinctmässig als zwei Kürzen behandelt hatte. Oder gar:

Brennt vielleicht dich des Pergamentes beschwerliche Bürde XIII, 6 D.

Eine Schwester hab' ich ohne Mitgift, 'ne dürftige Mutter XVII, 41 O.

Und der Hexameter:

Bald bin ich Staatsmann und dreh' mich in Wogen des

Staates I, 16 B.

kann fast auch als Pentameter gelesen werden; in beiden Fällen ist er voll Unregelmässigkeiten.

Die allgemeine Regel, dass die Stammsilbe lang ist, unterliegt mir folgenden Beschränkungen:

1. Jedes Monosyllabum, welches nicht zu den Haupt-, Bei- und Zeitwörtern gehört, ist zwar als Stammsilbe eine Länge, kann aber wegen seiner verhältnissmässigen Gewichtlosigkeit auch als Kürze dienen, falls nicht ein entschieden gedehnter Vocal oder eine harte Consonantengruppe oder ein auf ihm ruhender Nachdruck Einspruch thut.

Selbst gewisse Verba, diejenigen, welche den Character eines Hülfsverbums tragen, kann, soll, muss, sprechen sich leicht als Kürzen aus, und mein Versschluss: Wem soll ich nachthun? I, 76 und: muss er diese betrachten? VI, 8 wird höchstens den Doctrinär beleidigen. Auf das coordinirte mag und darf erstreckt sich diese Licenz natürlich nicht. Ein ähnlicher Fall ists mit Adjectiven, wenn sie fast wie eine Partikel lauten, wie VI, 18 Staune voll Ehrfurcht an.

2. Auch Disyllaba, welche in die Kategorie der gewichtlosen Wörter gehören, als Pronomina oder Partikeln, lassen sich mit verkürzter Stammsilbe wie aussprechen so auch im Vers verwenden; am entschiedensten die Casus des unbestimmten Artikels ein. Alle Dialecte, welche dem Hochdeutschen am nächsten stehn, schwächen in eines, einem, einen den Diphthong fast zu ĕ ab; daher kann:

eines Freigelassenen Kind war XX, 20.

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