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und Liedern in Volks- und Kinderschulen aufmerksam gehört und gern behalten werden; auch der Heiland hat ja nicht blos den Hungrigen Brod gegeben, sondern auch das Evangelium den Armen gepredigt.

Aber sind denn dies Alles nicht vergebliche Wünsche und thörichte Hoffnungen? Hat nicht jüngst erst ein Mann, der als Volksschriftsteller sich bereits Ruf erworben, ausgesprochen, daß das Märchen seine Mission erfüllt habe, daß es beim Volke jezt nicht mehr verfange, sondern dies anderer Nahrung bedürfe? Wir nun können nicht glauben, daß beim Volke nicht verfangen soll, was seinem eigensten innersten Wesen selber entsprossen, und können uns nicht überzeugen, daß es räthlicher sei, das Volk für diese oder jene Forderung des Augenblickes äußerlich zuzurichten, als seine innere Eigenthümlichkeit auszubilden, damit es dann überall sich selbst treu und seiner selbst würdig auftrete; wir schließen darum, nicht um Autorität gegen Autorität zu halten, sondern um von einem Ausspruche, der unsere Ueberzeugung so vollkommen ausdrückt, nochmals Gebrauch zu machen, mit den Worten von Jakob Grimm, daß Märchen und Sagen der Jugend und dem Volk bis auf heute gesunde Nahrung geben, von welcher es nicht ablassen wird, wie viel andere Speise man ihm vorschiebe" und wünschen, daß aus der weiten Verbreitung auch dieser Märchen dem Verfasser Liebe, dem Herausgeber Ehre, den Armen Brød und Allen viel Freude erwachsen möge.

Gießen.

G. Baur.

Gedichte von Friedrich von Schiller. Stuttgart und Tübingen 1845. (Elegante Ausgabe in Taschenbuchformat, besorgt von Prof. Joachim Meyer.)

Diese Ausgabe, von welcher die Kritik bisher noch nicht gebührend Notiz genommen, darf wenigstens nicht in einem der modernen Philologie gewidmeten Archiv unberücksichtigt bleiben: denn wir haben an ihr die erste mit wahrhaft philologischem und kritischem Sinne besorgte Edition von Schiller's Gedichten erhalten, die in ihrem Kreise denselben Rang behauptet, den die Lachmann'sche Ausgabe unter den Editionen Lessing's einnimmt.

Ueber das Bedürfniß einer neuen Ausgabe der Werke Schiller's überhaupt hat sich der verewigte Dr. Karl Hoffmeister kurz vor seinem Tode in dem Archiv für den deutschen Unterricht, wenn auch flüchtig, doch eindringlich ausgesprochen. Er verlangt, daß die Körner'sche Anordnung und Auswahl, deren Willkürlichkeiten und Nebelstände er in seiner Nachlese zu Schiller's Wer

ken vielfach aufgedeckt, nun doch endlich beseitigt werde. Mit demselben mimutiösen Fleiße, welchen die Philologen an die alten Classiker wenden, wollte er zunächst einen durchaus richtigen Tert wieder hergestellt wissen; dann forderte er weiter, daß sowohl die kleineren Gedichte, als die Dramen und die prosaischen Schriften, jede Abtheilung für sich, streng chronologisch geordnet, ferner, daß die Varianten und die später ausgelassenen Stellen unter den Tert gesezt, und endlich, daß die unterdrückten Stellen gehörigen Ortes eingefügt würden. Nach einer solchen Musterausgabe Schiller's sollte dann jede kleinere Ausgabe für den weitern Leserkreis mit Weglassung der Varianten und der eingeschlossenen Nachträge veranstaltet werden.

Es dürfte noch eine gute Zeit währen, ehe sich die allein berechtigte Verlagshandlung zu einer solchen Musterausgabe, wie sie Hoffmeister im Sinne trug, entschlösse, und er selbst hat durch seine „Nachlese und Variantensammlung“ dazu beigetragen, die Zeit ihrer Erscheinung hinauszurücken. Denn so lange die starke Auflage jener Nachträge noch nicht vergriffen ist, möchte sich die Cotta'sche Buchhandlung schwerlich dazu verstehen, eine Gesammtausgabe der Schiller'schen Werke zu veranstalten, in welche die Nachträge nothwendig aufgehen und sich verlieren müssen. Mittlerweile kann indessen für die dem größern Leserkreise zugedachten Editionen, Gesammtausgaben wie Einzelausgaben besonderer Werke, das Nöthige geschehen, und damit ist nun in der vorliegenden eleganten Taschenausgabe der Schiller'schen Gedichte ein vortrefflicher Anfang gemacht. Die Verlagshandlung hat sich hierbei gerade an den rechten Mann gewandt, der seinen Beruf zu dergleichen Arbeiten durch seine höchst sorgfältige Abhandlung über den Wilhelm Tell dargethan. Hr. Prof. Meyer machte es sich, wie er uns selbst berichtet, bei der Correctur der vorliegenden Ausgabe zum strengen Grundsaße, auf's Neue eine genaue Recognition des Tertes anzustellen und die einzelnen Veränderungen in demselben durch die verschiedenen Editionen hindurch zu verfolgen. Zu dem Ende verglich er jedes Gedicht mit dem ersten Druck, wie er sich in der Anthologie, dem Teutschen Merkur, Thalia, den Horen und drei Almanachen findet, so wie mit denjenigen Ausgaben der Gedichte, welche für die Kritik Werth haben, und schenkte auch den betreffenden Erläuterungen der Interpreten die gehörige Berücksichtigung.

