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ein deutlicher Fingerzeig für die Behandlung desselben Gegenstandes in anderen Sprachen dienen kann. Ich glaube daher, Manchem einen Dienst erwiesen zu haben, wenn ich hier ein Werk zur allgemeinen Kenntniß gebracht, das in der Bibliothek keines modernen Philologen fehlen sollte. Eine vollständige Würdigung der Schrift konnte indeß hier nicht beabsichtigt sein, dazu wäre eine eigentliche Recension nöthig; vor Allem aber ist Jedem die eigene Ansicht des gehaltvollen Werkes zu empfehlen.

Dieselbe Wichtigkeit aber, welche der Orthoëpie für das Französische beigelegt werden muß, gebührt ihr unzweifelhaft auch für das Englische; wie viele Fälle gibt es auch da, die sich schwer unter ein Gesez fügen? oder, wenn dies gelungen, doch so viele Einzelnfälle und Klauseln erfordern, daß sie sich dem Gedächtniß gar leicht wieder entziehen? Man nehme z. B. das s; es hat nur vier Laute, aber wie kompliciren sich die Fälle? ob es als An- oder Auslauter steht, vor Vokalen oder Konsonanten, im Anfange oder in der Mitte des Wortes, ob ihm ein Vokal oder Konsonant vorhergeht, ob dieser Konsonant hart oder weich ist, ob es, als Auslauter, mitten im Worte, oder am Ende desselben steht, im ersten Falle, ob die folgende Sylbe wieder mit s, oder mit einem andern Konsonanten anfängt, im legtern, ob s der lezte Buchstabe des Wortes ist, oder ob ihm noch ein Konsonant folgt, ob ihm ein Vokal oder Konsonant vorhergeht u. s. w. Es würde überflüssig sein, noch von anderen neueren Sprachen zu sprechen, oder von den beiden genannten noch mehr Einzelnheiten heranzuziehen; es reicht das Gesagte hin, um Jedem die Ueberzeugung zu geben, daß in der Orthoëpie irgend einer lebenden Sprache gar Manches zu lernen, daß in diese Disciplin, so gut wie in jede andere grammatische, System und Ordnung zu bringen ist, und daß da, wo Gesezmäßigkeit herrscht, wäre sie auch noch so komplicirt und voller Klauseln, der Geist eine Nahrung findet, ist allgemein anerkannt. Auf der andern Seite aber darf man die Sache auch wieder nicht für so leicht und überflüssig ansehen, wie die bloßen Empiriker ste darstellen möchten; man benuße daher die vorhandenen Mittel mit Umsicht und zur rechten Zeit, so wer den Uebung in der Aussprache und Kenntniß des Sprachgesezes einander die Hand bieten und jene Gewandtheit und Sicherheit erzeugen, welche das Ziel jedes Sprachunterrichtes sein muß. Dr. J. Heussi.

Parchim.

Köchly und Antiköchly.

Ein Wort über moderne Gymnasialbildung.

Erster Theil.

Die Zeiten sind nicht mehr, in denen man die Scala

wissenschaftlicher Bildung auch an das Wissen und an die Kennt nisse im Griechischen und Lateinischen legte; vorüber sind die Zeiten, in denen man auf die richtige Sezung griechischer Accente höheren Werth legte als auf die gründlichste Kenntniß der deutschen Sprache und Literatur: beide waren verachtet oder verkannt. Man hielt es wirklich unter seiner Würde, sich mit einer Sprache zu befassen, eine Sprache in den Kreis wissenschaftlicher Untersuchungen und Studien zu ziehen, die der Mund jedes Bauern sprach. Nachdem nun endlich der gesunde Menschenverstand die Oberhand gewonnen und Licht verbreitet hatte, fing man an, die alte Philologie in den gelehrten Schulen dadurch zu beschränken, daß man andere Unterrichtsgegenstände in den Lehrkreis aufnahm: deutsche Sprache und Literatur, Mathematik, Französisch, hier und da sogar Englisch und Italienisch, Physik u. s. w. fanden Eingang, und tüchtige Lehrer zeichneten sich im Vortrage dieser Gegenstände aus, welche wir moderne nennen wollen, weil die moderne oder Neuzeit sie mit sich brachte. Vernünftige Gymnasial - Direktoren und Lehrer sahen ein, daß man Bildung des Geistes ebensogut durch das Studium neuerer Sprachen, mathematischer Wissenschaften u. s. t. fördern könne, als durch das Griechische; ja daß ohne Mathematik und ohne neuere Sprachen gründlich zu erlernen, viele Fächer geradezu unbeseßt bleiben müßten, deren Vertretung der Fortschritt der Zeit gebieterisch fordert.

