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I.

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ondon, die Fünfmillionen-Stadt, ist ein Reich für sich. In diesem Reiche der "Cockneys" fehlt es zwar an einer einheitlichen Verwaltung denn der Lord Mayor regiert bekanntlich nur in dem engeren Banne der Altstadt - —, fehlt es an einer gemeinschaftlichen Gesetzgebung und Vertretung denn jeder Gemeinderat (Vestry) einer jeden Stadtabteilung (Borough) ist ja ein gesetzgebender Körper für sich; ja sogar die Wasser- und Kloakenröhren verschiedener Teile des in sich zerklüfteten Reiches wollen nur selten in einander passen; aber ein Band hält wenigstens das Volk dieses Häusermeeres inmitten aller sonstigen Varietät und Uneinigkeit unsichtbar, aber fest umschlungen: das Band der Sprache. Das Londoner Stadtkind läßt sich ebenso leicht von einem Bewohner von Bristol, Manchester oder Leeds unterscheiden, wie etwa ein Pariser von einem Lyonnais oder ein Berliner von einem Hamburger.

Der Abstufungen und Schattierungen gibt es freilich innerhalb des Londoner Sprachgebietes ziemlich viele, und der Leser wird aus den im Wörterbuche verwandten Zeichen jedesmal sofort erkennen, welcher sprachlichen Stufe der betr. Ausdruck angehören mag. Doch sind gewisse Unarten und Eigentümlichkeiten, sowohl im Wortschatz als auch in der Grammatik, gemeinsames Besigtum aller Londoner und Londonerinnen; und weil der Pulsschlag der britischen Hauptstadt ein gar gewaltiger ist, so lassen sich die meisten der gebräuchlichsten Londinismen sogar im ganzen Südosten Englands antreffen.

Die derbsten und krassesten Londinismen erscheinen selbstverständlich unter den (mit P und r bezeichneten *) Vulgärausdrücken, und diese den unteren Gesellschaftsschichten angehörigen, oder wenigstens aus ihnen entsprungenen Sprachelemente sind recht eigentlich der Gegenstand der vor

* Siehe Erklärung der Zeichen, Seite VII.

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liegenden Arbeit. Manches andere, dem allgemeinen englischen Sprachgebiete Angehörige mußte ihnen an die Seite gereiht werden: einesteils, weil es nicht immer möglich war, das Gebiet der hauptstädtischen Sprachprovinz ganz genau und scharf zu sondern und auszuscheiden, andernteils auch, weil wir dem deutschen Leser gern bei der Lektüre aller englischen Zeitungen und Romane behilflich sein wollten. So hat es sich denn, teils aus theoretischen, teils aus praktischen Gründen, gefügt, daß unser Buch nicht ein Argot- oder Slang-Wörterbuch im strengsten Sinne des Wortes geblieben, sondern daß einiges (besonders das mit F, & und s Bezeichnete*) mit aufgenommen worden ist, das auch in London tagtäglich gehört wird, aber doch nicht eigentlich als Londoner Argot angesehen werden darf.

Die cynisch-obscönen und oft sehr boshaften Ausdrücke der älteren Gaunersprache, welche Grose's bekanntes Wörterbuch mit erschreckender Vollständigkeit bringt, sind im modernen Slang und Cant verhältnismäßig selten. Die Ainsworth'schen Gaunerlieder waren gleichsam ein dichterischer Nachklang des Grose'schen Wörterbuches, sind aber auch nicht im stande gewesen, das alte Cant nochmals zu popularisieren; denn gerade die raffiniertesten der dort vorkommenden Kunstausdrücke, wie hempen widow, caper sauce, hartichoke u. s. w. sind heute auch für den abgefeimtesten "Conveyer" von Seven Dials nicht mehr ohne Slang-Wörterbuch verständlich. Was nun unser Jahrhundert zum Sprachfchate neu beigetragen hat, enthält zwar ebenfalls des Rohen und Gemeinen sehr viel, unterscheidet sich jedoch von der geradezu schmußigen, blutdürftigen und gotteslästerlichen Sprache der Grose-Egan'schen Bücher so erheblich, daß man fast glauben sollte, Grose habe für dieses Sprachgebiet ein absonderlich feines Ohr oder einen ausgebildeten Geschmack besessen. Wenn man z. B. die sprachliche Prüderie des Londoner Völkleins in geschlechtlichen Dingen in Erwägung bringt, so scheint es einem ganz unerklärlich, daß zu Grose's Zeiten der Begattungsakt und die Schamteile einen so erheblichen Teil eines Wörterbuches anzufüllen vermochten. Wir haben es unter diesen Umständen für angemessen erachtet, dem Beispiele des Hotten'schen Slang Dictionary nachfolgend, die Grose'schen Ausdrücke dieser Art nur dann aufzunehmen, wenn wir sie durch andere Autoritäten bestätigt fanden. Über die für das vorliegende Buch

* Siehe Erklärung der Zeichen, Seite VII.