der

Außerdem sind Schiller's eigene handschriftliche Verbesserungen benut worden, welche Hoffmeister 1844 in meinem Archiv für den deutschen Unterricht veröffentlicht hat. Hoffmeister verlangte mit Recht, daß diese Varianten bei einer neuen Ausgabe von Schiller's Gedichten in den Text aufgenommen würden, abgesehen von ihrer Trefflichkeit schon deßwegen, weil sie Veränderungen von Schiller's leßter Hand, gleichsam testamentarische Verfügungen seien. Hr. Meyer hat nun diesem Wunsche entsprochen, mit Ausnahme, von zwei Stellen im Alpenjäger und im Antritt des neuen Jahrhunderts. In jenem Gedichte hatte Schiller in Strophe 6 statt der jezigen Lesart: Hängt sie auf dem höchsten Grat

eigenhändig geschrieben:

Sängt sie auf dem steilen Grat,

was schon Hoffmeister, weil sich einige Verse nachher das Wort steile wiederholt, für eine bedenkliche Veränderung erklärte. In dem andern Gedichte schließt die erste Strophe:

Archiv III.

Und das neue öffnet sich mit Mord,

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wofür es in der Handschrift von Schiller's. Bedienten Rudolph heißt: Und das neue öffnet sich dem Mord,

eine Lesart, die wahrscheinlich ein Fehler des Abschreibers ist. Alle übrigen Veränderungen, sowohl von Schillers als seines Bedienten Hand, find von Meyer in den Tert und die bisherigen Lesarten darunter gesezt; sie betreffen die Gedichte: An die Freude, der Abend, der Pilgrim, des Mädchens Klage, der Alpenjäger, die vier Menschenalter, Dithyrambe, Puuschlied im Norden zu singen, Nadowessische Todtenklage, das Siegesfest, die Kraniche des Jbykus und die Bürgschaft, nebst den Ueberschriften von neun Balladen.

Correcturen hat sich der Herausgeber nicht gestattet, und verdient deßhalb gewiß unsern Beifall. Nur an einer Stelle hat er sich eine kleine Verbesserung erlaubt. Schiller hatte nämlich in jenen Veränderungen leßter Hand den bisherigen Titel des Gedichtes „die Bürgschaft" in Damon und Pythias“ verwandelt, demgemäß nun auch der Vers jezt lautet:

"

Damon, den Dolch im Gewande,

Da nun aber der Name Pythias bei Cicero und Valerius schon seit geraumer Zeit auf den Grund der besten Handschriften in den allein richtigen Phintias geändert worden, so glaubte Hr. Meyer, und, wie uns deucht, mit vollem Rechte, diesen auch bei Schiller herstellen zu müssen. „Soll denn,“ fragt er, „weil der Dichter zufällig eine ältere Ausgabe zur Hand hatte, ein erwiesener Irrthum fortgepflanzt werden?"

So hätten wir denn nun endlich eine Ausgabe der Schiller'schen Gedichte, worin eine Menge Flecken, die allen Drucken seit einem halben Jahrhundert anklebten, getilgt, und in welche eine ganze Reihe leßtwilliger Bestimmungen des Dichters, die bisher keine Ausgabe enthielt, aufgenommen sind. Ob es dabei für die Zukunft ganz sein Bewenden haben kann, ist freilich noch die Frage. Namentlich wird man sich noch darüber zu einigen haben, ob und wie viele variirende Lesarten und ausgemärzte Partien in eine für den weitern Kreis der Leser bestimmte Ausgabe unter den Text zu seßen seien. Körner ist in dieser Beziehung ohne festes Prinzip zu Werke gegangen. Er hat zu einigen Gedichten, wie Würde der Frauen, Ideal und das Leben u. s. w. eine Reihe ausgefallener Strophen mitgetheilt, und bei anderen wieder eben so wichtige ausgeschiedene Theile weggelassen. So giebt er auch hier und da die älteren Ueberschriften der Gedichte als Varianten, während er sie anderswo verschweigt. Indeß sind diese fortdauernden Uebelstände von untergeordneter Bedeutung. Das Wichtigste ist, daß wir nun einen correcten Tert besißen, der hoffentlich auch bald in die für Schulen bestimmten Chrestomathien übergehen wird.