Allein die Zahl der gemäßigten und den lieben alten Schlendrian verläugnenden Philologen blieb immer noch die bei weitem geringere: die Mehrzahl wollte nicht haarbreit vom Playe weichen, fuchte vielmehr mit aller Gewalt die philologischen Rüstkammern auf alle Fälle vorzubereiten und in Stand zu sezen. Man raisonnirte de particula v c. conj., opt., cum imperf. indic. u. s. w. auf Schulen ein Langes und ein Breites und glaubte viel gewonnen zu haben, wenn man den Feinheiten der griechischen Sprache auf diese Weise bis in die äußersten Falten nachgespürt hatte. Da konnte der Kampf nicht ausbleiben; die entgegengesette Richtung gewann das Vertrauen des Volkes, indem sie sich an die Bedürfnisse des Volkes anschloß: Realschulen entstanden. Da wußten die alten Philologen anfangs nicht, was sie dazu sagen sollten; doch bald hatten sie die Antwort gefunden; sie verkündeten: „Heil uns, daß das Materielle sich von uns trennt und seinen Weg allein wandelt; nun erst ist die Zeit gekommen, in welcher wir unsere großartigste Entwickelung zeigen können.“ Allein auch diese egoistischen Trostgründe hatten keinen Nachhalt; es schien gleichsam in der Luft, d. h. in der Zeit, zu liegen, welche das realistische Miasma bald hier, bald da in die gelehrten Schulen einschleppte, indem bald hier, bald dort das Leben des Volkes andere, vielseitige, nicht philologisch einseitige Bilburg verlangte. Dazu kam der Umstand, daß die alten Philologen bald wahrnahmen, wie ihre Schüler gar nicht mehr recht anbeißen wollten und gleichgültig blieben bei der gelehrten Entwickelung von oẻ μỷ und μý ov. Jest wäre es nun an der Zeit gewesen, nachzugeben und einer wissenschaftlichen tole= ranten Bildung Eingang zu verschaffen. Leider unterblieb es. So ist es denn geschehen, daß mitten aus dem Kreise philologischer Gymnasiallehrer Männer auftreten mußten, welche radikale Reform predigen und welche von keiner Vermittelung mehr etwas wissen wollen, sondern geradezu verlangen, man solle und müsse sich entweder durchaus für oder gegen ihre Ansichten erklären. Ein solcher Mann ist Herr Köchly, ein Mann, dem wir Lob und Anerkennung nicht verweigern, der aber in seiner geistreichen Starrheit eben von keiner gemäßigten Ansicht etwas wissen will; Herr Köchly glaubt, den Gymnasien das wahre Licht aufgesteckt, ihr Heil allein gefunden zu haben, indem er, um's kurz zu sagen, das Kind mit dem Bade ausschüttet, und es fehlt nicht an Leuten, die in die Köchlysche Drommete gleich als in eine Siegesposaune