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benutten Quellen soll unten ausführlich Bericht erstattet werden. Nur ein Moment möchten wir hier hervorheben, nämlich, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil des darin zusammengetragenen Wortschates aus dem lebendigen Verkehre mit dem Londoner Volksleben selbst hervorgegangen ist: es ist indirekt die Frucht sorgfältiger Beobachtungen während eines fünfzehnjährigen Aufenthaltes in London, und direkt das Resultat einer vor 3-4 Jahren begonnenen Sammelthätigkeit. Die Schülersprache und die Sport-Ausdrücke verdanken wir zum größeren Teile unseren Schülern, und manche der vorkommenden Sprüchlein und Reimlein sind dem Verfasser von den eigenen Kindern in die Feder diktiert worden.

Daß trok so günstiger Gelegenheiten, trok bedeutender Anstrengungen noch vieles mangelhaft geblieben, ist bei einem derartigen Werke unvermeidlich, und wir bitten darum den Leser, der die Schwierigkeit unseres Unternehmens nach eigener Prüfung leicht einsehen wird, hiermit um persönliche Beihilfe. Wo ein wichtigerer Ausdruck übersehen, oder das vorkommende Wort unvollständig erklärt ist, bitten wir ihn, dies im Buche sofort anzumerken, und seine Erfahrungen dann im Laufe der Zeit dem Verfasser oder dem Verleger gütigst mitzuteilen. Jeder kleinste Wink wird dankbar berücksichtigt werden.

Herrn Dr. phil. Paul Langenscheidt, der es gütigst übernommen hat, das Manuskript durchzusehen, erstatten wir bei dieser Gelegenheit für seine vielen nüßlichen Winke und Ratschläge unsern verbindlichsten Dank. Viele der im Texte vorkommenden Berlinismen entstammen seiner Feder. Auch Herrn A. Gustmann, dem technischen Korrektor des Werkes, sind wir für seine trefflichen Dienste bei der Einrichtung der Artikel außerordentlich verpflichtet.

Der Verfasser.

(London SW. 390, Brixton Road.)

II.

= §1=

Das Wesen und die Vertreter der Volkssprache.

Das Kastenwesen, das alle Gebiete des angelsächsischen Lebens durchwuchert, macht sich seit Jahrhunderten auch in den mundartlichen Eigentüm. lichkeiten der englischen Volksklaffen geltend. Am krassesten ist der Zwiespalt zwischen den Idiomen der ungebildeten Masse und der Sprache der sog. höheren Stände. Es ist schmerzlich, zu beobachten, wie die Gattin des reich gewordenen Kleinhändlers mit den seit Niederlegung des Geschäftes überflüssig gewordenen h's und r's einen verzweifelten, häufig nur zu fruchtlosen Kampf führt, und wie sie, die „elegante“ Mama, sich bei ihren grammatikalischsyntaktischen Bemühungen so oft von den feiner erzogenen Töchtern muß auslachen lassen. Dieser Kampf zwischen den Kasten, der im Gebiete des Sprachlichen so recht zum Ausdruck kommt, hat übrigens auch seine ernste Seite und ist nirgends so drastisch dargestellt als in dem Byronschen Lustspiele Our Boys. Auch der nachfolgende Artikel des Punch wirft auf die sprachlichen Unarten der Londoner Plebs ein helles Licht.

Un-English Suggestion.

MR. PUNCH,

DEMOCRACY is indeed, in its own language, "a goin' of it." It has initiated a movement for the habitual omission from utterance of the letter "H." Yes, Sir, 'ARRY 'as 'is defenders. In a paper read before a Provincial Literary and Philosophical Society, to a popular audience, and since published, default of the aspirate is actually extenuated. Nay, its disuse is advocated even. From a London journal there is also quoted a "plea" treating exactness in using it as a species of affectation. A notable point in one of these apologies is the theory that, as some people are partially colourblind, so others may possibly be h-deaf-anddumb; physically unable to hear or to pronounce the sound, h. Un'appy 'uman beings! 'Ow 'orrible! Why what is even 'Eaven without an "H"?

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