Vff.

Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen. Gesammelt von Emil Sommer. Erstes Heft. Halle, Eduard Anton 1846. VIII. und 182 S. gr. 12°.

Je spärlicher die Quellen der deutschen Mythologie fließen, desto sorgfältiger müssen sie erforscht, desto umsichtiger ausgebeutet, desto eifriger müssen grade diejenigen aufgespürt werden, welche täglich mehr zu verstegen drohen.

Unter den leßteren stehen oben an Sagen und Märchen; geringeren oft zweifelhaften Ertrag bieten Gebräuche und Aberglaube. Daß aber von Jahr zu Jahr die Schüchternheit und das Mißtrauen des Volkes wächst, mit welchen es diesen seinen altererbten Besiß vor den Augen des höher Gebildeten verbirgt, während zugleich der Schaß selbst in entsprechendem Verhältnisse verblaßt und zusammenschmilzt, das läßt sich schon von vornherein aus dem allgemeinen Gange unserer Bildung schließen, das bestätigt die vollgültige Erfahrung derjenigen, welche auf dem Lande im vertraulichen Verkehr mit dem Volke aufgewachsen sind. Dennoch hat sich troz Pfarrern, Schulmeistern und Lebensverkehr selbst in denjenigen Gegenden, von denen man es am wenigsten erwarten sollte, bis zur Stunde mehr erhalten, als man vorauszusehen geneigt ist. Freilich springen auch hier nur vor der Wünschelruthe Felsen, Schlösser und Riegel auf: nur dem, der neben Kenntniß der Mythologie auch das Talent besißt, des Volkes Vertrauen zu erwerben, öffnen sich die geheimen Adern, in welchen der edle metallische Niederschlag grauer Vorzeit blinkt. Einen sprechenden Beweis dafür gewährt das oben genannte Buch. In einem protestantisch nüchternen und von aufflärenden Elementen aller Art vorlängst durchzogenen Landstriche, ist es dem Verf. binnen ziemlich kurzer Zeit gelungen, eine nicht unerhebliche Anzahl von Sagen (70) und Märchen (11) fast durchaus nach mündlicher Mittheilung zusammenzustellen, denen er noch einen Anhang von Gebräuchen zum Geleite gegeben hat.

Doch ist es weniger der aufgefundene Stoff, welcher dem Buche eine ausgezeichnete Stellung unter den Sammlungen deutscher Sagen verleiht — denn günstiger gelegene Gegenden möchten wol reichere Fülle und alterthümlichere Fassung bieten sein Werth beruht vielmehr auf den Ergebnissen, die der Scharfsinn des Herausgebers aus dem dargebotenen Materiale zu ziehen gewußt und in den angehängten Anmerkungen niedergelegt hat.

Die beiden ersten Sagen knüpfen sich an den Kiffhäuser. Wir erfahren, daß das Volk nicht nur Friedrich den Rothbart in jenem Berge wohnen läßt, sondern statt seiner auch Otto den Rothen, der bereits in Gedichten des Mittelalters als halb mythische Gestalt erscheint, und daß dem Kaiser eine Schaar von Rittern und Knappen zur Gesellschaft, und die Königin Holle als Haushälterin beigegeben ist. Weist der rothe Bart der beiden Kaiserlichen Helden auf Thor zurück, so erinnern die fliegenden Raben, nach denen Friedrich fragt, an Wrotan, und es empfiehlt sich des Herausgebers Deutung, wenn er die Ritter und Knappen den nordischen Einherjen vergleicht, den in der Schlacht gefallenen Helden, die bei Odhin in Walhalla einkehren, und wenn er in Holda wie in den übrigen, während der zwölf Nächte auftretenden Göttinnen eine Abschwächung Der Frigg erblickt, die als Hausfrau Odhins nach der Edda für den Haushalt der Asen und Einherjen sorgte. Die zweite Sage bringt Napoleon mit Friedrich dem Rothbart und Holda in Verbindung. Der Herausgeber bemerkt mit Recht, daß dieser Zug nicht unvolksthümlich sei, und belegt seine Behauptung durch die Beispiele Ziethens und des alten Dessauers, an deren Person sich Zaubersagen geschlossen haben, die früher von Faust erzählt wurden. Grade von Napoleon berichtet, wenn ich mich recht erinnere, Parthey in seiner ägyptischen Reise, daß er zu Alexandria in die dort noch theilweise lebendige Sage von Alexander verflochten werde. Auch von Friedrich dem Großen sollen, wie mir versichert wurde, Sagen in Westphalen umgehen, von denen Zusammenhang mit altüberlieferten sicher vorausgesezt werden darf.