blasen; man lese in den Blättern f. literar. Unterhaltung u. and. m. und man wird sich überzeugen, wie gewaltig stürmend die Herren verfahren, wie sie vermittelnde Ansichten und Meinungen gar nicht kennen, wie dieselben das, was von Rauchenstein, Ameis, Fuchs u. A. m. theils in der Pädagog. Revue v. Mager, theils in den N. Jahrb. f. Phil. u. Pädagogik von Jahn und Kloß, und in anderen gelehrten Journalen gründlich vorgetragen und bewiesen worden ist, völlig ignorirt. Wir halten es daher für zweckmäßig, wenn auch das Archiv ein Wort über ,,moderne Gymnasialbildung" mitspricht. Ohne uns auf eine Widerlegung der bekannten Köchlyschen Schrift hier einzulassen, wollen wir in einer Zeitschrift, welche bekanntlich nicht im Interesse der alten Philologie arbeitet, unsere Ansichten frei und offen aussprechen, indem wir dadurch der Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit einen Dienst zu erweisen hoffen, und auf die Zustimmung aller derjenigen rechnen dürfen, welchen theils Gründlichkeit, theils Toleranz in gelehrter Beziehung gleich am Herzen liegen. Hr. Köchly und seine Nachfolger verwerfen als Schülerplagen die schriftlichen Nachübersezungen, das Vocabellernen, die Adnotatenbücher, die Citate, überhaupt philosophische Behandlung der Autoren, das Lateinschreiben, das Lateinsprechen, kurz sie rupfen und zupfen dem Vogel alle Federn am Körper aus, lassen ihm aber die Schwingen, d. h. die Flügel des Geistes, denn Geist wollen sie den Schülern allein einhauchen, Geschichte, Geist, Idee soll Alles durchdringen, Alles beleben; Lust und Liebe zur Sache, meinen sie, kann `ja lediglich durch den Geist, durch den geistigen Flug, in und mit welchem Alles vorgetragen wird, geweckt und bedingt werden. Das bei aber bedenken die Herren gar nicht, daß in allen dem, was sie verwerfen, der Schlüssel zu dem liegt, was sie wollen, nur darf das rechte Maaß auf dieser Seite eben so wenig überschritten werden, als die Herren auf ihrer Seite bereits viel zu weit gegangen sind, indem sie gar nicht darauf achten, wie sehr der arme Vogel, dem sie die Federn, die kleinen, die sie quisquiliæ nennen, sehr kühn und keck ausgezupft, die schönen Flügel des Geistes aber fein gelassen haben, anfängt zu frieren, ja wie er zuleht aus seinem hohen Geistesfluge plöglich herabsinkt und in die Tiefe, d. h. in Ungründlichkeit verfällt. Doch das heißt in der Wüste predigen, wenn man den Herren gegenübersteht, die von keiner Vermittelung etwas wissen wollen, die, wie gesagt, furz und gut das Glaubens

bekenntniß vel pro vel contra fordern. Wir dagegen lassen einen Jeden seines Glaubens leben, lassen uns aber nicht imponiren durch Autorität und Macht.

Wie oberflächlich müßte die Lektüre *) sein, wenn man zwar Vieles lesen, aber dabei keine Erklärung der Lesestücke beifügen wollte? Die Aufgabe bei der Lektüre der griech. und latein. Autoren ist: den Schüler auf die grammatische Struktur der einzelnen Ausdrucksweisen und Säße aufmerksam zu machen und den Grund zur genaueren und feineren Kenntniß der Grammatik zu legen, überhaupt durch ausführliche Erklärungen und theilweise durch kürzere Winke den Schüler in der Ueberwindung sprachlicher und sachlicher Schwierigkeiten zu unterstüßen, welche sich sowohl in Bezug des Verständnisses, als in Bezug auf richtige Uebersehung darbieten. Es muß daher über Alles Belehrung und Auskunft ertheilt werden, woran die Schüler, versteht sich im Verhältnisse ihrer bereits erlangten Bildungsstufe, Anstoß nehmen können. Der Schüler ist dahin zu bringen, den Autor als ein schriftstellerisches Individuum von bestimmten Charakter und Gedanken und Sprache genau kennen zu lernen. Die Erklärungen müssen durch sorgfältige Andeutungen auf die Eigenheiten des Ausdrucks und die Wendungen, deren sich der Schriftsteller bedient, aufmerksam machen. Wenn unsere Gegner behaupten, dadurch, daß man immer wieder auf Regeln der Grammatik, welche, beiläufig gesagt, nicht allein mündlich, sondern auch schriftlich zu behandeln ist, zurückweise und den Paragraphen anmerken lasse, werde die Lust des Schülers — das Wort Lust ist das Loosungswort der Herren, gelähmt; wenn man meint, daß durch beständiges Citiren der einschlägigen Paragraphen der Grammatik der Geschmack der Schüler wieder ein Lieblingsausdruck der geschmackvollen Schulen, abgestumpft werde, so muß ich mich auf meine Erfahrung berufen, welche mich seit 20 Jahren lehrt, daß die Schüler, denen ich den Paragraphen der Ggammatik

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*) Nach unserer Ansicht dürfte sich die Lektüre in der ersten Klasse eines Gymnasiums oder einer Realschule, unbeschadet aller Gründlichkeit, in mancher Hinsicht anders behandeln lassen, als der geehrte Herr Verf. obigen Auffages vorschlägt. Wir beziehen uns der Kürze wegen auf dasjenige, was Nägelsbach in der Einleitung zu seinen „Anmerkungen zur Ilias" und in der Vorrede zu seiner „lateinischen Stilistik für Deutsche" über die Behandlung der Lektüre ausführlich entwickelt.

Die Reb.

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