Wrotan erscheint feiner noch in drei Sagen vom wilden Jäger, und in einem Erndtegebrauche (S. 160); denn in dem sogenannten „Schimmelreiter,“ der durch angedängte Siebe und darüber gebreitete weiße Laken nebst einem vorgefteckten Pferdekøyfe zum Reiter auf weißem Pferde ausstaffírt wird, darf man ihn zuverlässig wiedererkennen. Am deutlichsten hat sich die Erinnerung an den umherreitenden Erndtegott in England erhalten. Ein englisches Zeitungsblatt, welches ich augenblicklich nicht bestimmter bezeichnen kann, da meine Papiere mir nicht zur Hand find, meldete im verflossenen Sommer, es habe einen Berichterflatter ausgesandt, um den Stand der Kartoffelfrankbeit in den verschiedenen Grafschaften zu erforschen, und dem Reiter sei das Volk gram worden ob seiner Tracht, denn es habe ihn für den personificirten Mehlthau angesehen, der die Felder beschauen komme, um im nächsten Sommer das Getreide zu verderben, der Mehlthau zeige sich nämlich als Reiter im Mantel mit breitkrämpigem Hute.

Treten die großen Götter in dem, was uns von deutscher Mythologie erhalten ist und namentlich in den Sagen schon sehr zurück, so sind die großen Göttinnen noch mehr verdunkelt, und haben sich noch häufiger in eine größere Anzahl von Wesen niederen Ranges aufgelöst. Holda, Holle, Wolle, Rolle, Harre, Harren, Harfe, Archen, Harke, Herke, Motte, Gode u. a. sind wahrscheinlich nur verschiedene Namen für die eine Gemahlin Wrotans, je nachdem man diefe oder jene Eigenschaft derselben in prägnanter Weise hervorhob, wie Sommer, die einzelnen Namen auf ihre wahrscheinliche Abstammung zurückführend, eben so scharfsinnig als einleuchtend erweist. Allerdings freilich wird man zugeben müssen, daß, wie die einft mit der Göttin und ihren Beinamen verbundenen Ideen im Volksbewußtsein zurücktraten, auch andere von ihr verfchiedene Wesen mit ihr mögen vermischt und in das Gewirre der neuen Namen hineingezogen worden sein.

Wie überall, so hat sich auch in hiesiger Gegend die Erinnerung an die Wesen niederen Ranges, die personificirten Elementarkräfte, mit denen der alte Glaube Berg und Wald und Feld und Gewäffer bevölkerte, die er selbst in die Wohnungen des Menschen versezte, und mit diesen in täglichem bald freundlichem bald feindseligem Verkehr dachte, bei weitem reger und frischer erhalten. Von Kobolden, Nixen und ihrem weiteren Gesippe, wissen die Sagen gar mancherlei zu berichten, und wiederum knüpfte der Herausgeber an die einzelnen Züge Vergleichung anderer Sagen und Schlußfolgen, welche frühere Zustände herausstellen und beleuchten. Eine Nixsage aus Halle selbst ist ihm unbekannt geblieben, deren ich hier gedenke, weil sich an sie die einzige mir bekannte plastische Darstellung eines solchen Wassergeistes knüpfte. Als nämlich die alte Saalbrücke gebaut wurde, über welche die Straße nach Eisleben führt — so erzählt die Sage wollte der Nix nicht leiden, daß die Menschen so übermüthig in sein Element eingriffen und seine Ruhe störten. Deshalb vernichtete er in jeder Nacht den größten Theil dessen, was am vorhergehenden Tage erbaut worden war. So rückte der Bau nur langsam vorwärts, ward aber dennoch endlich fertig. Am Morgen nun nach der Vollendung, als die Bauleute sich des gelungenen Werkes freuten, erblickten sie auf dem Grafe des Ufers den Nix, der seinen Aerger dadurch kund gab, daß er ihnen ein durch beide Hände fraßenhaft in die Breite gezogenes Angesicht zeigte. Zum Angedenken ward die Gestalt in Stein gehauen und in einen Pfeiler der Brücke gefügt. Als vor einigen Jahren die alte Brücke abgebrochen und durch eine neue ersegt ward, entdeckte man das Ungethüm; gegenwärtig befin

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